12.1.11
Ein technisches Kulturdenkmal der Musikgeschichte
Das Tonstudio des Labels MPS in Villingen-Schwenningen ins Denkmalbuch
eingetragen
Das Stuttgarter Landesamt für Denkmalpflege,
das Regierungspräsidium
Freiburg und die Stadt Villingen haben ein technisches Kulturdenkmal
ins Denkmalbuch eingetragen, das somit zukünftig ganz besonderen
Schutz genießt. Es handelt sich um das von Hans Georg Brunner-Schwer
zwischen 1957 und 1960 eingerichtete Tonstudio des Labels MPS
in der Richthofenstraße in Villingen-Schwenningen.
Der
1927 geborene Brunner-Schwer entstammte einer Familie, die 1923
in Villingen die Schwarzwälder-Apparate-Bau-Anstalt (SABA)
schuf. Das 1968 gegründete Musiklabel Musikproduktion Schwarzwald
(MPS) diente der wirtschaftlichen Verwertung von ab den späten
1950er Jahren für SABA gemachten Musikaufnahmen. Schon ab
1963 waren berühmte Personen aus der Musikszene bei Hans
Georg Brunner-Schwer zu Gast. Dabei entstanden Aufnahmen in den
1950er Jahren in den Wohnräumen der Familie und schon vor
1968 im Tonstudio in der Richthofenstraße.

Blick in das Tonstudio des Labels MPS
Von 1968 bis 1983 war das Studio Aufnahmeort des vor allem in
der Jazzszene bekannten Labels MPS. Aus den dort aufgenommenen
Magnetbändern stellte man andernorts Langspielplatten, Musikkassetten
und andere Tonträger her, unter anderem mit Aufnahmen von
Oscar Peterson, Friedrich Gulda, Albert Mangelsdorff und Wolfgang
Dauner. Hans Georg Brunner-Schwer starb 2004. Im Studio werden
indessen weiter Aufnahmen für das MPS – Nachfolgelabel
HGBS – das Kürzel steht für seinen Namen – gemacht.
„
Brunner-Schwer hat diesen Teil des Firmengebäudes nach und
nach so umgeformt und eingerichtet, dass diese Qualität
auch bei Studioaufnahmen gewährleistet war. Der Innenausbau
ist mit großen Teilen der Technik und der Einrichtung original
erhalten“, bestätigt Sigrid Fiehn, Denkmalpflegerin
bei der Stadt Villingen-Schwenningen.
Der Bestand enthält einige Objekte, die einzigartig oder
an anderer Stelle nicht mehr erhalten sind und daher einen bestimmten
Ausschnitt der Musik- und Tontechnikgeschichte gut dokumentieren.
Sie belegen den hohen Standard des Studios etwa auf dem Niveau
der Rundfunkstudios. Durch Eigenbau und Sonderlösungen konnte
man flexibel auf Wünsche der Musiker eingehen.
Dr. Michael Hascher, im Landesamt für Denkmalpflege Spezialist
für technischen Denkmalschutz, ist vor allen Dingen von
der Tontechnik des Studios begeistert: „Die erhaltenen
technischen Geräte stammen aus der Zeit ab 1968. Im Aufnahmeraum
gibt es z. B. noch ein Stativ für 3 Mikrophone, das einen
besonderen Schritt in der Aufnahmetechnik belegt. Das Studio
gestattet einen Blick auf die früheren Musik-Produktionsbedingungen,
der heute nur noch an wenigen Orten möglich ist“.
Seine Kollegin Dr. Petra Wichmann vom Regierungspräsidium
Freiburg begründet die Eintragung in das Denkmalbuch: „Das
Studio ist für die Wissenschaft von Bedeutung, weil es für
einen in der schnelllebigen Musikszene verhältnismäßig
langen Zeitraum die Entwicklung der Aufnahmetechnik dokumentiert.
Es ist eines der wenigen erhaltenen und sicher das bekannteste
historische Tonstudio in Baden-Württemberg in privater Hand.
Außerdem belegt es das Wirken der Unternehmerfamilie Brunner-Schwer
am Industriestandort Villingen-Schwenningen und ist damit auch
von regional-geschichtlicher Bedeutung.“
Das Besondere am Tonstudio war aufnahmetechnisch die Klangqualität.
Während man Musik zuvor aus der Hörsituation eines
Zuhörers in den vorderen Reihen aufnahm, wurde hier aus
der Hörsituation des Musikers zu mikrophoniert. Dies erreicht
man durch die Art der Verteilung der Mikrophone im Raum und die
Mischtechnik. Außergewöhnlich war zudem die Atmosphäre
von Life-Mitschnitten. Die erhaltenen technischen Geräte
stammen aus der Zeit zwischen 1968 bis 2004. Im Regieraum des
Studios ist auch der Universal-Entzerrer UE 100 von Klein+Hummel
Ende der 1970 Jahre bemerkenswert, technische Grundlage für
die Entwicklung der elektronischen Musik dieser Zeit, der funktional
als Entzerrer für die Lautsprecher diente. Ebenso erhalten
ist ein sog. Hallgerät: Es verzögert mechanisch die
Klangwiedergabe und erzeugt so eine „schöne“ Klangstruktur.
Noch heute wird dieser Effekt digital simuliert. Schließlich
sind die Leslie Cabinett-Lautsprecherboxen für die Wiedergabe
von Tönen der Hammondorgel mit rotierenden Lautsprechern
zu erwähnen. Im Tonstudio in der Richthofenstraße
findet man also hauptsächlich analoge Technik.
HGBS-Studio
in Villingen |