© R.Wagner
J O N A  

 
DER JONA - FISCH - KOMPLEX
 
Wasser als Symbol und Urelement spielt in allen Religionen dieser Welt eine überaus wichtige Rolle. Zur Vorbereitung des Wasser-Projektes wurden im katholischen Religionsunterricht der Klasse WG 11/3 die in diesem Zusammenhang vielfältigen Deutungen und Auslegungen des biblischen Prophetenbuchs Jona erarbeitet.

Jedes Symbol ist gekennzeichnet durch die dialektische Spannung von äußerem Zeichen und innerer Aussagekraft. Allgemein betrachtet ist Wasser in der jüdisch-christlichen Religion Symbol für den Ursprung des Lebens (Schöpfungsbericht im Buch Genesis), Symbol für den Tod (Sintfluterzählung), Symbol für die Wiedergeburt (Neubeginn der Schöpfung nach der Sintflut / Sakrament der Taufe), Symbol für Reinigung und Erneuerung (kultische Reinigungen und Segnungen) und Symbol für Heilung (Heilung des gelähmten Mannes am Teich von Betesda).

Welche Rolle spielt das Ursymbol Wasser in dem Prophetenbuch Jona?
Der Prophet Jona verweigert sich dem Auftrag Gottes und muß sich auf seiner Flucht einer Reifeprüfung der ganz besonderen Art unterziehen. In seiner bis dahin wohl elementarsten Lebenskrise wünscht er sich den Tod, erfährt aber durch den Sturz in die Meeresfluten eine Wiedergeburt. Der Ritus der Wiedergeburt vollzieht sich im Untertauchen als Symbol der Auflösung und im Wieder-an-Land-Kommen als Neugeburt und Wiederbelebung. Zumindest vorläufig gelingt es Jona, seine Aufgabe zu erfüllen, sich selbst und dem Leben zu stellen.

Das Prophetenbuch Jona, literarisch betrachtet eigentlich eine Novelle, greift der Tiefenpsychologe Carl Gustav Jung auf und bezeichnet den og. Prozeß als "Jona-Walfisch-Komplex".
In Lebenskrisen muß der Mensch zu sich selbst finden und sich für das Leben im Sinne des "Werde der Du bist und sei wandelmutig !" entscheiden.
Vergleiche dazu im Schaubild den Zenit als übergang von der Extraversion: Berufsfindung, Partnerwahl, zur Intraversion: Rückbesinnung auf die inneren Werte des Lebens! Als Urbild für diese Krisenbewältigung kann das dreitägige Untertauchen des Propheten Jona und Verweilen im Fischbauch gelten. Vergleiche dazu auch den Abstieg Jesu in die Unterwelt vor seiner Auferstehung.

Martin Luther verwendet in seiner Bibelübersetzung den Ausdruck "Walfisch" und übersetzt an dieser Stelle das Jona Buch sehr ungenau.
Der hebräische Urtext des Prophetenbuches verwendet nämlich interessanterweise das Wort "dagah", die weibliche Form von "Fisch", also eine Fischin!
Dies könnte eine Interpretation ermöglichen, die auch die Tiefenpsychologen hier im Blick haben. Ein Mensch, der sich in einer schier ausweglosen, massiven Lebenskrise befindet, verspürt oft nur noch den Wunsch nach purer Regression. Er will sich wie ein Kind in den Schoß der Mutter flüchten, um Trost und Zuneigung zu erfahren, statt sich zu entscheiden und Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Dies könnte die Flucht Jonas in den Fischbauch widerspiegeln.

Christa Meves wiederum, eine praktizierende Psychotherapeutin, vergleicht die Jona-Erzählung mit ihren Erfahrungen bei der Therapie eines jungen Suizid-Klienten, der in seinen Traumbildern von einem riesigen Ungeheuermaul verschlungen wird und wie ein Stein ins Meer rollt. Der junge Mann stellt sich seiner Krise und kehrt wie wiedergeboren ins Leben zurück.

Sinnfällig stellt dies alles auch der altägyptische Sonnenmythos dar.
Die Sonne als Symbol für Wärme, Licht und Leben (Sonnengesang des Pharaos Echnaton) versinkt nach ihrem täglichen Himmelsweg im Westen i n die Fluten des Meeres, wo sie von einem gewaltigen Seeungeheuer verschluckt wird oder wie in anderen Mythologien in einer Nachtbarke transportiert und bis am Morgen im Osten wieder auf ihre Bahn geschickt wird. Damit wird ein grandioses Bild vom Vergehen und Sterben, vom Neubeginn und der allmorgendlichen Wiedergeburt gezeichnet.
Die gesamte Beschreibung dieses für uns so selbstverständlichen Naturphänomens ist tiefenpsychologisch eine symbolische Darstellung des gefährlichen und mühevollen Wegs der Bewußtwerdung, die personale Freiheit und Souveränität zu erlangen.
Der Weg der Sonne als Morgensonne Chepre, als Mittagssonne Re, als Abend- und Nachtsonne Atum, ihr Eintauchen in die Nacht und ihr Abstieg in die Unterwelt sind ein mythisches Bild für diesen Prozeß der Selbstwerdung.


(Wasserprojekt / Wagner)
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