7.5.09
Archäologischer Stadtkataster Ulm offiziell
übergeben
(rps) Regierungspräsident Hermann Strampfer und Prof. Dr.
Dieter Planck, Präsident des Landesamts für Denkmalpflege
im Regierungspräsidium Stuttgart, übergaben am Mittwoch,
den 29. April 2009, im Rahmen einer kleinen Feierstunde im Großen
Sitzungssaal des Ulmer Rathauses den neu erschienenen Archäologischen
Stadtkataster für die Stadt Ulm an Oberbürgermeister
Ivo Gönner. „Die bis heute überlieferte reiche
archäologische Substanz der ehemaligen Reichsstadt kann
so künftig bei Bauvorhaben Berücksichtigung finden
und rechtzeitig von Seiten der Landesarchäologie in den
Planungen zur Sprache gebracht werden“, erläuterte
der Tübinger Regierungspräsident. Das Werk fasse die
bisherige archäologische und stadtgeschichtliche Forschung
in Ulm zusammen und kennzeichne zugleich die archäologisch
relevanten Bereiche innerhalb der Ulmer Altstadt.

Prof. Planck: „Dieser Stadtkataster dokumentiert die über
viele Jahrzehnte praktizierte intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit
der Denkmalpflege insgesamt mit der Stadt Ulm, die nunmehr auf
diesem Fundament weiter fortgesetzt werden kann.“ Die Untersuchung
beschreibt die archäologischen Funde und Befunde und wertet
die einschlägigen historischen Schrift- und Bildquellen,
die Bauakten sowie die bisherige Forschungsliteratur aus. Ein
eigenes Kapitel zieht eine Zwischenbilanz hinsichtlich der archäologischen
Erkenntnisse zum Alltag im mittelalterlichen Ulm. Die Ergebnisse
werden auf 350 Textseiten mit ca. 150 Abbildungen und auf farbigen
Fachplänen, die ein eigenes Beiheft bilden, vorgestellt.
Prof. Planck erinnerte in seinen einführenden Worten an
wichtige Stationen der archäologischen Erforschung im Altstadtgebiet
von Ulm. Die Intensität dieser Tätigkeit mache nicht
zuletzt der Archäologische Fundstellenkatalog des Stadtkatasters
deutlich, der im Stadtgebiet etwas mehr als 400 Nummern verzeichnet.
Mit den Anfängen der archäologischen Erforschung Ulms
verbinde sich der Name Konrad Dietrich Hasslers, des ersten württembergischen
Landeskonservators, der den beim Bahnbau 1857 entdeckten alamannischen
Friedhof am Kienlesberg ausgegraben hat. Prof. Planck zufolge
habe der Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben
von Anfang an großes archäologisches Engagement an
den Tag gelegt, wobei das Interesse im Ulmer Raum zunächst
aber der römischen Zeit gegolten habe. Erst gegen Ende des
19. Jahrhunderts und vor allem in der Zeit zwischen den beiden
Weltkriegen sei in Ulm eine archäologische Stadtgeschichtsforschung
immer stärker in Erscheinung getreten. Aus der Zeit des
Wiederaufbaus der kriegszerstörten Stadt stammten zahlreiche
Befundaufnahmen von Albrecht Rieber, insbesondere auf dem Weinhof-Areal,
und aus den späten 1960er Jahren auch die ersten Untersuchungen
des damaligen Staatl. Amtes für Denkmalpflege auf dem Grünen
Hof.
„Einen neuen Schub gibt es seit den 1980er Jahren, nachdem
die Stadtarchäologie als denkmalpflegerische Schwerpunktaufgabe
eingerichtet wurde“, so Prof. Planck. Unter der Leitung
von Judith Oexle, Andrea Bräuning, Marianne Dumitrache und
Jonathan Scheschkewitz sind bis heute zahlreiche archäologische
Untersuchungen durchgeführt worden. Ulm wurde neben Konstanz
zu einem der zentralen Tätigkeitsfelder der Mittelalterarchäologie
in Baden-Württemberg und die wissenschaftlichen Erträge
der Grabungen, deren umfangreichste Kampagne in der Trasse der
Neuen Straße stattfand, haben eine weit über den südwestdeutschen
Raum hinaus reichende Beachtung gefunden. Gespannt warten Archäologen
und Historiker nun auch darauf, zu welchen Ergebnissen die aktuellen
Auswertungen der Großgrabung „Neue Straße“ und
die wissenschaftliche Aufarbeitung von Altgrabungen im Rahmen
des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten
Projektes mit dem Thema „Stadtwerdung Ulms“ kommen
werden.
