Zwangsarbeit - Lebensumstände - Ahafia Ihnaht
Zwangsarbeiterin aus der Ukraine
lebt heute noch in Gersthofen

Ahafjia Ihnat , geboren am 25.5. 1924 in Zakipzi (ehem. Galizien) , Ukrainerin in Polen, muss sich im Juni 1942 in Lubatschow melden, sie wird zwangsverpflichtet nach Deutschland. Sie wird aufgefordert, in vier Wochen am Bahnhof mit einem kleinen Koffer zu erscheinen.

Deportation nach Deutschland

Die 17-jährige denkt nicht an Flucht. Also schreibt ihr der Onkel die wichtigsten Worte in kyrillischer Schrift und deutscher Bedeutung auf. Der Onkel war im 1. Weltkrieg nach Deutschland gekommen.
Im Güterwaggon sind auch einige Mädchen aus der Nachbarschaft. Pelagja Podechaj ist aus dem gleichen Ort, sie ist nur ein Jahr älter. Insgesamt sind sie acht Tage im Güterwaggon unterwegs, nur selten dürfen sie aus dem Waggon heraus und frische Luft schnappen. Häufig müssen sie ihre Notdurft im Güterwaggon verrichten. Aber was sollen sie tun, die Waggons werden von SS-Leuten bewacht, die bewaffnet sind. Was sollen da junge Mädchen in ihrem Alter, die keine Ahnung von Politik haben, schon tun?

Entlausung in Lemberg

Zuerst kommen sie für eine Nacht nach Lemberg an der polnischen Grenze zur Entlausung. Sie müssen sich nackt ausziehen und durch die Entlausungsstation. Es rieselt eine weisse Substanz von der Decke. Dann kommen sie in ein Lager, sie schlafen auf Pritschen. Die Verpflegung haben sie von zu Hause mitgenommen.
Von Lemberg fährt der Zug aber erst einmal zurück nach Jaroslau, dann nach Krakau, an der Heimat vorbei. Ein junger Mann aus ihrer Heimat rät ihnen, abzuspringen, er wagt es, aber seine schwangere Verlobte natürlich nicht, und Ahafjia auch nicht.

Ankunft in Augsburg

Am Augsburger Bahnhof werden sie abgeholt und erst einmal aufs Arbeitsamt gebracht. Dort holt sie der Sailer Georg aus Gersthofen ab, insgesamt 4 Mädchen kommen nach Gersthofen. Die jüngste, Ahafjia Ihnat kommt zum Wagner Toni. Der hat keine Kinder und ist zu den Zwangsarbeiterinnen fast wie ein Vater. Sie erhält eine eigene kleinen Kammer und lebt und speist und arbeitet auf dem Wagnerhof gemeinsam mit dem Ehepaar Wagner. Sie wohnt und arbeitet dort noch bis 1957.

Ist sie Polin oder Ukrainerin?

Auf dem Wagnerbauernhof ist bereits eine Ukrainerin, Katharina Senyicia, die aus der Nähe von Lemberg kommt. Von ihr lernt sie Deutsch und all das, was von ihr verlangt wird. Noch im Juli 1942 kommt der Polizist Schäffer von der Gemeinde Gersthofen vorbei und zwingt sie dazu, das "P"-Abzeichen zu tragen. Aber sie ist doch Ukrainerin, keine Polin. Sie schreibt nach Hause, weil sie darüber bestürzt ist.
Der ukrainische Pfarrer in Zakipzi schreibt ihr eine Bestätigung, der kann ein wenig Deutsch. Mit dem Brief geht sie zur Gemeinde Gersthofen und siehe da, nun muss sie das "P"-Zeichen nicht mehr tragen.

Ukrainische Freundinnen erleichtern Leben in der Fremde

Glücklicherweise arbeiten eine ganze Reihe von ukrainischen Mädchen auf Bauernhöfen in der Nachbarschaft. Da ist die Palychewa Balabach, die arbeitet beim Mayr Schorsch in der Bauernstraße, die Warwara arbeitet bei Kaiser, die Olga Drebotnik auch. Klar, dass man sich da am Abend trifft bei einer der Freundinnen. Ausgehen, nein, daran ist nicht zu denken. Aber der Bauer Wagner zahlt ihr RM 40. Das ist ein schöner Batzen, da kann man schon etwas sparen. Aber dennoch, das Heimweh ist groß.

