11.7.13
Das neue Unesco-Welterbe „Pfahlbauten“ ist fragil – ein
internationales Projekt stellt Zukunftsperspektiven vor
Größtes wissenschaftliche Kooperationsprojekt
am Bodensee - Schiffswellen tragen erheblich zur Zerstörung
der Pfahlbausiedlungen bei
(rps)
Obwohl die stein- und bronzezeitlichen Pfahlbausiedlungen des Alpenvorlandes
von Natur aus höchst unauffällig sind – im günstigen
Fall liegen sie geschützt und unsichtbar von Seesedimenten
bedeckt oder im Moor verborgen – zählen sie seit 2011
zu den UNESCO-Welterbestätten. Der Grund hierfür sind
ihre weltweit einzigartigen Erhaltungsbedingungen. Jahrtausende
alte Holzwerkzeuge, Schuhe, Textilien, Nahrungsvorräte, ja
ganze Dorfanlagen blieben hier unter Luftabschluss konserviert.
Insgesamt sind 900 Pfahlbaufundstellen in der Schweiz, in Deutschland, Österreich,
Frankreich, Italien und Slowenien registriert, 111 davon wurden
als Welterbestätten ausgewählt. Mit Hilfe sorgfältiger
archäologischer Methoden und zahlreicher naturwissenschaftlicher
Spezialdisziplinen lassen sich vielfältige Informationen über
die Lebens- und Umweltbedingungen des 5. bis 1. Jahrtausends v.
Chr. gewinnen.

Jungsteinzeit-Häuser im Pfahlbaumuseum Unteruhldiungen
Doch das Welterbe ist äußerst fragil. Am Bodensee und
Zürichsee setzen ihm die zunehmende Nutzung und Bebauung der
Seeufer, Umweltveränderungen, Schiffsverkehr und vor allem
die damit einhergehende Erosion stark zu. Werden die archäologischen
Fundstätten abgeschwemmt, sind alle darin bewahrten, jahrtausende
alten Lebenszeugnisse und Informationen unwiederbringlich verloren.
Die Verantwortlichen sind daher schon seit langem mit der Frage
konfrontiert, wie die Pfahlbausiedlungen geschützt werden
können und wie solche Schutzmaßnahmen unter Wasser überhaupt
zu gestalten sind, um langfristig wirksam, ökologisch verträglich
und effizient zu sein. Um die Zerstörungsmechanismen näher
zu ergründen und Zukunftsperspektiven für die Unterwasserdenkmäler
zu entwickeln, wurde am Bodensee und Zürichsee ein fach- und
länderübergreifendes Projekt durchgeführt. Mit Hilfe
von Fördermitteln der Europäischen Union und Schweizer
Kantonen konnte es im Rahmen des Interreg IV-Programms „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“ von
2008 bis 2011 verwirklicht werden. Die Ergebnisse des interdisziplinären
Pilotprojektes sind jetzt in einer Fachpublikation zusammengefasst.
Das Buch wurde nun in der Universität Konstanz vorgestellt.
Zur Buchvorstellung sind Experten aus Wissenschaft, archäologischer
Denkmalpflege und Verantwortliche aus der Politik an der Universität
Konstanz zusammengekommen. Die Prorektorin der Universität
Silvia Mergenthal begrüßte die Teilnehmer und wies
auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Kanton Thurgau und
den
anderen Projektpartnern hin. Wie Claus Wolf, Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege
Baden-Württembergs betonte, sind mit dem UNESCO-Welterbetitel
konkrete Anforderungen zum Schutz der Fundstätten verbunden.
Die beteiligten Vertragsstaaten rund um die Alpen haben sich mit
der Ratifizierung der Welterbekonvention verpflichtet, für
den Erhalt der Welterbestätten für nachfolgende Generationen
zu sorgen. Mit dem Interreg IV-Projekt konnten eine Reihe von Problemen
angegangen werden. Helmut Schlichtherle, führender Fachmann
für Feuchtbodenarchäologie in Baden-Württemberg
und Hansjörg Brem, Kantonsarchäologe im Thurgau zeigten,
welche Methoden des Erosionsschutzes und des Monitorings der Fundstätten
erprobt und weiter entwickelt wurden.
Gerd Schröder vom Institut
für Seenforschung in Langenargen und Karl-Otto Rothhaupt von
Limnologischen Institut der Universität Konstanz gaben einen Überblick über
limnologische und seenphysikalische Forschungen zu den Ursachen
der Erosion. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass Schiffswellen erheblich
zur Zerstörung der Pfahlbausiedlungen beitragen. Ihr Einfluss
könnte aber minimiert werden, etwa durch Geschwindigkeitsbeschränkungen
an sensiblen Bereichen oder durch Uferrenaturierungen, um die Angriffsfläche
zu reduzieren.
Mit Gerhard Grabher vom vorarlberg museum hat ein
Experte für lebendige Kulturvermittlung die Drucklegung der
Ergebnisse übernommen. Er übergab das frisch gedruckte
Kompendium der Öffentlichkeit. Für die Erfüllung
des Managementplanes zum neuen UNESCO-Welterbe „Pfahlbauten“ beinhaltet
es wichtige Grundlagen. Die Regierungsrätin des Thurgaus Monika
Knill und Joel Keller von der Netzwerkstelle Ostschweiz zeigten
sich mit dem Engagement und den Ergebnissen des bis heute größten
wissenschaftlichen Kooperationsprojekts am Bodensee und Zürichsee
zufrieden. |