15.1.13
Berner Archäologen erforschen griechische Stadt auf Sizilien
Die Abteilung Archäologie des Mittelmeerraumes der Universität
Bern führt in der bedeutenden griechischen Koloniestadt «Himera» auf
Sizilien ein Projekt interdisziplinärer Stadtforschung durch.
Untersucht wird ein bisher unbekannter Teil der Kolonie. Erste
Ergebnisse weisen darauf hin, dass Himera zu einer der flächenmässig
grössten griechischen Koloniestädte Siziliens gehören
könnte.
Himera, die einzige grosse griechische Koloniestadt an der Nordküste
Siziliens, wurde 649 v. Chr. gegründet. Sie ist weit nach
Westen vorgeschoben und bildete einen griechischen Vorposten in
Richtung phönizisch-karthagisches Einflussgebiet. So war Himera
zwei Mal – 480 v. Chr. und 409 v. Chr. – Schauplatz
grosser historischer Schlachten gegen die Karthager, die «Barbaren» des
Westens. Aufgrund ihrer Lage und der Öffnung zum indigenen
Hinterland ergab sich eine interessante Begegnung dreier Kulturen:
der griechischen, der phönizisch-karthagischen sowie der indigen-sikanischen.
Neben einem bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts freigelegten
dorischen Tempel wurden bis heute ein Teil der Wohnsiedlung und
insbesondere zwei Nekropolen – Begräbnisstätten – von
Himera ausgegraben. «Im Gegensatz dazu wurde die Stadt der
Lebenden bisher nur in kleineren Bereichen in der Unter- und Oberstadt
erforscht», hält Elena Mango, Professorin für die
Archäologie des Mittelmeerraumes und Projektleiterin, fest.

Untersuchung des «Piano del Tamburino» mittels geophysikalischer
Prospektion, um im Boden liegende Strukturen zu entdecken. Im Vordergrund
führt ein Forscher eine elektrische Flächenkartierung
durch, im Hintergrund findet eine geomagnetische Kartierung statt.
Bild: IAW Universität Bern, Archäologie des Mittelmeerraumes.
Unterschiedliche Methoden angewandt
Das neue Himera-Projekt der Universität Bern, das in Zusammenarbeit
mit der Direktion des Parks von Himera durchgeführt wird,
widmet sich einem Bereich der griechischen Kolonie, welcher in
der bisherigen archäologischen Forschung weitgehend unbeachtet
geblieben ist: dem Piano del Tamburino, einem etwa 120’000
Quadratmeter grossen und 90 Meter über der Unterstadt liegenden
Hochplateau.
Die Forschenden vermuten, dass das Hochplateau zur urbanistischen
Fläche der antiken Koloniestadt gehörte. «Wenn
sich die Vermutung bestätigen sollte, ist dies nicht nur für
das Verständnis der Stadt von essenzieller Bedeutung. Himera
würde damit auch zu einer der flächenmässig grössten
griechischen Kolonien Siziliens avancieren», erklärt
Elena Mango.
Untersucht wurde der Piano del Tamburino mittels unterschiedlicher
Methoden und Vorgehensweisen: von traditionellen Recherchearbeiten
in früheren Reiseberichten und Begehungen des Untersuchungsgebietes über
die Auswertung von Luft- und Satellitenbildern mittels Fernerkundung
sowie intensivem Oberflächensurvey bis zu grossflächigen
geophysikalischen Prospektionen und ersten Grabungen.
Grabungen bestätigen Urbanisierung
Die mittels interdisziplinären Methoden gewonnenen Forschungsergebnisse
ergaben klare Hinweise auf eine Urbanisierung des Hochplateaus. «Unsere
ersten Grabungen vor wenigen Wochen konnten dann auch die erste
archäologische Bestätigung erbringen und unterstreichen
zudem die grosse Wichtigkeit dieses Gebietes für die Kolonisationsforschung»,
freut sich Mango.
So brachten die Forschenden nebst Zerstörungsschutt von der
Schlacht im Jahre 409 v. Chr. sowie verschiedenen Keramik- und
Bronzefunden auch ein sorgfältig errichtetes Mauerfundament
zum Vorschein, das sich durch seine Stärke von fast einem
Meter und die qualitative Bauweise von den meisten bisher bekannten
Mauerfundamenten in Himera unterscheidet. «Das spricht gegen
eine einfache Mauer in einem Wohnquartier», erklärt
die Archäologin, «vielleicht gehörte sie zu einem öffentlichen
Bau oder einem Tempel. Klarheit wird uns aber erst die Fortsetzung
der Ausgrabungen bringen.»
Die Erforschung von Himera bietet gemäss Mango für die
Universität Bern die Chance, die schweizerische archäologische
Forschung auf Sizilien in dem bisher von internationalen Institutionen
dominierten Feld der Kolonisationsforschung zu positionieren.
lic. phil. Nathalie Matter,
Abteilung Kommunikation, Universität Bern
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