Ein visionärer
Herrscher formt Europa
Karl der Große
(*748–†814) legt vor über 1200 Jahren
die Grundfesten unserer Kultur. Er eint Großeuropa und
reformiert Bildung und Gesellschaft. Geografisch mittendrin,
war Karl der Große auch Kaiser der heutigen Schweiz. Sein
Leben und Wirken präsentiert das Landesmuseum Zürich
vom 20. September 2013 in einer umfassenden Ausstellung.
Am Weihnachtstag des Jahres 800 beginnt im Petersdom in Rom
für das westliche Mittelalter eine neue Ära: Papst
Leo III. krönt Karl den Grossen zum ersten Kaiser seit dem
Fall Roms im 5. Jahrhundert. Karl der Grosse formte im lateinischen
Westen einen strukturierten Herrschaftsraum. Die Einrichtung
einer Grafschaftsverfassung, eine gezielte Kirchenpolitik und
eine umfassende Bildungs- und Münzreform sind Stichworte
zum politischen Reformwerk, welches das Mittelalter wesentlich
prägte und bis in die Gegenwart nachwirkt.
2014 jährt sich zum 1200. Mal der Todestag von Karl dem
Großen (*748– †814). Wer war dieser karolingische
Herrscher, der schon zu Lebzeiten «der Große» genannt
wird? Wie prägte er das 8. und 9. Jahrhundert im heutigen
Europa?
Die Ausstellung «Karl der Große und die Schweiz» umfasst
den Zeitrahmen von der Herrscherzeit Karls, 771–814, bis
zum Ende der karolingischen Dynastie im späten 9. Jahrhundert.
Ein Epilog beleuchtet das Nachleben und die Wahrnehmung Karls
des Grossen in späteren Jahrhunderten.
Ausgewählte Exponate
Zu entdecken ist der erste «Euro» Europas. Karls
Münzreform schafft eine Einheitswährung, die in Teilen
der Schweiz bis zur Einführung des Frankens (1850) in Gebrauch
bleibt. Das silbervergoldete Brustkreuz aus dem Domkapitel Aachen,
das Karl der Grosse wahrscheinlich einst selbst trug, symbolisiert
Karls Rolle als Schutzherr der Kirche und des Christentums. Aus
der Stiftsbibliothek St.Gallen stammt ein herausragendes Beispiel
der Initialkunst. Es ist das Buch des Churer Bischofs Remedius
aus der Zeit um 800, dessen Ausmalung von der Bedeutung des Klosters
St.Gallen als Zentrum der Buchkunst zeugt. Seltene karolingische
Seidenstoffe sind ebenfalls ausgestellt, darunter der kostbare
Samson-Stoff aus dem Churer Domschatz. Nach seinem Tod wird Karl
zum Mythos. Idealisierte Porträtgemälde helfen bei
der Legendenbildung, so etwa das Bildnis Karls aus der Werkstatt
Albrecht Dürers von 1514 aus dem Deutschen Historischen
Museum und Louis-Félix Amiels Darstellung von Charlemagne
(1839) aus dem Musée national des Châteaux de Versailles
et de Trianon.
Zum ersten Mal in der Schweiz versammelt die Ausstellung gegen
200 kunst- und kulturhistorisch herausragende Exponate von 48
nationalen und internationalen Leihgebern, die von Leben und
Wirken Karls des Grossen zeugen.
Karls Spuren in der Schweiz
Die heutige Schweiz stand in enger Beziehung zum karolingischen
Herrscherhaus. Karl der Grosse war in Genf und hat mehrmals die
Alpen überquert. Unter seiner Herrschaft gewannen die Alpenübergänge
an Bedeutung. Die an den Verkehrsachsen gelegenen Klöster
dienten Karl dem Grossen und seinem Gefolge als Unterkünfte
und waren wichtige Stützpunkte. Das an der Nord-Südachse
gelegene Kloster St.Johann in Müstair soll Karl der Grosse
gegründet haben. Heute zählt es mit den noch erhaltenen
karolingischen Wandmalereien zum UNESCO-Weltkulturerbe.
In der Schweiz haben sich aus karolingischer Zeit zwischen 750
und 900 Bauten und erstaunlich viele Kunstwerke erhalten oder
sind archäologisch nachweisbar: Klöster, Kirchen und
eine Pfalz auf dem Lindenhof in Zürich; reich bebilderte
Handschriften, kostbare Elfenbein- sowie Goldschmiedearbeiten
und Textilien für den kirchlichen Gebrauch. Die Buchproduktion
des Klosters St.Gallen gelangte in karolingischer Zeit zur Blüte.
Die heutige Stiftsbibliothek St.Gallen, die Zentralbibliothek
Zürich oder die Burgerbibliothek Bern zählen zahlreiche
bedeutende Handschriften aus karolingischer Zeit zu ihren Beständen.
Viele dieser Handschriften können im Rahmen der Ausstellung «Karl
der Grosse und die Schweiz» erstmals einem breiteren Publikum
zugänglich gemacht werden.
Wegweisendes Erbe
Die Bildungsreform Karls des Grossen ist wegweisend. Die unter
ihm initiierte Schrift ist Basis unserer Druckschrift. Ihm verdanken
wir es, dass Texte antiker Autoren und damit antikes Wissen bis
heute überliefert sind, und die von ihm umgesetzte Münzreform
ist Basis unseres monetären Systems. Seine Pfalzanlagen
haben den Steinbau vorangetrieben. Er hat das Christentum im
Abendland gefestigt, die Liturgie verankert, die Bibel revidiert,
Klöster erbaut und das Leben der Mönche geregelt. Karl
der Grosse hat in vielen Bereichen die Grundlage unserer Kultur
geschaffen.
Mythen und Legenden
Zahlreich sind Legenden und Mutmassungen rund um Karl den Grossen
und seine Beziehungen zur Schweiz. So berichtet eine Legende,
er habe im Jahr 788 vierzehn Tage in der Abtei Saint-Maurice
verbracht und auch auf seinem Rückweg von Rom dort Station
gemacht. Eine andere Legende erzählt, Karl habe das Grossmünster
in Zürich erbauen lassen, nachdem er dort die Reliquien
der Stadtheiligen Felix und Regula aufgefunden hat. Mitte des
12. Jahrhunderts erlebte die Karlsverehrung in Zürich einen
Aufschwung, und im Jahr 1233 wurden Reliquien von Karl nach Zürich
gebracht. Es ist zwar historisch nicht belegt, dass Karl der
Grosse je in Zürich war, wie die Spurensuche der Ausstellung
indes zeigt, auszuschliessen ist es nicht.
Publikation zur Ausstellung
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit den Herausgebern
der Publikation «Die Zeit Karls des Grossen in der Schweiz» Prof.
em. Dr. Georges Descoeudres, Dr. Jürg Goll und Dr. Markus
Riek. Die Publikation erscheint zur Eröffnung der Ausstellung
im Benteli Verlag.
|