23.2.15
Das Fastentuch-Fragment des Thomas von Villach
Aus der Mittelaltersammlung des Belvedere (ögb)
Eine kostbare Textilie aus Privatbesitz bereichert seit 2009 die
Mittelaltersammlung des Belvedere. Die sehr qualitätsvolle
und bislang unbekannte Tüchelmalerei auf Leinwand lässt
sich eindeutig einem spätgotischen Fastentuch zuordnen. Unter
dem Titel AKTUELL RESTAURIERT. Das Fastentuch-Fragment des
Thomas von Villach ist von 6. März bis zum 25. Mai 2015 im Schaudepot
des Schatzhauses Mittelalter im Prunkstall des Unteren Belvedere
für Besucher zugänglich. Dargestellt sind Szenen aus
dem Alten Testament: die Mannalese, das Quellwunder Mose, die Eherne
Schlange, der Tanz um das Goldene Kalb und die Gesetzesübergabe
an Moses. Der Gebrauch von Fastentüchern ist seit über
tausend Jahren dokumentiert. Sie verhüllten während der
40-tägigen Fastenzeit vor Ostern vielerorts Chorräume,
Altäre, Kreuze oder auch Kultbilder. Bemalte Exemplare sind
allerdings erst ab dem frühen 15. Jahrhundert in Mitteleuropa
und hier vor allem im Alpenraum erhalten. Das um 1470/80 datierbare
Fragment reiht sich in diese regionale Überlieferung.

Thomas von Villach, Fastentuch-Fragment, um 1470/80.
Malerei auf Leinwand,
108 x 171 cm.
Belvedere, Wien, © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg, 2013;
(Foto: Christoph von Viràg)
Die sensationelle Entdeckung gelang im Jahre 2008 im Zuge der
Auflösung der Kunstsammlung im Frey-Schlössl auf dem
Mönchsberg in Salzburg. Der Kaufmann, Amateurfotograf und
Sammler Carl von Frey (18261896) hatte sein Sommerdomizil im
neugotisch-historistischen Stil mit mittelalterlichen Kunstwerken
und Möbeln eingerichtet.
Da die Frey-Sammlung in der Österreichischen Kunsttopografie
von 1919 nur unvollständig verzeichnet ist, wurde das Fastentuch-Fragment
erst so spät gefunden. Es muss von einem bilderreichen Fastentuch
stammen, das wahrscheinlich die Heilsgeschichte von der Schöpfung
bis zum Weltgericht schilderte. Solche Bilderzyklen mit einer
vergleichbaren Folge von Mosesszenen überliefern die wenigen
komplett erhaltenen gotischen Fastentücher in Gurk, Zittau
in Sachsen, St. Lambrecht in der Steiermark und Haimburg in Kärnten.
Das älteste
und größte ist das Gurker Fastentuch von 1458, das
99 Bildfelder auf einer Gesamtfläche von ca. 890 x 890 cm
umfasst. Noch heute ist die eindrucksvolle Wirkung des riesigen
Tuches im Gurker Dom als "Sichtschranke" gegen den Hochaltar
von Aschermittwoch bis Karfreitag zu erleben. Möglicherweise
handelt es sich bei dem Fragment der Sammlung Frey um den Rest
eines ähnlich
dimensionierten Fastentuches aus einer großen Kärntner
Kirche wo es einst hing, ist leider nicht mehr feststellbar.
Geschaffen wurde es zweifellos von Thomas "Artula" von Villach,
dem bedeutendsten Kärtner Maler seiner Zeit. ZU dessen umfangreichem
OEuvre zählen
etwa die Wandmalereien in Gerlamoos, Thörl, St. Paul im
Lavanttal und im Grazer Dom sowie Tafelbilder, die sich heute
vorwiegend
in musealem Besitz in Villach, Klagenfurt und Bozen befinden.
Das Fastentuch-Fragment ist die erste und einzige bekannte textile
Arbeit des Thomas von Villach.

Thomas von Villach, Fastentuch-Fragment, um 1470/80.
Detail: Anbetung des goldenen Kalbs.
Malerei auf Leinwand,
108 x 171 cm.
Belvedere, Wien, © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg, 2013;
(Foto: Christoph von Viràg)
Das sehr schadhafte und verblasste Tuch war zum Zeitpunkt des
Ankaufs von Sporen des Hausschwamms verseucht, sodass sofort gehandelt
werden musste: Die Abegg-Stiftung in Riggisberg bei Bern, eine
weltweit führende Institution für historische Textilien, übernahm
das akut gefährdete Objekt zur Untersuchung und Restaurierung.
Das nun glücklicherweise vor dem Verfall gerettete Werk wird
zur kommenden Fastenzeit in der Ausstellungsreihe Aktuell restauriert
der Mittelaltersammlung präsentiert. Dazu erscheint eine wissenschaftliche
Begleitpublikation in Kooperation mit der Abegg-Stiftung, der wir
herzlich für die Unterstützung und das große Engagement
der am Projekt beteiligten Restauratorinnen danken.
AKTUELL RESTAURIERT
Das Fastentuch-Fragment des Thomas von Villach
6. März bis 25. Mai 2015
Schaudepot Schatzhaus Mittelalter im Prunkstall (Unteres Belvedere)
Ö
ffnungszeiten:
Täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 21 Uhr |