12.6.15
Kloster Wiblingen
Musikalische Fragmente. Mittelalterliche
Liturgie als Einbandmakulatur
(ssg) Erstaunliche Geschichten: Die Blätter mittelalterlicher
Handschriften überlebten bis heute, weil sie in späterer
Zeit benutzt wurden, um damit Bücher einzubinden. Die Staatlichen
Schlösser und Gärten Baden-Württemberg zeigen diese
Raritäten jetzt in Kloster Wiblingen. Die Ausstellung ist
vom 13. Juni bis zum 27. September zu sehen.
Raritäten aus mittelalterlichen Klöstern
neu entdeckt
Die Ausstellung „Musikalische Fragmente“ war bereits
in den Klöstern Salem, Bebenhausen, Maulbronn und Alpirsbach
zu sehen, jetzt sind die mittelalterlichen Handschriften im
Kloster Wiblingen zu Gast. Die Präsentation, die das Hauptstaatsarchiv
des Landesarchivs Baden-Württemberg erarbeitet hat, zeigt
nicht nur liturgische Handschriften und Einbände aus älteren
Pergamentblättern, sondern auch die Schritte der Erforschung
und Restaurierung dieser fragilen Stücke.

Als hinteres Vorsatzblatt benutztes und dadurch überliefertes
Blatt aus einer mittelalterlichen Handschrift. Bild: ssg
Wunder der Erhaltung
Als Herzog Ulrich von Württemberg nach 1534 die Reformation
in seinem Land eingeführt hatte, löste er die Klöster
auf. Damit hatten die alten Handschriften, die im Gottesdienst
eingesetzt worden waren, ihren Nutzen verloren: Keiner brauchte
mehr die Gebete und Gesänge, die in den Messen der Mönche
erklungen waren. Und so wurden die alten Bücher ohne Verwendungszweck
zum Material für neue Bücher: Der wertvolle Beschreibstoff,
das Pergament, konnte wiederverwendet werden. Die liturgischen
Handschriften wurden in ihre Einzelblätter zerlegt und
beschnitten, um sie als günstiges Einbandmaterial wieder
zu gebrauchen.
Wiblinger Fragmente
Auch Handschriften aus dem Benediktinerkloster Wiblingen ereilte
das Schicksal, als Einbände „modernerer“ Bücher,
vor allem für Amtsbücher wie Urbare und Rechnungsbücher,
wiederverwendet zu werden. Bemerkenswert ist es, dass Wiblinger
Mönche in den Jahrzehnten um 1500 mehrere Choralhandschriften
aus der Frühzeit des Klosters, das 1093 gegründet
worden war, zerstört und vielfach als Spiegel oder Vorsatzblätter
für Handschriften genutzt haben.
Klingende Handschriften
Die Ausstellung zeigt eine dieser seltenen Wiblinger Handschriften,
ein Einzelblatt aus einem Missale des 12. Jahrhunderts mit
den Messen der drei nachweihnachtlichen Festtage: für
Stephanus, für den Evangelisten Johannes und für
die Unschuldigen Kindlein. Die Melodien sind in feinen St.
Galler Neumen aufgezeichnet. Für die Musikgeschichte
besitzen die erhaltenen Fragmente eine besondere Bedeutung.
Denn die liturgischen Handschriften enthalten geistliche
Musik des Mittelalters – wie sie einst von den Mönchen
in Wiblingen in den Gottesdiensten gesungen worden war. Als
besonderen Höhepunkt der Ausstellung bringen Einspielungen
der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende
Kunst Stuttgart die Welt klösterlicher Musik wieder
zum Klingen.
Musikalische Fragmente
Ausstellung
Kloster Wiblingen
Schlossstraße 38
89079 Ulm
Samstag, 13. Juni bis Sonntag, 27. September 2015
Di – So und Feiertage 10.00 – 17.00 Uhr
EINTRITT
Erwachsene 4,50 €
Ermäßigte 2,30 €
Familien 11,30 €
Gruppen (ab 20 Personen) pro Person 4,00 € |