Station 1 - Geschichte Bernaus

Ein Spaziergang durch die Bernauer Geschichte


Zeichnung: Postkarte (ohne Verlagsangabe)
Ältestes Haus in Bernau: Das Kantorhaus Tuchmacherstraße 15, erbaut 1582
Bis vor dreißig Jahren bot sich dem Betrachter der Bernauer Innenstadt das Bild einer typischen mittelalterlichen Kleinstadt: parallele Straßenführung, eine Stadtmauer, Wallanlagen und unzählige Fachwerkhäuser, die von einer langen Geschichte zeugten. Das älteste dieser Häuser befand sich in der Tuchmacherstraße 15 - erbaut im Jahre 1582. (1) Am Stadtrand, also entlang der Stadtmauer, besaßen einige Bauten sogar einen großen Hof mit Scheune und Großküche. Bis heute blieben uns davon noch die Stadtmauer, die Wälle, die parallele Straßenführung, ein Haus mit landwirtschaftlichem Hof sowie einige wenige alte Fachwerkhäuser erhalten. Jedoch wird das Bernauer Stadtbild von Plattenneubauten bestimmt, die im Kontrast zu den wenigen uns erhaltenen älteren Bauwerken stehen. Heute ist Bernau eine Stadt voller Gegensätze, in der Alt und Neu nebeneinander zu finden sind.

Zur Gründung der Stadt
Nachdem das Gebiet zwischen Elbe und Oder bis zum 6. Jahrhundert von Germanen besiedelt worden war, lebten hier vom 6. bis zum 9. Jahrhundert Slawen. Jedoch im Zuge der ersten Phase der deutschen Ostkolonialisierung eroberten deutsche Feudalherren diesen Raum. 1134 vergab der damalige deutsche König Lothar die Nordmark, heutige Mark Brandenburg, an Albrecht I., den Bären, einen Askanier. (2)

Über den Beginn der Geschichte Bernaus ist folgende Sage überliefert:
Es begab sich, daß etwa um das Jahr 1140 Markgraf Albrecht der Bär in den Wäldern an der Panke Bären jagte und sich dort verirrte. Nach langem Suchen kehrte er mit seinem Gefolge in eine einsame Waldschenke ein, wo ihm das Bier, welches der slawische Wirt servierte, so gut schmeckte, daß er beschloß, an dieser Stelle eine Bierstadt zu gründen. Die Bewohner der umliegenden slawischen Siedlungen mußten ihre alten Behausungen verlassen und in die neu gegründete Siedlung ziehen. (3)
 
So also soll Bernau, das seinen Namen überdies auch Albrecht dem Bären zu verdanken hat, entstanden sein. Hinweise auf ihn finden sich auch heute noch im Stadtwappen Bernaus: „nemlich ein silberner Schild, darinnen ein natürlicher Eichenbaum vor dem eyn brauner Bär schreitet und ueber dem eyn roter Adler mit ausgebreytetem Flug und roten Waffen herauswachset.“ (4) Dieser Adler war das Wappentier der Askanier. Leider läßt sich jedoch der genaue Zeitpunkt der Gründung der Stadt nicht bestimmen. Bei der Restaurierung des Rathauses im Jahre 1614 fanden die Arbeiter eine alte Inschrift, die da lautete: „ALBERTUS URSUS, DER ERSTE DES FÜRSTLICHEN HAUSES ANHALT, IST MARKGRAF ZU SOLTWEDEL Ao 1116, WIRD CHURFÜRST Ao 1130, BEKOMMT BAYERNLAND Ao 1132, BAUET BERNAU Ao 1141“. (5) Es fehlen aber die handfesten Beweise zu dieser Aufzeichnung über die Stadtgründung. Das erste Mal urkundlich erwähnt wurde unsere Stadt nämlich erst in einem Schreiben des Papstes Bonifatius VIII. an den Propst zu Kirche von Bernau vom 5. Dezember 1296. (6) Wahrscheinlich wurden die entsprechenden Urkunden zur Stadtgründung bei den großen Bränden 1406 und 1485 zerstört. (7) Indessen vermuten Historiker, daß Bernau das Stadtrecht in dem Zeitraum von 1225 bis 1232 verliehen bekam. (8)
 
