Heinrich Heine

Begriffsklärungen

Was ist und wie funktioniert:

Definition

IRONIE
Verstellungsspiel des intellektuell überlegenen Untertans

SATIRE
aggressiver überlegenener Spott

PARODIE
spöttische Nachahmung bekannter Werke und Muster

Mittel

Untertreibung
Sprechen mit verstellter Stimme

Übertreibung
scharfe Kontrastierung
von Anspruch und Wirklichkeit

Einsatz literarischer
Formen und Motive in
veränderten, unpassenden Kontexten

Zweck

In-Frage-stellen
bestehender
Verhältnisse und Ansichten

lächerlich machen
bloßstellen der
Herrschenden

Komik und Unterhaltung
Entlarvung von
Kunstklisches


indirekte

direkte Zeit- und Sozialkritik

Kunstkritik


SATIRE, IRONIE, PARODIE

SATIRE ist eine literarische Form der Kritik und Verspottung herrschender Verhältnisse mit den Mitteln der Übertreibung (Hyperbel), des treffenden Wortwitzes und einer gewissen Aggressivität. Satire will entlarven, verspotten und eine kritische Haltung hervorrufen.

IRONIE ist die Kritik und Verspottung herrschender Verhältnisse mit den Mitteln der Verstellung und Verkehrung. Das Gesagte ist nicht wörtlich zu nehmen, das Gemeinte und das Gesagte stehen in indirekten Verhältnis zueinander.

PARODIE: Verzerrende, übertreibende oder verspottende Nachahmung (parodia - Gegengesang) eines bekannten Werkes. Die Form wird beibehalten, jedoch der Inhalt humoristisch verändert. Der komische Effekt entsteht aus der Spannung zwischen dem bekannten Original und der Nachahmung. Parodie ist ein Bildungsspiel, das die Kenntnis der Vorlage voraussetzt.

Eine Fundstelle

„Was tut ein Mensch, wenn er gegen den anderen ironisch wird? Er bringt ihn in ein fragwürdiges Licht. Das könnte er auch ohne Ironie tun. Er könnte auch direkt etwas sagen, was den Angegriffenen sonderbar oder komisch erscheinen ließe. Doch würde das verraten, daß er plump ist und ihm nichts Gutes einfällt; die Ironie hingegen ist geistreich. Im direkten Angriff wäre noch ein anderer Nachteil. Wer ihn führte, wäre in die Situation verfangen; der Ironiker hingegen steht in ihr und zugleich über ihr. Sein Angriff zeigt ihn frei und überlegen. So sagt er Anerkennendes, aber in einer Weise, daß dabei Ungünstiges zum Vorschein kommt; er stimmt zu und unterstreicht dadurch den Widerspruch nur umso stärker; er tut harmlos und verwundet umso sicherer.”
(aus Romano Guardini: Der Tod des Sokrates, 1959 S.16/17)



Anwendungen

  Ironie, Satire, Parodie, Übertreibung, Verkehrung ... in der Praxis:
  Analysiere die Mittel, mit denen Heinrich Heine in diesem Text eine humoristische Wirkung anstrebt.

    Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste und Universität gehört dem Könige von Hannover und enthält 999 Feuerstellen, diverse Kirchen, eine Entbindungsanstalt, eine Sternwarte, einen Karzer, eine Bibliothek und einen Ratskeller, wo das Bier sehr gut ist. Der vorbeifließende Bach heißt »die Leine« und dient des Sommers zum Baden; das Wasser ist sehr kalt und an einigen Orten so breit, daß Lüder wirklich einen großen Anlauf nehmen mußte, als er hinübersprang. Die Stadt selbst ist schön und gefällt einem am besten, wenn man sie mit dem Rücken ansieht. Sie muß schon sehr lange stehen; denn ich erinnere mich, als ich vor fünf Jahren dort immatrikuliert und bald darauf konsiliiert wurde, hatte sie schon dasselbe graue, altkluge Ansehen und war schon vollständig eingerichtet mit Schnurren, Pudeln, Dissertationen, Teedansants, Wäscherinnen, Kompendien, Taubenbraten, Guelfenorden, Promotionskutschen, Pfeifenköpfen, Hofräten, Justizräten, Relegationsräten, Profaxen und anderen Faxen. Einige behaupten sogar, die Stadt sei zur Zeit der Völkerwanderung erbaut worden, jeder deutsche Stamm habe damals ein ungebundenes Exemplar seiner Mitglieder darin zurückgelassen, und davon stammten all die Vandalen, Friesen, Schwaben, Teutonen, Sachsen, Thüringer usw., die noch heutzutage in Göttingen, hordenweis und geschieden durch Farben der Mützen und der Pfeifenquäste, über die Weenderstraße einherziehen [...]

    Im allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingeteilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh, welche vier Stände doch nichts weniger als streng geschieden sind. Der Viehstand ist der bedeutendste. [...]


H. Heine: Die Harzreise (1824), zit. nach Projekt Gutenberg-DE.

(cc) Klaus Dautel

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