19.9.14
Stuttgart: Archäologische Untersuchungen im Mittleren Schlossgarten
Experten des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium
Stuttgart legen gemauerte Ofengruppe weiter frei und dokumentieren
den Befund.
Drohnen für Luftbildaufnahmen und 3D-Scanner im Einsatz.
Deutsche Bahn gewährt Zeit für die Untersuchungen und
unterstützt bei der Bergung der Funde (rps)
Experten des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium
Stuttgart hatten Mitte August im Baufeld 16 der Baumaßnahme
für den neuen Stuttgarter Tiefbahnhof eine gemauerte Ofengruppe
gefunden. Wann immer es das Wetter zulässt, legen die Archäologen
den Befund weiter frei. Alle Erkenntnisse werden für die
Wissenschaft dokumentiert. Im Einsatz sind dabei auch Drohnen
für Luftbildaufnahmen und 3D-Scanner. So ist eine zügige
und millimetergenaue Vermessung der Strukturen auf der Grabungsfläche
möglich.

Dr. Christoph Steffen, Fachmann für digitale Dokumentation,
bereitet die Drohne für die hochauflösenden Luftbildaufnahmen
vor. Bild © Landesamt f. Denkmalpflege
Derzeit sind ist auf einer Fläche von rund 1.200 Quadratmetern
der Randbereich eines römischen Gutshofes aus dem 2. und
3. Jahrhundert nach Christus freigelegt. Zwei gefundene Ziegelbrennöfen
und ein Töpferofen deuten darauf hin, dass die Bewohner
nicht allein Landwirtschaft betrieben haben, sondern auch die
damals nahe gelegene Siedlung in Bad Cannstatt mit Baumaterial
und Keramik versorgten. Als Rohmaterial nutzte man den stark
tonhaltigen Lehm aus der Aue des Nesenbachs.
Innerhalb der römischen Baureste fanden die Archäologen
auch Spuren einer frühalamannischen Siedlung aus der Zeit
um 300 nach Christus. Die Fundstelle gehört damit zu den
frühesten germanischen Siedlungsspuren aus dem Land.
Zahlreiche Kleinfunde wie Münzen, Schmuckgegenstände
und Keramik und die Grundrisse wenigstens zweier Holzgebäude
belegen, dass die Niederung des Nesenbachtals als Wohnplatz weiterhin
attraktiv blieb. Die Untersuchungen der Archäologen aus
dem Regierungspräsidium Stuttgart werden sich in den kommenden
Tagen darauf konzentrieren, die Geschichte dieser kleinen Alamannischen
Ansiedlung zu erforschen. Vor allem die alamannischen Funde sind
aufgrund ihrer Seltenheit von überregionaler Bedeutung.
Auch für die Stadtgeschichte Stuttgarts ergeben sich neue
Anhaltspunkte in Bezug auf die Zeit vor der Stadtgründung.

Grabungsleiter Dr. Martin Thoma (links) und Dr. Andreas Thiel,
Gebietskonservator und Fachwissenschaftler für Provinzialrömische
Archäologie, knien vor einem runden Töpferofen. Bild:
© Landesamt für Denkmalpflege
In Abstimmungsgesprächen werden sich die Deutsche Bahn,
die Landeshauptstadt Stuttgart als Untere Denkmalschutzbehörde
und das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium
Stuttgart über das weitere Vorgehen verständigen.
Bereits bestätigt hat die Deutsche Bahn, dass sie den Experten
des Landesamts für Denkmalpflege die Zeit für die Untersuchungen
gibt, die voraussichtlich noch zwei bis drei Wochen, das heißt
bei günstiger Witterung bis zum 3. Oktober, maximal aber
bis zum 10. Oktober 2014 andauern werden. Außerdem hat
der Konzern Unterstüt-zung bei der Bergung der Funde signalisiert.
Die archäologischen Untersuchungen an dem Anfang August
im Baufeld 18 entdeckten Kanal aus Schilfsandsteinplatten ruhen
momentan. Sie sollen jedoch baldmöglichst, noch bevor die
Baumaßnahmen in diesem Bereich beginnen, fortgesetzt werden.
Nach momentaner Einschätzung der Experten des Landesamtes
für Denkmalpflege handelt es sich bei den gefundenen Schulsandsteinplatten
um Überreste eines Kanals aus dem 17. Jahrhundert. Kartenzeichnungen
des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts zeigen den
Nesenbachlauf unterhalb des ehemaligen Küchengartens begradigt
und vermutlich neu gefasst. Möglicherweise erhielt der Kanal
damit auch eine gestalterische Funktion als Begleitgewässer
zu der Anfang des 17. Jahrhunderts angelegten, von Alleen begleiteten „Mail“-Bahn.
Diese Bahn war das Spielfeld für ein im 17. Jahrhundert
beliebtes Kugelschlägerspiel, das ein Vorläufer des
heutigen Krocket oder Golf war. |