Eine slawische Siedlung wird Handelsstadt
Aus der einstigen slawischen Siedlung entwickelte sich eine bedeutende Stadt. Bernau war besonders für seine Bierbrauerei und sein Tuchmachergewerbe bis über die deutschen Grenzen hinaus bekannt.
Vor allem über das Bernauer Bier existieren es unzählige Geschichten und Sagen. Bis heute überliefert ist auch eine Erzählung zu den Brautagen. Das Bernauer Bier wurde aus dem Wasser der Panke gebraut. Am Tage vor dem Brautag lief der Stadtwächter durch Bernau und rief so, daß es jeder hören mußte: „Es wird hiermit bekanntgemacht, daß keiner mehr in die Panke macht! Morgen wird gebraut!“ Dies soll keine Sage sein, sondern sich wirklich genau so zugetragen haben. (9)
Im 15. und 16. Jahrhundert hatte das Bernauer Brauereigewerbe seine Blütezeit erreicht und führte, zusammen mit dem Tuchmachergewerbe, die Stadt zu hohem Ansehen und Wohlstand. Nebenbei gab es noch zwei andere große Gilden: die der Ackerbürger und des Handels. Den Ackerbau gab es schon seit jeher, er geht bis in die Gründungszeit unserer Stadt zurück und sogar noch weiter bis zu den germanischen und slawischen Siedlern. Der Handel entwickelte sich erst später durch den Einfluß mehrerer positiver Faktoren. Besonders nennenswert sind hierbei die günstige Lage Bernaus zwischen Berlin und dem der Ostsee und der eigene Handel mit dem Bier und den Tuchmacherprodukten. Aufgrund der Einbußen während der Pestzeiten (1598 - 1638), sowie des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) erfolgte in diesem Zeitraum ein deutlicher Rückgang in den Gewerben Bernaus. Anfang des 18. Jahrhunderts hatte die Stadt vollständig an Bedeutung verloren.
Dies änderte sich jedoch schlagartig mit dem Einsetzen der Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert in Deutschland. Als Bernau an das neue Eisenbahnnetz angeschlossen wurde, erlangte es abermals seinen Status im Post- und Handelsverkehr. Außerdem diente unsere Stadt als „Arbeiterlieferant“ für das industrialisierte Berlin.
Die Bevölkerung nahm stetig zu, vor allem in der Industrialisierungsphase. Dementsprechend änderte sich mit der Zeit auch der Charakter Bernaus. Neue Häuser wurden gebaut, alte Fachwerkhäuser verputzt oder bis auf den Keller abgerissen und neu errichtet. Da Bernau des öfteren auch als Garnisonsstadt während zahlreicher Kriege, z. B. den Hussitenkriegen diente, erhielt es sogar militärische Charakterzüge, wie z. B. die parallele Straßenführung. Jedoch das Stadtbild in seinen Grundzügen blieb erhalten: die Stadtmauer mit den einzelnen Türmen, die Wallanlagen und eine Haupthandelsstraße zwischen Berlin und dem Norden mitten durch die Stadt.
(Archiv Heimatmuseum Bernau)
Bernau um das Jahr 1620

Vor allem in den letzten beiden Jahrhunderten nahm die Bevölkerung zu. Daher wurden viele neue Häuser in und um Bernau errichtet. Heute hat unsere Stadt etwa 25 000 Einwohner.
 
