4.9.25

Denkmalpflege

Blick über den Tellerrand: Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich

Ein Paradies auf Erden mit Erziehungsanspruch

(dsd) Es gibt sie im Kleinen wie im Großen. "Gartenparadiese" sind für ihre Besitzer ein Ort der Freude, Entspannung und der Erfüllung, eine ferne Erinnerung an das biblische Eden. Zu repräsentativen Bauwerken gehörten auch immer Parkanlagen, in denen sich die Sichtweise vom Umgang mit Mensch und Natur spiegelte. Barocke Anlagen aus der Zeit des Absolutismus zwingen dem Menschen den herrscherlichen Willen auf, die englischen Gartendenkmale des späten 18. und des 19. Jahrhunderts wollen Harmonie, Emotion und die uneingeschränkte Empfindungswelt in der Gestaltung wachsen lassen. Der menschliche Gestaltungswille wird unmerklich.

Gotisches Haus im Park. Dem Kanal zugewandte Front, einer venezianischen gotischen Kirche nachempfunden. Die Rückseite (mittleres Bild) amt die englische Tudorgotik nach.Gotisches Haus im Park. Dem Kanal zugewandte Front, einer venezianischen gotischen Kirche nachempfunden. Die Rückseite (mittleres Bild) amt die englische Tudorgotik nach.Weiße Brücke, ein Nachbau der Brücke in Kews Garden, auch Chinesische oder Stiufenbrücke genannt. Eine so konstruierte Brücke galt im alten China als Symbol des Lebens.Gotisches Haus im Park. Dem Kanal zugewandte Front, einer venezianischen gotischen Kirche nachempfunden. Die Rückseite (mittleres Bild) amt die englische Tudorgotik nach.

Unten: Weiße Brücke, ein Nachbau der Brücke in Kews Garden, auch Chinesische oder Stiufenbrücke genannt. Eine so konstruierte Brücke galt im alten China als Symbol des Lebens.

Fotos: kulturer.be.

Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich wurde als ausgedehnter Landschaftspark mit Schloss, zahlreichen Gebäuden, Wasserläufen und Seen zwischen 1764 und 1800 unter der Regierung des aufgeklärten Fürsten Franz von Anhalt-Dessau angelegt. Die noch heute in großen Teilen erhaltene einzigartig "gestaltete Naturlandschaft" wurde in die reiche Auenlandschaft der mittleren Elbe und unteren Mulde eingepasst. Gemäß seinem von Horaz übernommenen Grundsatz, das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden (dulce utili) verband Fürst Franz seine Begeisterung für den englischen Landschaftsgarten mit den aufklärerischen Ideen der Volkserziehung und Agrarreformen. Für die bedeutendsten Gelehrten der Zeit – etwa Johann Wolfgang von Goethe, Alexander von Humboldt, Jean-Jacques Rousseau und Johann Joachim Winckelmann – zählte der Wörlitzer Park zu den bedeutendsten Anlagen Europas. Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich zählt heute zum Welterbe der UNESCO.

Die Anlagen wurden in unterschiedlichen Stilen künstlerisch gestaltet, aber selbst Böschungen und Wälle für landwirtschaftlichen Anbau und Obstplantagen genutzt, dennoch schien das Land nirgends für die Parkgestaltung „ausgenutzt“ worden zu sein. Die effiziente dessauische Landwirtschaft, revolutioniert mittels der aus England importierten Neuerungen – wie Kleeanbau, Horden- und Stallfütterung und Abschaffung der Brache – begeisterte die Aufklärer.

Die scheinbar unberührte Natur ist jedoch aus gestalteten Gartenbildern kreiert, deren Elemente nicht nur aus der Bepflanzung, den Flussläufen und Wegen, sondern auch aus Schlössern, Kulissenarchitekturen und Monumenten bestehen. Die Sichtachsen reichen weit über das eigentliche Parkgelände hinaus und banden fast das gesamte Fürstentum zu einem Gartenreich zusammen. Zentrale Anlage des Gartenreichs, zu dem die Anlagen Wörlitz, Oranienbaum, Luisium, Mosigkau, Georgium und Grosskühnau zählen, ist das zwischen 1769 und 1773 von dem Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorf für den Fürsten Franz im klassizistischen Stil erbaute englische Landhaus.

Das Graue Haus, das Gotische Haus, Floratempel, Nymphaeum, Venustempel, eine Vielzahl von Brücken und Stegen und viele weitere Architekturen ergänzen den Park. Als künstliches Felsenbauwerk wurde von 1794 bis 1798 die Luisenklippe als Aussichtspunkt errichtet, in der Hauptachse des Schlosses liegt das durch eine antike Granitsäule auf einem klassizistischen Postament bestehende sogenannte Monument von 1801/1805. Auf einer leichten Anhöhe am östlichen Abschluss der Anlage liegt das Piemonteser Bauernhaus. Es entstand um 1793 in den Neuen Anlagen des Wörlitzer Parks. Die Umgebung des Hauses war mit Pappeln in Anlehnung an die durch Zypressenalleen gegliederte, vorwiegend agrarisch genutzte Landschaft des Piemont gartenkünstlerisch gestaltet. Den südöstlichen Eckpunkt der Wörlitzer Anlagen markiert der sogenannte Stein. Es handelt sich um eine zwischen 1788 und 1794 angelegte, von Felsenklippen umgebene künstliche Insel. Sie ergänzt eine mächtige Findlingsgrotte, eine Nachbildung des Vesuv, ein Amphitheater sowie eine Bogenmauer mit Pergola. Auf dem südlichen Plateau befindet sich der Miniatur-Nachbau der Villa Emma von Sir Wiliam Hamilton bei Neapel.

Keine andere Denkmalgattung verdeutlich so sehr wie die sogenannten Gründenkmale die Wichtigkeit und Unerlässlichkeit einer kontinuierlichen Pflege. Wie vernachlässigte Bauten verwildern auch die Beete, Wege, Baumpflanzungen und Sichtachsen – nur schneller und erkennbarer. Zuletzt stellte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) daher dank der treuhänderischen Gemeinschaftsstiftung Historische Gärten in der DSD sowie einer großzügigen Einzelspende für die restauratorische und naturwissenschaftliche Untersuchung ausgewählter Skulpturen im Dessau-Wörlitzer Gartenreich Mittel bereit. Konkret ging es um einen Versuchsaufbau aus beschichteten Laborprüfkörpern und Probeplatten, deren Aufstellung im Gartenreich den Einfluss der Witterungsbedingungen auf die Objekte erforschen. Eine Kennwertermittlung zur vergleichenden Untersuchung verschiedener Anstrichsysteme als weiße Fassung der Skulpturen wurde ebenfalls durchgeführt.

Seit ihrer Gründung vor 40 Jahren förderte die private Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) über 420 Maßnahmen an „Gartendenkmalen“, davon über 270 an Parkanlagen. Die 1985 gegründete spendensammelnde Stiftung unterstützt engagierte private, kirchliche und kommunale Denkmaleigentümer beim Erhalt ihrer Bauwerke. Denkmalpflege als staatliche Aufgabe wird wie dank dieser bürgerschaftlichen Unterstützung zu einem gesamtgesellschaftlichen Auftrag. Die DSD konnte bisher für den Erhalt von 7.400 Denkmalen unserer Baukulturlandschaft mehr als eine dreiviertel Milliarde Euro zur Verfügung stellen und damit ein deutliches Zeichen setzen.

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Icon obenPexels, Ksenia Chernaya   siehe auch:  
     

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