12.3.09
Ein einzigartiger Fund: Jungsteinzeitliche Flechtsandale
am Bodensee
Der älteste badische Schlabbe - Regierungspräsident
Schmalzl präsentierte
neuen einzigartig gut erhaltenen Fund - Erhaltung durch INTERREG-Projekt
mit rund
1,8
Mio. € gefördert - Unterstützung für die
Kandidatur als UNESCO-Weltkulturerbe
Der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes
Schmalzl stellte am vergangenen Dienstag in Sipplingen einen
spektakulären
neuen Fund der Taucharchäologen des zum Regierungspräsidium
Stuttgart gehörenden Landesamtes für Denkmalpflege
vor. Eine nahezu vollständig erhaltene Sandale aus der Zeit
um 2900 v.Chr., deren Zustand und Aussagekraft den Kleidungsstücken
des bekannten Gletschermannes „Ötzi“ nicht nachsteht.

„Schon
in der Steinzeit bot der Bodensee beste Wohnlagen. Zahlreiche
Pfahlbausiedlungen standen vom 4. bis 1. Jahrtausend v. Chr.
an seinen Ufern“, so Schmalzl. „Besonders wichtige
Siedlungen lagen in der Pfahlbaubucht von Sipplingen. Viele Fundstücke
verdanken wir der guten konservierenden Eigenschaft des Wassers.
Sie stellen eine einzigartige Quelle der frühbäuerlichen
Geschichte und Zivilisation in Europa dar.“ Unter Wasser
und im Schlamm eingesunken und somit unter Sauerstoffabschluss
konservierten sich ihre Reste in herausragender Weise bis heute
an vielen Uferabschnitten. Hölzer, Baustrukturen ganzer
Siedlungen und zahlreiche Funde, auch so vergängliche Materialien
wie Textilien und Nahrungsreste blieben erhalten. Als Beispiel
der optimalen Konservierung wird der neue Fund gewertet: die
Flechtsandale aus Gehölzbast, die in Ablagerungen einer
endneolithischen Pfahlbausiedlung ausgegraben wurde. „Um dieses wichtige kulturelle Erbe im Bodensee und Zürichsee
zu erhalten“, so Schmalzl weiter, „führt das
Regierungspräsidium Stuttgart gemeinsam mit Partnern aus
Baden-Württemberg, Vorarlberg und der Schweiz das 'Interreg
-Projekt Ufererosion und Denkmalschutz im Bodensee und Zürichsee'
durch. Hierfür stehen bis 2011 rund 1,8 Millionen Euro zur
Verfügung. Dass wir dieses Projekt überhaupt realisieren
können, verdanken wir der Förderung durch das Interreg
IV-Programm „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein. Es steuert
mit rund 1,1 Millionen Euro den Hauptteil der Geld-mittel bei.“ Die
Interreg-Förderung setzt sich zusammen aus rund 820.000
Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung
(EFRE) und aus rund 280.000 Euro Schweizer Interreg-Mittel. Das
Regierungspräsidium Stuttgart ist hier Projektko-ordinator
(Lead-Partner). Weitere Partner sind das Amt für Archäologie
des Kantons Thurgau, die Abteilung Archäologie und Denkmalpflege
der Baudirektion des Kantons Zürich, das Vorarlberger Landesmuseum
und das Institut für Seenforschung Langenargen. Das Limnologische
Institut der Universität Konstanz beteiligt sich im Rahmen
einer Kooperation.
Mittels drei aufeinander abgestimmter Untersuchungen und Vorgehen
soll das Kulturerbe erhalten bleiben. Zum einen werden die Erosionsvorgänge
im Flachwasserbereich erforscht, um deren Ursachen genauer zu
begreifen und Prognosen zur künftigen Entwicklung zu geben.
Zum anderen werden umweltschonende Schutzkonstruktionen erprobt,
die mittels Kiesabdeckung und Geotextil den akuten Erosionsvorgängen
Einhalt gebieten sollen. Schließlich wird ein Monitoringsystem
entwickelt, das die Fundstätten in der ökologisch empfindlichen
Flachwasserzone langfristig überwachen soll. Umweltveränderungen,
Klimawandel und Schiffsverkehr gefährden die archäolo-gischen
Fundstellen unter Wasser und führen zur Abspülung der
schützenden Deck-schichten. Auf Versuchsflächen testen
die Wissenschaftler verschiedene Erosions-schutzmaßnahmen
und erarbeiten Kriterien und Techniken für eine Überwachung
der archäologischen Fundstätten unter Wasser.
Die Pfahlbauten in den Alpenrandseen sind Denkmäler von
einzigartiger Bedeutung und wissenschaftlicher Aussagekraft.
Die gesamte Denkmälergruppe der Pfahlbauten erstreckt sich
von Ostfrankreich über die Schweiz, Norditalien und Süddeutschland
bis nach Österreich und Slowenien. Die Fundstellen in Baden-Württemberg
haben mit ihrer Einzigartigkeit einen wichtigen Anteil an der
Rekonstruktion der Siedlungs- und Umweltgeschichte früher
Bauern im Umfeld der Alpen. Das Land beteiligt sich deshalb an
der internationalen Initiative unter der Federführung der
Schweiz den Titel „UNESCO-Welterbe“ für die
Pfahlbauten zu beantragen. Etwa 35 ausgewählte Fund-stellen
am deutschen Bodenseeufer und in den Seen und Mooren Oberschwabens
sollen auf die Welterbeliste. Das Landesamt für Denkmalpflege
arbeitet derzeit an den Kartierungen und Begründungen für
das Antragsdossier. Mit den in Frage kom-menden Gemeinden werden
Abstimmungsgespräche geführt. Der Antrag soll zum Jahresende
2009 in Paris eingereicht werden. |