7.6.13
Das Konstanzer Konzil – Ulrich von Richentals Bericht über
ein europäisches Gipfeltreffen des Mittelalters
Die Badische Landesbibliothek hat ihre zwei Bilderhandschriften
digitalisiert
Von 1414 bis 1418 stand Konstanz als Schauplatz des Konstanzer
Konzils im Mittelpunkt der Weltpolitik. Zwei berühmte Bilderhandschriften
zu diesem zentralen Ereignis des Mittelalters hat die Badische
Landesbibliothek nun in Vorbereitung auf das 600-jährige
Jubiläum digitalisiert und stellt sie in ihren
Digitalen Sammlungen weltweit zur Nutzung bereit. Sie unterstützt
damit auch die Große Landesaustellung des Badischen Landesmuseums
unter dem Titel „Weltereignis des Mittelalters. Das Konstanzer
Konzil 1414-1418“, die ab 27. April 2014 im Konzilsgebäude
Konstanz gezeigt werden wird.
![Badische Landesbibliothek: Ulrich <von Richental>, Chronik von St. Georgen. Erschienen Konstanz, [um 1470]](bilder/blb_stgeorgen63.jpg)
Badische Landesbibliothek: Ulrich <von Richental>,
Chronik von St. Georgen.
Erschienen Konstanz, [Handschrift 63, um 1470]
Das Konstanzer Konzil wurde einberufen, um die gespaltene katholische
Kirche wieder zu einigen und zu reformieren sowie ein Vorgehen
gegen die Ketzerei zu verabreden. Könige, Päpste, Patriarchen,
Kardinäle, Bischöfe sowie weltliche und kirchliche
Fürsten trafen sich am Bodensee. Von überallher aus
der christlichen Welt kamen die Delegationen, von Lissabon bis
Konstantinopel, von Uppsala bis Damaskus. Erreicht wurde allerdings
nur ein Ziel: Am Ende des Konzils gab es statt drei Päpsten
noch einen.
Chronist dieses Gipfeltreffens war der Konstanzer Bürger
Ulrich von Richental. Er berichtet lebendig von den spektakulären
Ereignissen des Konzils, aber auch vom Alltag in der überfüllten
Stadt. Die Unterbringung und Verpflegung von insgesamt etwa 70.000
Gästen war eine immense logistische Herausforderung. Zahlreiche
Vorschriften wurden erlassen: Höchstpreise für Quartiere
wurden festgelegt und der Turnus des Austauschs der Bettwäsche
bestimmt. Ulrich von Richental berichtet von dem enormen Zulauf
auswärtiger Handwerker und Kaufleute, etwa von Bäckern
mit mobilen Öfen, deren Pasteten nicht nur gut gewürzt,
sondern auch ziemlich billig zu kaufen waren. Nebenbei erfährt
man, dass auch Frösche und Schnecken für die „Welschen“ nach
Konstanz geliefert wurden.
![Badische Landesbibliothek, Chroniken - Ettenheim-Münster 11. Ulrich <von Richental>, Jakob Twinger von Königshofen, Überlingen, [1467 und 1490-1500].](bilder/blb_ettenheimmuenster63.jpg)
Badische Landesbibliothek, Chroniken - Ettenheim-Münster
11. Ulrich <von Richental>, Jakob Twinger
von Königshofen, Überlingen, [1467 und
1490-1500].
Die Handschrift 63 aus dem Benediktinerkloster St. Georgen im
Schwarzwald ist um 1470 entstanden. Die Handschrift 11 aus der
Benediktinerabtei Ettenheimmünster in der Ortenau entstand
um etwa 1500. Beide Handschriften sind sehr fragil und die Buchmalereien
sind hochgefährdet, so dass die Digitalisierung nicht nur
der Forschung und der Jubiläumsvorbereitung, sondern auch
dem Schutz der Originale dient. Die Federzeichnungen illustrieren
das Konzilsgeschehen, aber auch ein Missgeschick von vorausdeutender
Tragweite: Zu sehen ist, wie der aus der Lombardei anreisende
Papst Johannes XXIII. auf dem Alpenpass von Arlberg mit dem Wagen
umstürzt und schimpft: „Ich liege hier in Teufels
Namen!“ |