Piranesi. Vedute di Roma – Ansichten von Rom
3. August – 11. November 2007
Kupferstichkabinett Berlin

Piranesi:Cestius-Pyramide
Die Sommer-Ausstellung des Kupferstichkabinetts präsentiert
in Auswahl das Hauptwerk Giovanni Battista Piranesis: die
zwischen 1745/48 und 1778 geschaffenen Vedute di Roma. Gehalten
in der kühnen graphischen Manier des Meisters, stellt die
Serie von insgesamt 137 Radierungen die antiken und neueren
Sehenswürdigkeiten Roms vor. Die Ansichten sind in ihren
überraschenden Perspektiven und Bildformen eine Hommage
an die Ewige Stadt. Jedes Blatt zeichnet eine einzigartige
Verbindung zwischen topographischer Treue, effektvoller
Gestaltung, ausgeprägter Bildphantasie und künstlerischer
Virtuosität aus.
Die Ausstellung beginnt an der Wand links
des Eingangs mit einem Stadtplan, den Piranesi um 1774 schuf.
Es folgen topographisch vernetzte Bildachsen, die dem Besucher
anbieten, sich Rom gleichsam als Flaneur zu erschließen.
Wir betreten die Stadt - wie Reisende aus dem Norden seit
Jahrtausenden - über die Porta del Popolo, lassen uns in
die Schlagader Roms, den Corso, ziehen, steigen auf zum
Kapitol, erkunden dahinter das Forum Romanum und die legendären
Monumente des Altertums. Überraschende Anblicke gewährt
auch eine Flussfahrt vom Ripetta- Hafen, an der Engelsburg
und dem Petersplatz vorbei zur mittelalterlichen Tiber-Insel.
Mit Piranesi nehmen wir dann Solitärbauten der Antike wie
der Moderne, weitläufige und malerische Plätze sowie die
Papstbasiliken näher in Augenschein. Während die Kreuze
auf den Türmen über die Grenzen der Bilder hinausweisen,
sind im Liniengespinst der Radierungen viele Details des
römischen Alltags zu entdecken. In einer letzten Sequenz
wird der Blick über die Trümmermassen der Caracalla-Thermen
hinweg über die Stadtmauern gehoben. Dahinter führt der
Weg an der Cestius-Pyramide und der Kirche Sankt Paul vorbei
zu den Gräbern einflussreicher römischer Familien oder Baukonstruktionen
wie den kühn geschwungenen Ponte Salario. Am Ende der so
kurzweiligen wie lehrreichen Wanderung durch die steinerne
Kultur der Urbs erreichen wir die Villa Adriana sowie Tivoli
mit dem berühmten Wasserfall und der Villa d'Este mit ihrem
Park. Ausgesuchte Leihgaben greifen verschiedene Facetten
der Vedute auf. So lässt das Fragment eines stadtrömischen
Sarkophagfrieses mit Theatermasken nicht nur die archäologische
Aura aufscheinen, die den Künstler zeitlebens faszinierte.
Es vertritt auch die über Rom verstreuten originalen Vorbilder
für die Ausstattung seiner Radierungen. Ein weiteres Relikt,
die bronzene Niete vom Pantheon, mag als singuläre Merkwürdigkeit
sowohl den antiquarischen Hang zur skurrilen Anekdote als
auch die vielfältigen ingenieurtechnischen Interessen des
Künstlers andeuten. Ferner unterstreicht eines der berühmten
Korkmodelle von Antonio Chichi im Vergleich mit der entsprechenden
Radierung Piranesis die Funktion beider Werke als virtuose
Kunststücke und touristische Souvenirs wie auch als kennerschaftliche
Studienobjekte. Etliche Zeichnungen, die eng mit den Vedute
korrespondieren, ergänzen das Ensemble. Sie zeigen, dass
Piranesi zugleich ein bildmächtiger Rekonstrukteur des alten
Rom war wie ein Chronist und Designer seiner Gegenwart.
Schließlich versammelt ein Bild von Giovanni Paolo Panini
aus der Gemäldegalerie etliche der in den Ansichten von
Rom vorgestellten Denkmäler zu einem Pasticcio. Es demonstriert,
dass die Bildgattung der Ruinenansicht, wie sie Piranesi
zu Beginn seiner Karriere beeindruckte, noch von einer Auffassung
geprägt war, die antike Elemente wie Versatzstücke auf einer
landschaftlichen Bühne gruppierte. In der Sache weitgehend
korrekt, geht solchen Darstellungen sowohl der poetische,
morbid-nostalgische Charakter als auch der städtisch-soziale
Kontext ab. Das aber ist gerade der Resonanzraum, in dem
die malerisch aufgeladenen Bilderfindungen Piranesis auf
neue und ungewöhnliche Weise erklingen. Die Bilderserie
der "Vedute" ist über den gesamten Zeitraum von Piranesis
Karriere hinweg entstanden. Angereichert um Zeichnungen
sowie etliche Leihgaben aus der Antikensammlung, der Gemäldegalerie,
der Kunstbibliothek und der Stiftung Archiv der Akademie
der Künste, erwartet Sie ein Panorama der Geschichte, der
Baukunst und leidenschaftlicher Kunstausübung. Der Reigen
von Bildern, der Sie durch Rom führt, zeigt, dass die Schönheit
einer naturgetreuen Vedute, die in der klassischen Kunsttheorie
äußerst niedrig eingestuft wurde, unter den Händen Piranesis
zu einer effektvoll arrangierten Ansichtssache geworden
ist.
Katalog
Zur Ausstellung erscheint der Katalog:
Piranesi. Vedute di Roma - Ansichten von Rom aus dem Berliner
Kupferstichkabinett. Staatliche Museen zu Berlin und Deutscher
Kunstverlag, Berlin 2007
Autoren: Hein-Th. Schulze Altcappenberg und Ulf Sölter
Katalogkauf:
www.MuseumShop.de
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