Protest ohne Chance Durch ein Telefonat verdeutlichte Frau Burba, daß sie über diese Geschichte nicht sprechen möchte. Deshalb wendeten wir uns an Janas Großeltern, Ruth und Paul Loll, die beide lange Jahre im Geschäft von Burba arbeiteten. Sie erzählten viel über das Geschäft und das Haus von Heinz Burba, der heute leider nicht mehr lebt. Das Wohnhaus der Familie Burba Die Eltern des Heinz Burba zogen um die Jahrhundertwende von Berlin nach Bernau in die Grünstraße. Im Haus mit der Nummer 10 kam Heinz Burba 1916 zur Welt. Vor dem Zweiten Weltkrieg begann er als Gemüsehändler auf Märkten und baute sich später einen Laden auf. Dieser wurde von den Leuten in Bernau angenommen und das Geschäft lief gut, somit hatte Herr Burba keine Geldprobleme. Er legte immer wieder Hand an sein Haus. Durch Kontakte zu Händlern und guten Beziehungen zu den richtigen Firmen erhielt der die notwendigen Baumaterialen ohne Probleme, um auftretende Mängel schnell zu beseitigen. Es soll das am besten erhaltene Haus in der Grünstraße gewesen sein. Im Zuge der Umwandlung Bernaus zu einer Musterstadt wurde auch Herrn Burba, inzwischen verheiratet, nahegelegt, sein Haus zu verkaufen. Doch er versuchte sich zu weigern. Heinz Burba hing sehr an seinem Geburtshaus. Die Grünstraße, in der sein Heim stand, gehörte zum ersten Bauabschnitt beim Umwandlungsprozeß von Bernau. Im ersten Abschnitt ging die staatliche Seite keine Kompromisse ein, weil sie die Idee der Musterstadt unbedingt umsetzen wollte. Briefe an den Rat der Stadt oder des Kreises, in denen Heinz Burba seinen Unwillen äußerte, blieben erfolglos. Er hatte ganz einfach das große Pech, ein Haus im ersten Bauabschnitt zu besitzen. Protest ließ der Staat nicht zu, und durch das Aufbaugesetz gab es auch die Möglichkeit der Enteignung. So sagten sich die Bürger, wenn sie ihr Haus schon verlieren sollten, dann wollten sie wenigstens noch Geld dafür bekommen. Auch Herr Burba fügte sich, denn ihm sagte man immer wieder, entweder er nähme das Geld oder er werde enteignet. Das Haus wurde auf 42.000 Mark geschätzt. Doch Herr Burba gab sich damit nicht zufrieden. Er ließ das Haus ein zweites Mal taxieren. Das Ergebnis brachte diesmal einen höheren Wert. Er wandte sich an den Bürgermeister und schilderte ihm sein Problem. Von diesem hörte er die gleiche Antwort wie zuvor, er solle sich mit dem Geld zufriedengeben oder aber er bekommt gar nichts. Bei dieser Alternative verkaufte Familie Burba ihr Haus. Jährlich erhielt sie 3.000 Mark, bis die staatliche Seite abbezahlt hatte. Die Familie bekam eine Neubauwohnung im Stadtkern zugewiesen. Wenig später tauschte sie mit einer anderen Familie gegen ein Zweifamilienhaus außerhalb des Stadtzentrums. In der DDR waren solche Tauschgeschäfte nicht unüblich, denn es stellte immer ein Problem dar, die gewünschte Wohnung über öffentliche Stellen zu bekommen. Nach dem Auszug aus dem Haus Grünstraße 10 schlug der Bauleiter für den ersten Bauabschnitt dort sein Quartier auf. Trotz des Verkaufes an die Stadt wurden noch einige Gegenstände aus dem Haus gerettet und in andere der Familie eingebaut wie zum Beispiel Heizkörper, Fenster oder auch Türen. Mein Opa kam an einem Tag, um die Heizkörper auszubauen und aufzuladen. Dabei fehlte ihm aber der zweite Mann. Angehörige der sowjetischen Truppen waren gerade in der Nähe, um ebenfalls Gegenstände aus den Häusern zu holen, sie bekamen dazu die Genehmigung von der Stadt. Mein Opa bat die Soldaten, ihm beim Ausbau und Laden der Heizkörper auf einen Barkas zu helfen. Das taten sie dann auch und der Bauleiter drückte dabei ein Auge zu. Der Aufbau des Ladens von Heinz Burba Vor dem 2. Weltkrieg fing Herr Burba als kleiner Gemüsehändler an, indem er mit seinem Handwagen von Markt zu Markt ging, um Obst und Gemüse zu verkaufen. Er arbeitete hart und