In den Schriftquellen ist Ulm in der Mitte des 8. Jahrhunderts – damals
als Ort einer königlichen Pfalz – erstmals bezeugt.
Die sich hier andeutende zentralörtliche Funktion reichte
sicher in alamannisch-fränkische Zeit zurück und hatte
auch in den hochmittelalterlichen Jahrhunderten Bestand. Auf
dieser Basis bildeten sich in Ulm frühstädtische Strukturen
heraus, die schließlich in eine wohl von Kaiser Friedrich
Barbarossa vollzogene formelle Stadterhebung mündeten. Ulm
entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Reichsstädte
im oberdeutschen Raum. Die besondere politische und wirtschaftliche
Rolle der spätmittelalterlichen Stadt hatte auch zur Folge,
dass in Ulm zahlreiche herrschaftliche, kirchliche oder gewerbliche
Einrichtungen entstanden sind, die fallweise, wie etwa das Münster,
Teile der Stadtbefestigung oder der Salzstadel, bis heute das
Stadtbild prägen. Dem trägt auch ein Inventar im Stadtkataster
Rechnung, das unter der Überschrift Historische Topographie
mehr als 300 Objekte historisch beschreibt und kartiert.
Das Kapitel Stadtbewertung unter archäologischen Gesichtspunkten
stellt nach Auffassung von Dr. Andrea Bräuning, die namens
der Autoren Aufbau und Inhalt des Werkes erläuterte, „gleichsam
das Resümee der Untersuchung“ dar, indem es die archäologisch
relevanten Bereiche für die künftige denkmalpflegerische
Betreuung der Altstadt Ulms festlegt. Auch wenn infolge der großen
Kriegszerstörungen und auch der jüngeren flächigen
Neubaumaßnahmen innerhalb der Altstadt immer wieder massive
Verluste von Bodenurkunden zu beklagen waren, hat Ulm noch in
vielen Bereichen seine im späten Mittelalter und in der
frühen Neuzeit grundgelegte Straßen- und Quartiersstruktur,
zahlreiche Dokumente seiner historischen Bebauung sowie ein dichtes
archäologisches Potenzial bewahren können. Alle Redner
bei der Vorstellung dieses Bandes sind überzeugt: „Auch
dieser Archäologische Stadtkataster wird bei dem Bemühen,
den historischen Quellenwert der innerstädtischen Flächen
zu würdigen und die sichtbaren wie auch die im Boden tradierten
Geschichtsdokumente an die Nachwelt zu vererben, qualifizierte
Wegweisungen geben.“
Über seine Funktion als Instrument für die Stadtplanung
hinaus dient dieser Band als „aktuelle Standortbestimmung
der archäologischen Forschung und zugleich als Grundlage
für die künftige Ulmer Stadtgeschichtsforschung“,
betonen die Autoren. Zielgruppe des Archäologischen Stadtkatasters
sind somit nicht nur Denkmalpflege und Planungsbehörden,
sondern auch die stadt- und heimatgeschichtlich interessierte
Bürgerschaft.
Der Band Ulm erscheint als Nr. 35 in der Schriftenreihe Archäologischer
Stadtkataster Baden-Württemberg. Die Reihe wird vom Regierungspräsidium
Stuttgart, Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen, zusammen
mit der jeweils bearbeiteten Stadt herausgegeben. Verfasst wurde
der Band von den Archäologen Dr. Andrea Bräuning (Regierungspräsidium
Freiburg) und Dr. Rainer Schreg (Römisch-Germanisches Zentralmuseum
Mainz) sowie dem Ulmer Historiker Dr. Uwe Schmidt. Die Druckkosten
für die Auflage (420 Bände) tragen die Stadt Ulm und
das Landesamt für Denkmalpflege gemeinsam. Aus dem Regierungsbezirk
Tübingen sind bisher für Biberach, Wangen im Allgäu,
Reutlingen und Überlingen Stadtkataster in dieser Form publiziert
worden. Der Band kann bei der Stadt Ulm bzw. beim Landesamt für
Denkmalpflege in Esslingen erworben werden.
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