13.7.09
Mannheimer Mumienforschungsprojekt mit Computertomographie
unterstützt
Kooperation zwischen der Universitätsmedizin und den Reiss-Engelhorn-Museen
/ Mumien geben ihr Inneres preis und bleiben dennoch völlig
unversehrt
In einem nicht ganz alltäglichen Bereich arbeitet die Universitätsmedizin
Mannheim (UMM) jetzt mit dem German Mummy Project der Curt-Engelhorn-Stiftung
für die Reiss-Engelhorn-Museen zusammen. Die Experten des
Instituts für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin (Direktor:
Prof. Dr. Stefan Schönberg) untersuchen mit einem ihrer
besonders leistungsfähigen Computertomographen (CT) Mumien,
die dem Mumienforschungsprojekt zur wissenschaftlichen Untersuchung
von anderen Museen aus aller Welt vorübergehend überlassen
werden. Auf diese Weise geben die Mumien ihr Inneres preis und
bleiben dennoch völlig unversehrt.

Dr. Wilfried Rosendahl (Reiss-Engelhorn-Museen, links) erläutert
einige mit bloßem Auge erkennbare Details, bevor die Mumie
im Computer-Tomographen untersucht wird. © Manfred Rinderspacher
für Universitätsmedizin Mannheim und rem
Den Auftakt einer ganzen Untersuchungsreihe machen drei ägyptische
Mumien, Leihgaben aus dem Museum der Kulturen und dem Naturhistorischen
Museum in Basel: eine Frau, ein Mann und ein Kind. Diese Mumien
werden ab Juli 2010 im Rahmen der Ausstellung "Mummies of
the World" auf eine Ausstellungstour durch die USA gehen.
Seit dem 19. Jahrhundert befinden sich diese Mumien in Basel.
Wie sie dorthin kamen, ist nicht bekannt. Über die Menschen
selbst ist ebenfalls kaum etwas bekannt. Im Rahmen des German
Mummy Project werden sie erstmals mit modernsten Forschungsmethoden
untersucht und restauriert. Erste CT-Untersuchungen des Mannes
und des Kindes vor 14 Tagen brachten bereits interessante Erkenntnisse
zu Tage. Beispielsweise vermutete man bei der komplett bandagierten
Kindermumie aufgrund der von außen sichtbaren Körpergröße
ein Baby. Die CT-Untersuchung zeigte jedoch die Körperreste
eines Kleinkindes, das mit "zusammengeschobenen" Beinen
bandagiert wurde. Auch bei der Frauenmumie, die vergangene Woche
untersucht worden ist, erwarteten die Forscher spannende Ergebnisse.
Eine
sorgfältig durchgeführte Balsamierung
weist auf eine bedeutende Person hin. Diese Vermutung unterstreichen
die teilweise noch vorhandenen Goldblattauflagen auf der Haut.

Priv.-Doz. Dr. Christian Fink demonstriert eine erste 3-D-Darstellung
der Mumie. © Manfred Rinderspacher für Universitätsmedizin
Mannheim und rem
Die Basler Mumien sind der Anfang einer engen Kooperation zwischen
dem German Mummy Project an den Reiss-Engelhorn-Museen und dem
Universitätsklinikum Mannheim. Technisch werden die Kooperationspartner
von Siemens, Niederlassung Mannheim, unterstützt. Aus Sicht
des Mumienforschungsprojekts handelt es sich dabei um eine richtige
Mannheim-Connection: "Wir haben hier in Mannheim die Möglichkeit,
mit kompetenten Experten zusammenzuarbeiten, die uns mit neuester
Bildgebungstechnik bei der Erforschung zahlreicher Mumien unterstützen," so
Projektleiter Dr. Wilfried Rosendahl. In den nächsten acht
Monaten wird das German Mummy Project immer wieder auf die Unterstützung
der Radiologen aus dem Universitätsklinikum zurückgreifen.
Im Vorfeld der Ausstellungstour durch die USA müssen noch
zahlreiche Mumien untersucht werden. Insgesamt handelt es sich
um zwölf Ganzkörpermumien, darunter beispielsweise
peruanische Mumien aus der Schweiz oder die Vorfahren des Barons
von Crailsheim aus der Familiengruft von Schloss Sommersdorf.
Die Radiologen der Universitätsmedizin Mannheim freuen
sich über die durch die Firma Siemens vermittelte Kooperation
mit den Reiss-Engelhorn-Museen und werten dies als Anerkennung
der an der UMM vorgehaltenen CT-Expertise und -Technik. Der Geschäftsführende
Oberarzt des Instituts für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin,
Privat-Dozent Dr. Christian Fink, verweist auf weitere Vorzüge
dieser Zusammenarbeit: "Dieses Projekt ergänzt in idealer
Weise unsere derzeitigen Forschungsaktivitäten, die sich
mit neuen, so genannten Dual Energy CT-Techniken zur Verbesserung
der Gewebecharakterisierung und -visualisierung beschäftigen.
Diese kommen im klinischen Alltag Patienten zugute, zum Beispiel
bei der Untersuchung der Durchblutung von Tumoren oder bei der
Gefäßdarstellung in der CT-Angiographie."
Bei dem im Fall der Mumien zum Einsatz kommenden Computertomographen
handelt es sich um ein im Jahr 2007 installiertes Gerät
- das Siemens "Dual-Source Somatom Definition". Seine
Bezeichnung rührt daher, dass zwei Röntgenquellen und
entsprechend zwei Detektoren, die diese Strahlen aufnehmen und
weiterverarbeiten, gleichzeitig eingesetzt werden. Die Energie
der beiden Röntgenquellen lässt sich unabhängig
voneinander verändern. Durch diesen "Dual Energy"-Effekt
sind die erzeugten Bilder anatomisch deckungsgleich, erlauben
aber aufgrund der unterschiedlichen Bildinformation eine verbesserte
Unterscheidung verschiedener Gewebe. Aus den aufgenommenen Bildern
werden mit leistungsstarken Rechnern und spezieller Software
anschauliche dreidimensionale Darstellungen der untersuchten
Körperpartien berechnet.
Dennoch unterscheiden sich die Voraussetzungen bei der CT-Untersuchung
von Mumien grundlegend von denen bei Patienten, so Dr. Fink. "Während
wir mit Hilfe modernster CT-Technik heute bei Patienten selbst
das schlagende Herz bewegungsfrei darstellen können, spielen
Körperbewegungen bei der Untersuchung der Mumien selbstverständlich
keine Rolle." Auch die sonst verwendeten Techniken, die
es erlauben, bei Patienten die CT-Untersuchung so strahlenarm
wie möglich zu machen, brauchen bei den Mumien nicht verwendet
zu werden. Unabhängig von dem ärztlich-fachlichen Interesse,
so Dr. Fink, sei es spannend, Geheimnisse lüften zu können,
die über Jahrhunderte im Verborgenen geblieben sind. Um
die Patientenversorgung nicht zu beeinträchtigen, finden
die gemeinsamen Studien abends statt, also zu einem Zeitpunkt,
an dem die Versorgung von Notfällen ohnehin komplett von
einem anderen CT-Gerät des Instituts übernommen wird.
Klaus Wingen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsmedizin Mannheim
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