14.7.08
Pfalzgraf Ottheinrichs langer Weg nach Krakau
Neuburg - Prag - Krakau - Berlin - Neuburg: 2200 Kilometer Wegstrecke
in drei Monaten, mitten im Winter, auf verschneiten Wegen. Im
Jahr 1536 machen sich ein Fürst und sein Maler aus dem oberbayerischen
Neuburg auf den Weg ins 880 Kilometer entfernte Krakau. Die Stationen
dieser strapaziösen Reise werden in Bildern festgehalten und bescheren
uns heute einige der ältesten Stadtansichten Mitteleuropas. Die
Würzburger Universitätsbibliothek und der Lehrstuhl für Informatik
II bieten nun erstmals die Stationen dieser Reise eindrucksvoll
zur virtuellen Spurensuche an; im Internet präsentieren sie die
einzigartigen Stadtansichten des 16. Jahrhunderts.
Im Zuge der Säkularisation gelangten 1803 zahllose Bücherschätze
aus den umliegenden Klöstern in die Universitätsbibliothek Würzburg.
Darunter befindet sich auch ein unscheinbarer Band mit fünfzig
farbigen Federzeichnungen aus dem Kloster Ebrach. Die Zeichnungen
zeigen Städte und Orte aus Bayern, Sachsen, Polen und Schlesien,
alle namentlich gekennzeichnet.

Stadtansicht von Krakau
Knapp zweihundert Jahre später findet eine Forschergruppe schließlich
heraus, was es mit dem bebilderten Sammelband aus Ebrach auf sich
hat: Bei den kolorierten Blättern handelt es sich vielfach um
die ältesten Ansichten der abgebildeten Orte, die offensichtlich
die Stationen einer Reise sind. Eine Reise, die im Jahr 1536 in
Neuburg beginnt. Dort regiert Ottheinrich von der Pfalz, ein Wittelsbacher.
Er ist vierunddreißig Jahre alt, von erheblichem Körperumfang
und hoch verschuldet. Um sein Fürstentum vor dem drohenden Bankrott
zu retten, reist er nach Krakau, um dort die Mitgift seiner polnischen
Großmutter Hedwig einzufordern: 32.000 Gulden. In seinem Tross
befindet sich auch ein Maler, der fünfzig der durchreisten Orte
auf Papier festhält.
Mit Hilfe moderner Informationstechnik wird die Reise des Fürsten
im Winter 1536/37 nun am Bildschirm virtuell erfahrbar. In Zusammenarbeit
der Universitätsbibliothek Würzburg mit dem Lehrstuhl für Informatik
II (Prof. Dr. Jürgen Albert) wurden die sehr lichtempfindlichen
Originalblätter digitalisiert und können so erstmals einem großen
Publikum zugänglich gemacht werden. Die kostbaren Zeichnungen
sind über eine Internetpräsentation bequem zu erreichen; eine
komfortable Navigationsoberfläche ermöglicht es, spielerisch auf
Ottheinrichs Spuren zu wandeln: Zusatzinformationen zu den einzelnen
Stadtansichten erklären Hintergründe, 3D-Animationen lassen die
historischen Zeichnungen lebendig werden.
Mit der weltweiten Zugänglichkeit verbindet sich auch die Hoffnung,
Interessierte in Ostmitteleuropa in eine Erschließung der Stadtansichten
einzubinden und so zu einer genaueren stadthistorischen und archäologischen
Würdigung der Einzelmotive zu gelangen. Die fürstliche Reisedokumentation
der frühen Neuzeit soll so die Grundlage für eine grenzüberschreitende
Zusammenarbeit im Europa von heute schaffen.
Mehr Infos:
www.ottheinrich.info
Gunnar Bartsch, Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
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