29.10.09
Sonderausstellung „Historischer Streifzug
durch das chemische Labor“ im Bruchsaler Barockschloss
Faszination der Chemie wird spürbar und interaktiv erlebbar
Vom alchimistischen Experiment zur Computersimulation:
Entwicklung einer Naturwissenschaft / Noch bis 10. Januar 2010
geöffnet
Bruchsal (tam). Schloss Bruchsal, Fürstensaal, Mitte des
18. Jahrhunderts: Der Künstler Johann Zick bemalt die Decke
des prachtvollen Raumes mit vielfältigen allegorischen Darstellungen
und setzt dabei auch der Wissenschaft, der Forschung und den „freyen
Künsten“ ein bleibendes Denkmal. Selbst ein chemisches
Zeichen darf darunter nicht fehlen, ein Kreis mit einem Querbalken,
das zeitgenössische Elementsymbol für Salz.
Gleicher Ort, im Oktober 2009: „Historischer Streifzug
durch das chemische Labor“ heißt die just im Fürstensaal
eröffnete Ausstellung, die noch bis 10. Januar kommenden
Jahres in den Sondernutzungsräumen des Bruchsaler Schlosses
zu sehen sein wird. Wer also danach fragt, welche Verbindung
es denn gebe zwischen dem durchweg naturwissenschaftlichen Thema
dieser attraktiven Präsentation und dem einstigen fürstbischöflichen
Barockschloss, der wird sogar im Deckengemälde des Fürstensaals
fündig. Falls es des Beweises bedurft hätte: Chemie
als Arbeitsgebiet und zunehmend auch als Wirtschaftsfaktor hat
seit der frühen Neuzeit eine bedeutende Rolle gespielt,
ging und geht es ihr doch um nichts weniger als um die zentralen
inneren Zusammenhänge der Dinge. Und eine dermaßen
grundsätzliche Frage trieb die Denker des Mittelalters nicht
minder um als die Forscher im modernen Hightech-Zeitalter.
Und sie wird spürbar, diese Faszination der Chemie, spürbar
in den acht Themeninseln der Ausstellung, die eindrücklich
der Entwicklung von wissenschaftlich-praktischer Tätigkeit über
mehr als ein halbes Jahrtausend hin auf der Spur ist. Mit schlichten
Kelchen und Kolben, mit Pfannen und Tiegeln für alchimistische
Experimente fing einmal an, was sich bis heute längst zum
futuristischen Theorie-Labor fortentwickelt hat, in dem hoch
spezialisierte Chemiker mit Computersimulationen und eigens programmierten
Robotern arbeiten. Vom Heidelberger Carl Bosch Museum unter Leitung von Gerda
Tschira als Wanderausstellung konzipiert, verzeichneten die „Streifzüge“ bereits
in Zürich, Jena und Dresden hohe Besucherzahlen. Mit Fug
und Recht, wird doch das Thema nicht etwa gänzlich theoretisch
oder abstrakt angegangen, sondern verschiedene interaktive Stationen
laden zum Probieren und Mitmachen ein, etwa ein Touchscreen in
einem spätmittelalterlichen Holzpult, darauf sich historisches
Schriftgut jener Epoche digital schmökern lässt.
Breiten Raum in der Ausstellung nimmt gerade auch jene Epoche
ein, für die das Bruchsaler Barockschloss als sichtbares
architektonisches Zeugnis bis heute steht. Und so erscheint sie
denn auch nur auf den ersten Blick als ein bloßer chronologischer
Zufall, diese zeitliche Übereinstimmung zweier Ereignisse,
die sich anno 1719 gut fünfhundert Kilometer voneinander
entfernt zutrugen: Am nördlichen Oberrhein wird Damian Hugo
von Schönborn zum Fürstbischof von Speyer gewählt
und entschließt sich wenig später, seine neue Barockresidenz
in Bruchsal zu errichten. Indessen stirbt in Dresden, erst 37-jährig,
aber nach langer Krankheit, der Alchimist und Porzellanerfinder
Johann Friedrich Böttger; den giftigen Substanzen, mit denen
er zeitlebens hantiert hatte, schrieben seine Zeitgenossen den
frühen Tod des Chemietüftlers zu.

Nur ein Zufall, gewiss, aber zugleich ein erhellendes Schlaglicht
auf eine gesamte historische Epoche. Der angebliche Goldmacher
Böttger war zu Lebzeiten die ganze Hoffnung des prachtliebenden
sächsischen Kurfürsten August des Starken, dessen chronische
Prunksucht die Staatsschatullen arg strapazierte. Da mochte doch,
so dachte der Fürst und mit ihm mancher akut finanzklamme
Standesgenosse, die künstliche Herstellung des wertvollen
Edelmetalls ein guter Ausweg sein. Ob am Hof des Speyerer Fürstbischofs ähnliche
Experimente stattgefunden haben, ist freilich nicht überliefert;
der durchaus rational veranlagte Schönborn vertraute zur
Mehrung des Staatsschatzes, die ihm eindrucksvoll gelang, wohl
mehr der Realwirtschaft als der Alchemie. Trotzdem ist seine
barocke Residenz noch bis Anfang kommenden Jahres der rechte
Ort und Rahmen, jener frühneuzeitlichen Experimentierfreude
rund um stoffliche Prozesse und der Entfaltung der Chemie als
einer modernen Naturwissenschaft insgesamt auf die Spur zu kommen.
Info: Die Sonderausstellung „Historischer Streifzug durch
das chemische Labor“ wurde vom Carl Bosch Museum Heidelberg
als Wanderausstellung konzipiert und wird in Kooperation mit
den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg
und der Stadt Bruchsal gezeigt. Sie ist ab dem 24. Oktober 2009
bis 10. Januar 2010 im Schloss Bruchsal, Schlossraum 4, 76646
Bruchsal, zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag
13 bis 17 Uhr, Sonntag 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt zur Sonderausstellung
ist im regulären Schlosseintritt bereits enthalten (5 Euro
Erwachsene, 2,50 Euro Kinder und Jugendliche). Weitere Informationen:
Tel. 07251 / 742661 (Schlosskasse) und 07251 / 79-380 (Stadt
Bruchsal).
Bilder: Einblicke in die Ausstellung (Thommas Adam/Stadt Bruchsal)
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