Schawritzki, Fedir

Schawritzki

Fedir Schawritzki, geb. 15.08.1915, Arbeitseinsatz in der Rüstungsindustrie in München

Am Samstag den 11. August werden Lubov und ich wie vereinbart von Fedir Schawritzkis Sohn und dessen Freund in Kiew abgeholt. Er bringt uns zu seinem Vater nach Jahotyn.

Als wir das Grundstück von Fedir und seiner Frau Sofia betreten, bin ich völlig überrascht, einen solch vitalen 93-jährigen Mann anzutreffen. Der Mann ist körperlich und geistig in wahrer Bestform und bleibt mir keine Frage schuldig. Ich hätte ihn allenfalls auf 70-75 Jahre geschätzt, aber nie und nimmer auf 93 !

Fedir war während des Krieges Mitglied der Kommunistischen Partei und wurde als Mitglied der KP von den Deutschen verfolgt. Zur Armee wurde er – trotz des abgeleisteten Wehrdienstes - nicht eingezogen , denn er sollte den Partisanenwiderstand in der Heimat organisieren. Wegen des Verdachtes auf Hilfeleistung für die Partisanen ist er bereits einen Monat von den Deutschen eingesperrt, er fürchtet die Erschießung durch die deutsche Polizei. In der Haft erkrankt er schwer. Ukrainische Polizisten belästigen und bedrohen seine Mutter und fordern eines Tages Alkohol von ihr. Sie versprechen der Mutter dafür, den Sohn freizusetzen und so kommt es dann auch.

Hätte Fedir die Mitgliedschaft bei der KPdSU bzw. bei den Partisanen bewiesen werden können, hätte dies den sicheren Tod für Fedir bedeutet. So ließ er sich bewusst nach Deutschland deportieren. Eigentlich war der jüngere Bruder für die Deportation vorgesehen gewesen, aber der hatte zudem einen Herzfehler.

Nach einer medizinischen Untersuchung an der deutsch-polnischen Grenze und der konventionellen Entlausung kommt Fedir am 3. Juni 1942 in ein Verteilungslager, von wo er mit 30 weiteren männlichen Ukrainern nach Neuaubing transportiert wird. Dort arbeitet er in einer Fabrik an der Produktion von Flugzeug-Ersatzteilen. Das Sammellager befindet sich auf dem Fabriksgelände selbst, außer den Ostarbeitern sind auch Zwangsarbeiter aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden dort untergebracht, aber nur 5 weibliche Personen. Einmal wird er brutal im Lager zusammengeschlagen. Mit welcher Sprache sich die deutschen Machthaber mit ihnen verständigt hätten? Mit der Peitschensprache, die habe jeder verstanden.

Das Lager wird in den ersten 1 ½ Jahren streng bewacht und sie dürfen es nicht verlassen, bald aber werden die Bestimmungen für die Franzosen liberaler. Sie speisen auch in separaten Räumen. Erst Ende 1944 wird auch für die Ostarbeiter Ausgang möglich, nicht aber für die Kriegsgefangenen. Mit dem Lagergeld, das sie erhalten, kaufen sich die Arbeiter etwas Brot, Zigaretten und anderen Proviant.

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Nach Kriegsende kommt Fedir in ein großes Sammellager. Er wird von den Amerikanern gut verpflegt, nach zwei Monaten bringen die Amerikaner ihn und seine ukrainischen Landsleute in die sowjetisch besetzte Zone. Dort muss er sich beim Kommandanten melden. In den Unterlagen wird er als Kriegsgefangener geführt. Er bleibt aber bei der Wahrheit und fordert von zuhause die Bestätigung an, dass er als Zivilist aus der Heimat deportiert worden ist. Als die Bestätigung eintrifft, wird er entlassen und kann in die Heimat zurückkehren. Allerdings nicht so schnell wie er sich das erhofft hat. In Polen wird er von August 1945 bis Mai 1946 als Verwalter eines Getreidelagers eingesetzt.

In der Heimat ist er wiederholten Verhören ausgesetzt, eine Chance auf eine Karriere in der Partei oder im Beruf hat er wegen seiner deutschen Vergangenheit keine mehr. Stalin hat am Ende des Krieges einen entsprechenden Befehl erlassen. Als die Deutschen 1941 einmarschierten, verbrannte Fedir aus verständlichen Gründen seinen Parteiausweis.

Ich frage ihn, ob dieser Sachverhalt sein Verhältnis zur KPdSU getrübt habe. Welch schwierige Fragen ich ihm stelle, die seien doch kaum zu beantworten! Für ihn sei die gewissenhafte Erfüllung der Arbeit stets das Wichtigste gewesen, nicht die Zugehörigkeit zur Partei, erwidert Fedir. Heute erhält er 500 Griwna Pension, also 70 Euro, auf Urlaub sei er sein Leben lang nicht gewesen.
Ob er gerne Deutschland nochmals sehen möchte? - Ja, er würde gerne nach Deutschland kommen, um die deutschen Frauen wieder zu sehen, worauf seine Frau Sonja scherzhaft einwirft, dass endlich die Wahrheit an den Tag komme. – Die beiden sind seid über 60 Jahren glücklich und harmonisch verheiratet.

Dann will ich noch wissen, worauf er sein hohes Alter zurückführe und er meint: „ein dünner Hase lebt länger als ein fettes Kaninchen“. Nein, im Ernst, er habe nie geraucht, selten Alkohol getrunken, fast immer in der frischen Luft gearbeitet, nach dem Krieg in der Forstwirtschaft, und dann, so seine Frau, habe sie ihm ja schließlich immer gut versorgt, Borscht und Speck.

Ich verlasse dieses wundervolle und harmonische Paar in der Gewissheit, es in den nächsten Jahren nochmals zu besuchen, denn so robust und geistig rege habe ich wohl selten ein so hochbetagtes Paar erlebt. Wichtig für Fedir und seine Frau, die ebenfalls Zwangsarbeiterin in Deutschland gewesen ist war nicht die symbolische Entschädigung, sondern die Aufmerksamkeit für ihr Schicksal, und hierfür sind die beiden mir und Lubov besonders dankbar.


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