Protest im Rahmen des Möglichen
„Aufbegehren, Handeln, Verändern - Protest in der Geschichte“. Ein Thema, das vielversprechend klang, aber sehr bald seine Tücken zeigte, da die regional vorgefundenen Fakten nur schwer in unsere geläufige Auffassung vom Begriff „Protest“ paßten. Zunächst war unsere Gruppe fest davon überzeugt, daß das Aufbegehren gegen den Stadtabriß in Bernau genau die Thematik erfaßte. Bereits mit den ersten Zeitzeugengesprächen kamen jedoch ernsthafte Zweifel, weil sich keiner der Gesprächspartner eindeutig als Gegner des Abrisses einordnen ließ. Ihr Protest äußerte sich nicht aufsehenerregend oder spektakulär, sondern eher als Widerstehen im Rahmen der vorgegebenen Strukturen. Nach jedem Interview diskutierten wir heftig, ob sich die neu gefundenen Erkenntnisse mit unserer Auffassung von „Protest“ vertrugen. Nach und nach änderte sich das Verständnis in bezug auf die vorgegebene Thematik. Anfangs erklärten einige aus der Gruppe, daß „echter Protest“ nur in der Öffentlichkeit bekundet wird. Andere hielten dagegen auch stilles Handeln ohne öffentliche Beachtung für Protest. In einigen Situationen sei dies sogar sinnvoller als eine öffentliche Klage. Mit jedem neuen Zeitzeugen entdeckten wir eine weitere Schattierung von Auflehnung oder Mißfallensbekundung. Die von uns erhofften effektvollen Aktionen konnten wir nicht finden. Dafür offenbarten sich Protestbekundungen wie Frau Heinrichs Auflehnung bei der Zerstörung ihres Gartens, Herrn Hollands kritische Dokumentationsmappe zum Abriß der Altstadt, Frau Wieses erfolgreiche Weigerung, ihr Haus zu verkaufen. Frau Jeitners einfühlsame Zeichnungen und Gedichte bis hin zu Verantwortlichen, die partiell durchaus erfolgreich die staatlichen Pläne veränderten. Die meisten Beispiele verdeutlichten gleichzeitig eine Anpassung an das politische System und die Auflehnung gegen Teilaspekte des Abrisses. Die Projektarbeit erweiterte unser Verständnis für den Begriff „Protest“. Unter ihm erfassen wir heute auch „Mißfallensbekundungen“, wie der Ursprung aus dem Italienischen bedeutet. Aufbegehren, Handeln und Verändern charakterisierten nicht genügend die vorgefundenen Handlungen gegen den Stadtabriß. Deshalb erweiterten wir das Spektrum um stillen Protest, Aufbegehren im gesetzlich erlaubten Rahmen und dokumentarischen Protest. Von unserer anfänglichen Wertung, Protest sei nur im Sinne von Widerstand zu verstehen, verabschiedeten wir uns genauso wie von der Denkweise, die verschiedenen Protestarten nach ihrem Erfolg hierarchisch zu bewerten. Die entdeckten Protestbekundungen erhielten für uns durch die kennengelernten Geschichten einen unschätzbaren Wert, da einige von ihnen bleibende Stadtgeschichte schrieben. Andere, nicht sichtbare kritische Gedanken, veränderten unser Gefühl für die Stadt und ihre Entwicklung. Suchen Sie in unserem Stadtrundgang keinen spektakulären öffentlichen Widerstand, sondern entwickeln Sie einen Blick für den vielfältigen Protest im Bernau der 70er Jahre.

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