22.4.15
Ländliche Gasthöfe in Oberschwaben
Experten des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium
Stuttgart arbeiten an neuem Forschungsprojekt zur Vertiefung des
Denkmalwissens
(rps) Gasthöfe sind gerade in den Dörfern markante Bauwerke,
die das Ortsbild prägen. Der Gasthof bildete den Mittelpunkt
des gesellschaftlichen Lebens und diente oft auch als Umschlagplatz
von Informationen. Regierungspräsident Johannes Schmalzl erklärt: „Heute
sind viele Gasthöfe im ländlichen Raum von Leerstand,
Abriss oder Umnutzung betroffen. Die im Regierungspräsidium
Stuttgart angesiedelte Landesdenkmalpflege bringt sich daher mit
einem neuen Forschungsprojekt aktiv in die Rettung der kulturhistorisch
bedeutenden und identitätsstiftenden Gasthöfe ein.“

Ingoldingen (Kreis Biberach), Gasthaus Kreuz. Foto: Kraume-Probst,
Landesamt f. Denkmalpflege
Im Dezember 2014 startete das Projekt „Ländliche Gasthöfe
in Oberschwaben“. Kunsthistorikerin Dr. Imke Ritzmann und
ihre Mitarbeiterin Sabine Schmid werden sich in den kommenden drei
Jahren eingehend mit Architektur und historischer Ausstattung ländlicher
Gasthöfe befassen. Das Forschungsprojekt zielt darauf, die
einzelnen Gasthöfe im Hinblick auf ihre kunsthistorische,
historische und kulturhistorische Bedeutung hin zu charakterisieren
und zu bewerten. Nur durch den systematischen Überblick und
die Differenzierung von Gasthaustypen in ihrer Zeit kann die Bedeutung
des einzelnen Gasthofes herausgearbeitet werden. Die Dokumentationen
stehen als Grundlage für Nutzungskonzepte und für die
denkmalgerechte Weiterentwicklung der Objekte zur Verfügung. „Gerade
bei Umnutzungen von Gasthöfen, die auf dem Land immer häufiger
von Schließungen betroffen sind, kommen die Erhaltungsforderungen
der Denkmalpflege häufig zu einem viel zu späten Zeitpunkt“,
so die Projektleiterin, Landeskonservatorin Dr. Ulrike Plate. „Das
Projekt soll Aufmerksamkeit und Wertschätzung auf die Gasthöfe
lenken und Eigentümern, Verwaltung und Öffentlichkeit
Unterstützung bieten in der denkmalgerechten Weiterentwicklung
dieser wichtigen, identitätsstiftenden Orte.“

Gasthaus Zum Ochsen in Amtzell-Pfärrich (Kreis Ravensburg),
Foto: Spengler, Landesamt für Denkmalpflege
Hintergrund: Der ländliche Gasthof: Mittelpunkt und Blickfang
des Ortes
Markant im Dorfgefüge, fällt dem Reisenden nach den
herrschaftlichen und kirchlichen Bauten das Gebäude des Gasthofs
ins Auge. Gerade in den Dörfern diente der Gasthof bis ins
20. Jh. hinein quasi als Antenne zur Außenwelt. Für
Bürger und Bauern bildete er den Mittelpunkt des gesellschaftlichen
Lebens, wo Feste gefeiert und Versammlungen abgehalten wurden.
Seiner Bedeutung im dörflichen Leben entsprach die architektonische
Gestaltung des Gasthofs: Die Straßenfassade war häufig
repräsentativ gestaltet und mit einem Wirtshausschild an einem
schmiedeeisernen Ausleger geschmückt. Saal und Gasträume
wurden vielfach mit einer aufwendigen Ausstattung versehen. Nicht
zu vernachlässigen sind außerdem die zum Gasthof gehörenden
Nebengebäude, wie zum Beispiel der Gaststall oder eine überdachte
Kegelbahn.
Gasthöfe befanden sich unbedingt an frequentierten Reiserouten.
Anhand ihrer Lage kann die Entwicklung des Verkehrsnetzes in Oberschwaben
nachvollzogen werden: zunächst die Verbesserung der Postrouten,
dann der Ausbau der Eisenbahnstrecken. |