6.2.17
Alte Kostbarkeiten kehren zurück: Die berühmte
Tapisserien-Sammlung im Schloss Bruchsal
(ssg) Ein wichtiger Schritt in der Wiedergewinnung der Prunkräume
der Beletage des Bruchsaler Schlosses ist jetzt getan: In den ehemals
fürstbischöflichen Räumen auf der Südseite
des Schlosses hängen nun alle Tapisserien. Michael Hörrmann,
der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und
Gärten Baden-Württemberg, und die Konservatorin Dr. Petra
Pechacek konnten zufrieden bekannt geben: „Wir sind mit allen
Arbeiten im Zeitplan.“ Und der ist knapp, denn Ende April
wird die Eröffnung der Beletage stattfinden.
Wichtiger Schritt der Schlosseinrichtung
Auf der südlichen Seite des Schlosses hängen nun sämtliche
Tapisserien: Die letzten der kostbaren großen Wandteppiche
wurden diese Woche von den Textilrestauratorinnen montiert. Die
Räume der Beletage, einst Wohnung der Fürstbischöfe
von Speyer, lassen damit nun schon wieder ahnen, wie sie ab Mai
zu sehen sein werden. Michael Hörrmann, der Geschäftsführer
der Staatlichen Schlösser und Gärten, nannte denn auch
den Moment der Hängung „den entscheidenden Schritt auf
dem Weg zum Glanz der fürstbischöflichen Zeit“.
Als nächstes werden die Wandteppiche der nördlichen Räume
gehängt. Die Hängung ist die Voraussetzung für alle
weiteren Arbeiten: Erst wenn die großflächigen Textilien
angebracht sind, können die historischen Öfen und Möbel
eingebracht und die Gemälde aufgehängt werden.

Tapisserie "Leda mit dem Schwan". Flandern, Mitte
17. Jh. Wirkerei in Wolle, und Seide auf Wollkette
Der einzigartige Bestand im Bruchsaler Schloss
Die Tapisserien im Bruchsaler Schloss bilden mit 70 Stücken,
von denen künftig 38 in der Beletage präsentiert werden,
eine der bedeutendsten Sammlungen Europas. Ein Grund dafür:
Die Speyerer Fürstbischöfe des 18. Jahrhunderts, die
Herren des Bruchsaler Schlosses, waren durchweg ambitionierte Kunstsammler
und Auftraggeber. Wenn es darum ging, den höchsten Glanz in
ihr Schloss zu holen, scheuten sie keine Mittel. Tapisserien als
extrem hochkarätiges Sammel- und Ausstattungsgut gehörten
daher zum Kernbestand ihrer Schlosseinrichtungen. Zu sehen waren
die Bruchsaler Tapisserien in der jüngeren Vergangenheit nur
in einer modernen musealen Präsentation – und nicht
als Ausstattungsgegenstand im Schlosskontext.
Liebschaften Jupiters im Schloss
Aktuell haben die Restauratorinnen zwei grandiose Tapisserienfolgen
gehängt: Eine Serie, betitelt „Jupiter transformatus“ ist
zu sehen im „Blauen Zimmer“. Sie zeigen die Verwandlungen
des antiken Gottes Jupiter. Er nimmt in den Erzählungen
verschiedene Gestalten an, um schöne Frauen zu verführen.
Berühmt ist die Geschichte von Europa, der Jupiter in Gestalt
eines Stiers begegnet; ebenso bekannt ist die der Leda, der er
sich als Schwan nähert. Die Tapisserien mit den beliebten
Motiven entstanden nach 1650 vermutlich in Flandern, die Werkstatt
ist nicht bekannt. „Das Thema ist zwar sehr weltlich für
die Wohnung eines geistlichen Herrschers, wir wissen aber, dass
die Tapisserien schon zu Zeiten der Fürstbischöfe in
Bruchsal hingen“, erläutert Dr. Petra Pechacek. „Zudem
waren Darstellungen nach den Metamorphosen Ovids an Höfen
sehr beliebt. Auch in den Residenzen der Markgrafen von Baden-Durlach
und Baden-Baden, in Karlsruhe und Rastatt, und am kurpfälzischen
Hof in Mannheim ist das Thema belegt.“

Jupiter täuscht in der Gestalt eines Schäfers die Nymphe Mnemosyne.
Aus der Verbidnung entstammen die neun Musen. Flandern, Mitte 17.
Jh. Wirkerei in Wolle, und Seide auf Wollkette
Vestontapeten als persönliche Favoriten
Die andere Folge von Wandteppichen, zu sehen im „Garderobenzimmer“,
stammt aus dem Besitz des Kardinals Damian Hugo von Schönborn,
sie zeigen sogenannte „Festons“, Blumen- und Früchtegirlanden.
Der Kardinal liebte diese „Vestontapete“, wie er selbst
schreibt, so sehr, dass er sie sogar auf eine Reise nach Rom mitnahm,
zum Konklave anlässlich der Papstwahl 1721.
Sicherung der Kostbarkeiten läft seit 2007
Seit 2007, seit zehn Jahren, laufen die komplexen Restaurierungsmaßnahmen.
