26.9.12
Über 4000 Jahre alte Steinzeitgräber
im Hegau entdeckt
(lkkn) - Bei den aktuellen archäologischen
Ausgrabungen auf einer Kiesterrasse unterhalb des markanten Hegauvulkanberges „Hohenhewen“ sind
Archäologen im Landkreis Konstanz auf seltene Gräber
aus der Jungsteinzeit gestoßen. Die gut erhaltenen Bestattungen
sind etwa 4200-4400 Jahre alt und gehören zu den schönsten
neueren Funden der Region.
In Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege des Regierungspräsidiums
Freiburg führte die Kreisarchäologie des Landratsamtes
Konstanz seit 2008 in den Sommermonaten archäologische Voruntersuchungen
künftiger Abbauflächen des Kieswerks Kohler südlich
von Engen-Anselfingen durch. Die diesjährige Kampagne findet
von Ende Juli bis Ende Oktober statt. Die Grabungsmannschaft setzte
sich aus Archäologiestudentinnen und -studenten der Universitäten
Freiburg, Tübingen, Konstanz, Münster und Erlangen zusammen.
Inzwischen wurden 3,2 Hektar Fläche mit etwa 3.200 Einzelfundstellen
vollständig archäologisch untersucht. Die meisten Fundstellen
gehören zu ehemaligen Holzhäusern, Speichern und Handwerkerhütten
einer großen keltischen Siedlung, die hier zwischen 500/450
v. Chr. und 100 v.Chr. bestand. Auch römische Siedler ließen
sich spätestens im 2. Jahrhundert n. Chr. auf dem längst
verlassenen Siedlungsgelände der Kelten nieder.

Landrat Frank Hämmerle, Bürgermeister Johannes Moser,
Irene Völlinger, Wunibald Wikenhauser und Kreisarchäologe
Dr. Jürgen Hald (von links) vor dem etwa 4300 Jahre alten
Grab einer Frau, die mit einem Hals- oder Brustschmuck aus Knochenperlen
sowie mehreren Tongefäßen der sogenannten Glockenbecherkultur
am Ende der Jungsteinzeit bestattet wurde.
Zu den diesjährigen Spitzenfunden zählen zwei Gräber
der sogenannten Glockenbecherkultur aus dem 3. Jahrtausend v. Chr.
Es handelt sich um zwei Hockerbestattungen, die in kleinen, Nord-Süd-ausgerichteten
Grabgruben niedergelegt wurden. Aufgrund der zu dieser Zeit üblichen
Bestattungssitten wurden Männer und Frauen unterschiedlich
orientiert in die Grabgruben gelegt: Männer mit dem Kopf im
Norden, Frauen mit dem Kopf im Süden. Zu den Beigaben, mit
denen die Archäologen auch das Alter der Gräber bestimmen
können, gehören verschiedene Tongefäße, darunter
auch einer jener charakteristischen glockenförmigen Becher,
die mit Stich- und Ritzmuster verziert waren und der Kultur am
Ende der Jungsteinzeit ihren Namen gegeben haben.
Bei einem der Gräber handelt es sich vermutlich um ein Frauengrab.
Die wohl erwachsene Frau legte man mit dem Kopf im Süden des
Grabes nieder. Besonders interessant ist der kostbare Halsschmuck
der Frau. Im Brustbereich des Skeletts liegen mindestens 16 kleine
pyramidenförmige Knochenperlen, die zu einer Halskette gehört
haben dürften. Sie sind charakteristisch für Gräber
am Ende der Jungsteinzeit und Beginn der Frühbronzezeit zwischen
2400 und 2000 v. Chr. Die ebenfalls im Grab niedergelegten Gefäße
sind noch von einem jungsteinzeitlichen Töpfer um 2300 v.
Chr. hergestellt worden.
In der zweiten Grabgrube wurden zwei vermutlich noch jugendliche
Personen bestattet. Sie liegen eng beieinander. Nach Lage der Schädel
dürfte es sich um ein männliches und ein weibliches Individuum
gehandelt haben. Anthropologischen Untersuchungen werden diese
Vermutungen dann überprüfen und auch weitere Daten zu
Sterbealter, Krankheiten und möglicherweise auch der Todesursache
liefern können. Auch sie haben zwei kleine Gefäße
der Glockenbecherzeit bei sich.
„Gräber dieser Zeit kommen nicht häufig vor,
so dass diese interessanten Funde auch über die Region hinaus
für die Erforschung der jungsteinzeitlichen Kulturen von wissenschaftlicher
Bedeutung sind“, bewertet Kreisarchäologe Dr. Jürgen
Hald die Neufunde der diesjährigen Ausgrabungskampagne. Der
Konstanzer Landrat Frank Hämmerle und der Engener Bürgermeister
Johannes Moser zeigten sich ebenfalls beeindruckt von den gut erhaltenen
Skeletten und den dazugehörigen Beigaben und lobten die gute
Zusammenarbeit der Archäologen mit dem Kieswerkunternehmer
Thomas Kohler, der die Arbeiten mit großem Interesse verfolgt
und tatkräftig unterstützt.
Die Funde werden nun geborgen und in die Restaurierungslabors
der Denkmalpflege des Regierungspräsidiums Freiburg gebracht.
Die Skelette werden ebenfalls sorgsam verpackt und zur Untersuchung
an die Osteologie des Landesamtes für Denkmalpflege (Regierungspräsidium
Stuttgart), die ihren Sitz in Konstanz hat, übergeben.
|