Bernau im 20. Jahrhundert
Ab 1911 wurden Bernaus Häuser an die Kanalisation angeschlossen. Und im Laufe der Jahre entstanden immer mehr neue Wohnhäuser, vor allem um Bernaus Altstadt herum. Nachdem Bernau den 2. Weltkrieg fast ohne bauliche Zerstörungen überstanden hatte, entwickelte es sich als eine typische Kleinstadt der DDR.
Durch jahrelange Vernachlässigung der Instandhaltung der Fachwerkhäuser, da die staatlichen finanziellen Mittel für den Wiederaufbau der Industrie verwendet wurden, befand sich die Bausubstanz in den sechziger Jahren nicht mehr im besten Zustand. Nach mehreren Diskussionen kam man in den siebziger Jahren zu dem Entschluß, Bernaus Innenstadt abschnittsweise abzureißen und als Musterstadt sozialistischen Bauens neu zu errichten. Dies geschah mit der Zielvorstellung, eine „Gesamtgesellschaft“ zu entfalten, „wobei die kollektiven Lebensformen herausgebildet und gestärkt werden sollen.“ (10)
Der Abriß der Altstadt wurde von den Verantwortlichen mit der schlechten Bausubstanz begründet, so daß es kostengünstiger sei, das Alte abzureißen. Außerdem seien die wohnlichen Bedingungen nicht komfortabel. So gab es z. B. Außentoilette, Ofenheizung, Risse in den Wänden und ähnliche bauliche Mängel. Die Architekten bemühten sich, den mittelalterlichen Charakter des Stadtbildes zu wahren, d. h. die Sankt-Marien-Kirche blieb das höchste Bauwerk der Stadt, so daß man sie von jeder Straße der Innenstadt sehen konnte. Diese Bedingungen zogen es nach sich, daß die neuen zwei- bis vierstöckigen Häuser von der Kirche aus immer niedriger wurden, um die Höhe der Stadtmauer nicht zu überragen. Daraufhin begann der Flächenabriß. Das heutige Bild mit dem Nebeneinander von Alt und Neu entstand erstens durch den Nichtabriß von denkmalgeschützten Gebäuden, zweitens durch die standhafte Weigerung einzelner gegen den Abriß ihrer Häuser und drittens durch die finanzielle Krise der DDR in den achtziger Jahren.
Was wir heute sehen, ist ein „Kuriosum einer sozialistischen Planstadt innerhalb seiner mittelalterlichen Stadtmauern“. (11) Aber urteilen Sie selbst, indem Sie sich ein Bild von den Hergängen während dieses Planabrisses machen.




(1) aus: Unser Bernau - Ein Führer durch die märkische Stadt Bernau. Rat der Stadt Bernau bei Berlin, 1956, Seite 30
(2) aus: Orbis Handbuch: Meilensteine der Weltgeschichte, Orbis Verlag, Gütersloh/München, 2. überarbeitete und aktualisierte Auflage 1997, Seite 167
(3) aus: Chronikblätter, Heft 1. Rat des Kreises Bernau / Abteilung Kultur, 1989, Seite 8
(4) aus: Unser Bernau - Ein Führer durch die märkische Stadt Bernau. Rat der Stadt Bernau bei Berlin, 1956, Seite 7
(5) aus: August Wernicke: Bernauer Stadtchronik. L.Röther's Buchdruckerei, 1894, Seite 529
(6) aus: Chronikblätter, Heft 1. Rat des Kreises Bernau / Abteilung Kultur, 1989, Seite 9
(7) aus: E. Fidicin: Geschichte des Kreises Nieder-Barnim und der in demselben belegenen Städte, Rittergüter, Dörfer ec. Verlag von J. Guttentag, Berlin, 1857, Seite 1
(8) aus: Giese/Hupfer: Belegarbeit zum Thema städtebauliche Entwicklung Bernaus. Bernau, Nov. 1998, Seite 7
(9) aus: Chronikblätter, Heft 1. Rat des Kreises Bernau / Abteilung Kultur, 1989, Seite 8
(10) aus: Dietmar Gohl: Deutsche Demokratische Republik - Eine aktuelle Landeskunde. Fischerverlag, 1986, Seite 93 f
(11) aus: Allianz Reiseführer: Deutschland. Verlag Karl Baedecker, Erscheinungsjahr unbekannt, Seite 168




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