Koordiniert werden sie von der erfahrenen Textilrestauratorin Diane
Lanz, die dafür ein ganzes Expertenteam zusammengestellt hat.
Spektakulär war die Reinigung der bis zu 20 qm großen
Stücke: Dafür wurden alle alten und modernen Nähte
aufgetrennt und instabile Gewebebereiche gesichert. Europaweit
bieten nur zwei Werkstätten die professionelle Reinigung der
großen Teppiche an; die Bruchsaler Tapisserien wurden in
Mechelen in Flandern bei der Königlichen Tapisseriemanufaktur
De Wit bearbeitet. Die dortigen Spezialisten haben ein schonendes
Verfahren entwickelt. Mit Niederdruck und knapp 30 Grad lauem Wasserdampf
werden die empfindlichen Fasern gesäubert.
Aufhängung mit möglichst geringer Belastung
Tapisserien brauchen ein durchdachtes System der Aufhängung,
damit sich die schweren Textilien nicht verziehen und Schaden leiden.
Sie werden daher auf speziellen Wandplatten montiert, die mit rauem
Vlies bezogen sind, das dem sensiblen Gewebe Halt bietet. Am oberen
Rand haftet der Bildteppich durch ein am Futter aufgenähtes
Klettband – und so kann sich das Gewicht optimal verteilen.
Das Klettband wird dann wiederum durch Streifen von Seidengewebe
der Wandbespannung verdeckt. Der Aufwand für die kostbaren
Stücke ist beträchtlich: Unabhängig von der eigentlichen
Restaurierung der Textilien arbeiten zwei Restauratorinnen drei
bis vier Tage nur an der Hängung einer einzelnen Tapisserie.
Die eigentliche Hängung der Wandteppiche geht dann aber erstaunlich
schnell: Etwa zwei Stunden brauchen vier bis sechs Restauratorinnen,
um einen Wirkteppich zu hängen – die Zahl hängt
ab von der Größe der Tapisserien.
Foto: ssg Schloss Bruchsal auf dem Weg zur Eröffnung
Konservatorin Petra Pechacek und das Team der Restauratoren arbeiten
jetzt zügig auf die Vollendung der Schlossräume hin:
Im März werden die historischen Öfen in den Räumen
aufgebaut und Kronleuchter und Lichtschutz angebracht. Ab April
wird vollends eingerichtet mit den kostbaren Möbeln und
weiteren Kunstobjekten. Ziel ist das Eröffnungswochenende
vom 29. April bis zum 1. Mai. Mit jedem Schritt der Wiedereinrichtung
erhalten die Räume der Beletage jetzt wieder ein Stück
ihres Schlosscharakters und ihrer Geschichte zurück. Geschäftsführer
Michael Hörrmann umreißt die Bedeutung des Projektes: „Schloss
Bruchsal wird wieder zu dem werden, was es einmal war: ein Ort,
an dem die Künste des 18. Jahrhunderts in ihren Spitzenleistungen
zu bewundern sind.“ Das Außergewöhnliche in
Bruchsal: Hier werden nicht schöne Stücke einer musealen
Sammlung präsentiert werden. Vielmehr zeigen die Staatlichen
Schlösser und Gärten die Möbel und Kostbarkeiten
des fürstbischöflichen Hofes, die vor der Zerstörung
des Krieges gerettet wurden, nun wieder im zeremoniellen Kontext.
Bilder aus Seide geknüpft und gewoben
Tapisserien sind kunstvolle Teppiche, die seit dem Mittelalter
zur Einrichtung vornehmer Haushalte gehörten. Ihre Blütezeit
hatten sie in der Renaissance und im Barock, als die Bildteppiche
zur prachtvollen Ausstattung in Schlössern und Kirchen gehörten.
Die Wirkarbeiten waren auch schon zur Entstehungszeit ungeheuer
kostbar und galten als absolute Prestige-Objekte der fürstlichen
Sammler. Ihre Motive stammen aus der antiken Mythologie, aus
der Bibel oder sind zeitgenössische Darstellungen. Entworfen
wurden sie oft von den größten Künstlern der
Zeit – berühmt sind etwa die großen Vorzeichnungen,
die Raffael für eine Tapisserienserie schuf. Hochspezialisierte
Werkstätten in Nordfrankreich und Flandern schufen die Teppiche.
Mit ihrer kunsthandwerklichen Meisterschaft waren sie ein Gewerbe,
das enorm zum Renommee ihrer Länder beitrug – vergleichbar
den führenden Betrieben in der heutigen High-Tech-Industrie.
Der Glanz der Fürstbischöfe
Die wiedergewonnene Beletage in Schlosses Bruchsal
Eröffnungswochenende
Samstag 29. April: regulärer Eintritt 8,- Euro
Sonntag, 30. April: Familientag, mit freiem Eintritt. In den Räumen
begrüßen Damen und Herren im historischen Kostüm.
Musik und Kinderaktionen. Festlicher Rahmen im Ehrenhof.
Montag 1. Mai: regulärer Eintritt 8,- Euro |