Ilgo und Palcheya kehren mit ihrem Kind heim in die Ukraine

Da ist auch noch ein junger Ukrainer beim Wagner auf dem Bauernhof, der Ilgo Nagas. Eines Tages ist Palcheya schwanger, ein Mädchen wird geboren. Da schickt der Bauer Wagner beide nach Hause in die Heimat. Das kann er natürlich nur, weil es die DAF genehmigt. Kurz danach, im Herbst 1943 dürfen schwangere Zwangsarbeiterinnen nicht mehr in die Heimat, es gibt ein eigenes Entbindungslager in Augsburg, das anfangs sogar nach Gersthofen kommen sollte. Der Ilgo verspricht zwar, dass er wiederkommt, aber das ist nicht der Fall.

Ende des II. Weltkrieges

Als der Krieg zu Ende ist, werden die Zwangsarbeiter von der Internationalen Flüchtlingsorganisation in die Heimat zurückgebracht, sofern die dies wünschen. Es gibt ein Abkommen zwischen Russen und Amerikanern, das besagt, dass alle Russen zurückgeschickt werden müssen. Aber viele Russen haben Angst und fürchten sich vor einer Rückkehr.
Auch Ahafjia hat Angst. In der Nacht klingelt es an den Bauernhöfen in der Bauernstrasse. Russen kommen und fordern die Bauern auf, dass sie ihre Ukrainerinnen zurück in die Heimat schicken sollen. Der Bauer Wagner versteckt Ahafjia auf dem Heuboden. Drei oder vier Tage lang. Dann ist die Gefahr vorbei. Ahafjia will nicht zurück. Sie hat Angst vor den Kommunisten.

Auswanderung von Ukrainern/(innen)/Polen

Eine Kusine von Ahafjia, die in der Nähe Augsburgs gearbeitet hat, besucht sie in Gersthofen und will, dass Ahafjia mit in die USA ausreist. Die IRO stellt es den ehemaligen Zwangsarbeitern frei, wohin sie ausreisen wollen. Die Olga Drebotnik , die beim Bauer Hampp in der Bauernstrasse gearbeitet hat und die Anna, die beim Sailer Schorsch wohnte und arbeitete, wandern 1945 nach England aus. Auch Nicolas Dudinski wanderte von Gersthofen nach Kanada aus. Ja, und die Familie Wassilijew , Stephan, Ewdokija und Nadjia, die auf dem Helmhof (IG Farben) arbeiteten und aus Russland kamen , wandern im Jahr 1949 in die USA aus.
Die Tschernjawskaja Olga, die auf dem Schlossbauernhof bei Schegg gearbeitet hat, hat ein Kind von einem französischen Kriegsgefangenen. Heute lebt sie aber wieder in der Ukraine. Wenigstens kann sie dank unserer Initiative entschädigt werden.

Späte Heirat mit einem Ukrainer

Mein späterer Ehemann Prokip K. kam erst 1946 nach Gersthofen. Er stammte aus Tarnopol, gehörte auch zur ukrainischen Minderheit in Polen. Im September 1939 wurde er Kriegsgefangener, aber schon im Kriegsgefangenenlager wurden Ukrainer und Polen getrennt untergebracht. Im Sudetenland arbeitete er als Gefangener auf einem Großbauernhof, verliebte sich in die Tochter des Bauers, durfte aber nicht heiraten, obwohl sie eine Tochter miteinander hatten. Als die Russen bei Kriegsende einmarschierten, flüchtete Prokip gemeinsam mit der sudetendeutschen Minderheit.
So kam er 1946 nach Gersthofen, wo er anfangs bei Brem als Knecht arbeitete.

Arbeit bei Deffner als Schweizer

Wegen seiner Tüchtigkeit erhielt er eine Stelle als Schweizer (Melker) bei Bauer Deffner, wo er sich wie daheim fühlte und sich mit den Kindern Walli, Sigfried und Rudi gut verstand. Wir haben erst in den Sechziger Jahren geheiratet. Leider ist mein Mann seit vier Jahren verstorben. Jetzt lebe ich allein in Gersthofen. Glücklicherweise habe ich sehr gute deutsche Freunde, mit denen ich mich täglich treffe.


Agnes (1)


Agnes (2)


Agnes (3)


Agnes (4)


Agnes mit ukrainischer Freundin


Ehemann Prokip


Galizische Zwangsarbeiter


Hof der Familie Wagner in der Kirchstraße


Olga


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