Kunstwerk des Monats
August 2006

Herkules und Omphale

Das stilistisch ursprünglich der Schule von Fontainebleau bzw. Jacques Blanchard zugeschriebene Historienbild „Herkules und Omphale“ gilt heute als ein frühes Meisterwerk des vielseitig gebildeten Malers, Zeichners, Kupferstechers und musikalisch wie mathematisch interessierten Laurent de La Hyre.

Seine ersten Werke nach einer Ausbildung in Fontainebleau und im Atelier Georges Lallemands zeichneten sich durch einen sehr individuellen eleganten Malstil aus, bevor er sich Anfang der 40er Jahre des 17. Jahrhunderts dem Klassizismus zuwandte, seine Gemälde strenger in der Komposition, kühler in der Malweise, heller in der Farbpalette wurden und landschaftliche Sujets einen größeren Raum einnahmen. 1648 gehörte La Hyre zu den Gründungsmitgliedern der Académie royale de peinture et de sculpture in Paris.

Gerade von manieristischen Künstlern wurde das seit der Renaissance in der Malerei populäre mythologische Thema “Herkules und Omphale“ häufig behandelt und durch La Hyres bilddiagonale Komposition zweier aufeinander bezogener Akte in übersteigerter Sinnlichkeit inszeniert.

Der griechische Heros Herkules sitzt auf den Betrachter ausgerichtet, entspannt zurückgelehnt mit geöffneten Beinen und einem Spinnrocken in der Linken vor landschaftlichem Hintergrund in einer Palastvorhalle der lydischen Königin Omphale gegenüber.

Der Sage nach war er als Sklave für drei Jahre an ihren Hof verkauft worden, um hier zur Sühne und Läuterung für seine Freveltaten, Mord und Tempelraub, Frauenarbeiten zu verrichten. Zugleich von ihr gedemütigt wie erotisch fasziniert musste der stärkste Mann Griechenlands Omphale dazu in einem symbolischen Kleidertausch auch die Attribute seiner männlichen Kraft, Löwenfell und Keule, überlassen und Frauengewänder tragen. Diesen Aspekt hatte Mitte des 16. Jahrhunderts vor allem Lucas Cranach in seiner künstlerischen Bearbeitung des antiken Stoffes herausgestellt, während La Hyre die Blöße des dunklen Inkarnats seines muskulösen Helden raffiniert unzulänglich nur mit einer schmalen Stoffbahn bedeckt, während der geflügelte Liebesgott Amor neben ihm spöttisch an seinem bereits gesponnenen Faden zupft.

Als reizvoll tordierter Rückenakt mit übereinandergeschlagenen Beinen und demonstrativem Befehlsgestus auf den in niedrigerer Sitzposition platzierten Helden schmiegt sich Herkules gegenüber in die Thronsesselrundung der hellhäutige Körper der gekrönten Omphale. Ihr linker Fuß ruht lasziv auf einem goldbetressten purpurnen Samtkissen. Augenfällig sind der verführerischen Macht des Weiblichen die traditionellen Attribute des Heros zugeordnet: So schmückt ihren goldbeschlagenen Löwenthron das Fell des Nemeischen Löwen, den Herkules als seine erste von 12 Heldentaten mit der Keule erschlagen hatte; diese liegt hinter der Königin am Boden, wo in formaler Entsprechung zu Amor auf der rechten Bildseite ein Äffchen angekettet ist. Als Sinnbild der Triebhaftigkeit schaut es sich zu Herkules um, um ihn mit einer Spindel in den Klauen nachzuäffen.

Im verschatteten Architekturhintergrund der auch farblich fein ausbalancierten Bilderzählung erscheinen in typisch manieristischer Weise formaler Staffelung und motivischer Doppelung vor tieffluchtenden Palastsäulen fünf Dienerinnen der Königin in bodenlangen Gewändern. Die ihr am nahesten stehende Begleiterin, nach manieristischem Schönheitsideal wie Omphale mit kleinem Kopf und überlängten Gliedmaßen, trägt ein unter der entblößten Brust gegürtetes weißes Gewand. Wie ihre Herrin ist sie durch die Lichtregie La Hyres besonders herausgestellt. Und sie weist wie die Königin mit demonstrativer Geste auf das ungewöhnliche Tun des verweichlichten Göttersohnes und damit das zentrale Bildthema aus dem Repertoire „Verkehrte Welt“: die Verführbarkeit und Relativität männlicher Macht und kraftvoller Überlegenheit durch die Liebe aus dem seit der frühen Neuzeit beliebten vielfältigen Themenkreis der sogenannten „Weibermacht“ oder „Weiberlist“. Er speiste sich aus der antiken Mythologie, dem Alten Testament und aus mittelalterlichen Legenden und stellte außer „Herkules und Ompale“ so bekannte Paare wie „Aristoteles und Phyllis“, „Judith und Holofernes“ oder „Samson und Delilah“ als warnende Bildbeispiele einander gegenüber.

Text: Annette Frese

Literatur:
G. Poensgen, Herkules und Omphale. Zu einem neu erworbenen Gemälde des Kurpfälzischen Museums, in: Bibliotheca docet. Festgabe Carl Wehmer, Amsterdam 1963, S. 303 - 310
J. Held, Die Weibermacht in der Kunst von der Neuzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 152, 1985, S. 45 - 56
P. Rosenberg und J. Thuillier, in: Laurent de La Hyre 1606 - 1656. Ausst. Kat. Musée des Beaux- Arts, Grenoble, Rennes, Bordeaux 1989 - 1990
B. Baumgärtel, in: Die Galerie der starken Frauen. Die Heldin in der französischen und italienischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Ausst. Kat. Kunstmuseum Düsseldorf, Hessisches Landesmuseum Darmstadt 1995 - 1996, S. 182 - 183
P. Rosenberg, in: Poussin, Lorrain, Watteau, Fragonard. Französische Meisterwerke des 17. u. 18. Jahrhunderts aus deutschen Sammlungen. Ausst. Kat. Galéries nationales du Grand Palais, Paris, Haus der Kunst, München, Kunst- und Ausstellungshalle der BRD, Bonn, 2005 - 2006, Nr. 66, S. 361

 

Laurent de La Hyre (Paris 1606 – 1656 Paris)
Herkules und Omphale, um 1626
Öl auf Leinwand, 150 x 214 cm
Inv. Nr. G 1974

Foto: Museum

 
 
siehe auch:

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