sparte sich etwas Geld an, um dann 1946 im Hause der Frau Radeisen seinen Obst- und Gemüseladen (Berliner Straße/Ecke Tuchmacherstraße) zu eröffnen. Mit der Zeit wurde dieser zum besten Laden für Obst, Gemüse und Blumen in Bernau. Fast allein gewährleistete das Geschäft die Versorgung Bernaus. Der Stadt war es schon ein Dorn im Auge, da sich Herr Burba nicht der Handelsorganisation anschloß und privat blieb. Dennoch duldete die Stadt ihn hauptsächlich aus Versorgungsaspekten. Die Bewohner von Bernau schätzten den Laden sehr, denn dort bekamen sie immer das erste Obst und Gemüse der Saison, wie mir mein Opa berichtete. Er selbst, seit 1948 bei Burba beschäftigt, fuhr jeden Morgen nach Berlin zum Großhandel und kaufte dort die besten Waren. Die Leute standen regelrecht Schlange, um das Beste an Obst und Gemüse zu ergattern. Meist waren die Waren vom Großhandel schon nach wenigen Stunden komplett verkauft. Die Leute wußten, daß sie hier gute Ware bekamen. Meine Oma, seit 1961 dort tätig, erzählte mir von ihrem Titel als Zwiebelkönigin von Bernau, da es bei Burba die ersten Zwiebeln des Jahres gab. In Spitzenzeiten beschäftigte der Familienbetrieb bis zu 20 Mitarbeiter. Das Geschäft florierte, und es war der ganze Stolz des Herrn Burba, der klein anfing und sich allmählich den Laden aufbaute. ![]() ![]() Fotos: privat Die Obst- und Gemüsehandlung der Familie Burba (links) und der zugewiesene Blumenladen (rechts) Der Verlust des Ladens von Heinz Burba Der Flächenabriß machte vor dem Haus von Frau Radeisen keinen Halt. Sie verkaufte und Burbas, die den Laden nur gemietet hatten, mußten ebenfalls ausziehen. Der Laden schloß Ende 1975/Anfang 1976 und Burbas bekamen einen anderen in der Berliner Straße/Ecke Klementstraße zugewiesen. Dieser befand sich nicht weit entfernt vom alten. Die Stadt übernahm die Umbauarbeiten. Doch es stellte sich heraus, daß das neue Domizil zu klein war für Obst und Gemüse. Es konnten nur noch Blumen verkauft werden. Aus dem ehemals so florierenden Obst- und Gemüseladen blieb nur ein Blumengeschäft übrig, und mit Blumen allein ließ sich nicht so viel verdienen. Das bedeutete große Einbußen für Herrn Burba, und er konnte nicht mehr alle Mitarbeiter halten. Die Bürger von Bernau waren sehr verärgert über die Schließung des Ladens, denn sie sahen die gute Versorgung mit Obst und Gemüse nicht mehr gewährleistet. Für Herrn Burba bedeutete das eine schwere Zeit, mitanzusehen, wie sein Laden geschlossen werden mußte, den er mühevoll aufgebaut hatte. Er hatte schon immer Obst und Gemüse verkauft und das sollte jetzt ein Ende finden. Versuche, einen neuen, größeren Laden wiederaufzubauen, scheiterten. Herr Burba kaufte das Haus, in dem sich die Drogerie Zwark befand (Berliner Straße/Ecke Goethestraße). Er erhielt auch die Baugenehmigung für ein größeres Geschäft, doch im letzten Moment wurde sie ihm wieder entzogen. In der damaligen Zeit ließ die Stadt keine neuen Privatgeschäfte zu. Das bedeutete den nächsten Tiefschlag für Herrn Burba. Er ging schließlich 1981 in Rente. Herr Loll, sein langjähriger Mitarbeiter, sollte den Laden übernehmen, doch der lehnte es ab. Das Inventar des Ladens wurde an die gärtnerische Produktionsgenossenschaft (GPG) verkauft, und der Laden ging noch im selben Jahr zur GPG über. Noch heute befindet sich ein Blumenladen darin. Herr Burba verlor im Laufe des Flächenabrisses nicht nur sein Haus sondern auch seinen Laden. Beide Häuser waren gut erhalten, doch das spielte für die Stadt keine Rolle. Sie mußten der Idee einer Musterstadt weichen. Es ist deutlich geworden, daß hinter dem Burbahaus und -laden eine ganz persönliche Geschichte steckt, wie hinter jedem anderen Haus auch. Mit dem Abriß dieser Häuser gingen auch Teile der persönlichen Geschichte verloren, was nicht leicht zu verkraften war. |