Seine ersten
Werke nach einer Ausbildung in Fontainebleau und im Atelier Georges
Lallemands zeichneten sich durch einen sehr individuellen eleganten
Malstil aus, bevor er sich Anfang der 40er Jahre des 17. Jahrhunderts
dem Klassizismus zuwandte, seine Gemälde strenger in der Komposition,
kühler in der Malweise, heller in der Farbpalette wurden und landschaftliche
Sujets einen größeren Raum einnahmen. 1648 gehörte La Hyre zu
den Gründungsmitgliedern der Académie royale de peinture et de
sculpture in Paris.
Gerade von
manieristischen Künstlern wurde das seit der Renaissance in der
Malerei populäre mythologische Thema “Herkules und Omphale“ häufig
behandelt und durch La Hyres bilddiagonale Komposition zweier
aufeinander bezogener Akte in übersteigerter Sinnlichkeit inszeniert.
Der griechische
Heros Herkules sitzt auf den Betrachter ausgerichtet, entspannt
zurückgelehnt mit geöffneten Beinen und einem Spinnrocken in der
Linken vor landschaftlichem Hintergrund in einer Palastvorhalle
der lydischen Königin Omphale gegenüber.
Der Sage nach
war er als Sklave für drei Jahre an ihren Hof verkauft worden,
um hier zur Sühne und Läuterung für seine Freveltaten, Mord und
Tempelraub, Frauenarbeiten zu verrichten. Zugleich von ihr gedemütigt
wie erotisch fasziniert musste der stärkste Mann Griechenlands
Omphale dazu in einem symbolischen Kleidertausch auch die Attribute
seiner männlichen Kraft, Löwenfell und Keule, überlassen und Frauengewänder
tragen. Diesen Aspekt hatte Mitte des 16. Jahrhunderts vor allem
Lucas Cranach in seiner künstlerischen Bearbeitung des antiken
Stoffes herausgestellt, während La Hyre die Blöße des dunklen
Inkarnats seines muskulösen Helden raffiniert unzulänglich nur
mit einer schmalen Stoffbahn bedeckt, während der geflügelte Liebesgott
Amor neben ihm spöttisch an seinem bereits gesponnenen Faden zupft.
Als reizvoll
tordierter Rückenakt mit übereinandergeschlagenen Beinen und demonstrativem
Befehlsgestus auf den in niedrigerer Sitzposition platzierten
Helden schmiegt sich Herkules gegenüber in die Thronsesselrundung
der hellhäutige Körper der gekrönten Omphale. Ihr linker Fuß ruht
lasziv auf einem goldbetressten purpurnen Samtkissen. Augenfällig
sind der verführerischen Macht des Weiblichen die traditionellen
Attribute des Heros zugeordnet: So schmückt ihren goldbeschlagenen
Löwenthron das Fell des Nemeischen Löwen, den Herkules als seine
erste von 12 Heldentaten mit der Keule erschlagen hatte; diese
liegt hinter der Königin am Boden, wo in formaler Entsprechung
zu Amor auf der rechten Bildseite ein Äffchen angekettet ist.
Als Sinnbild der Triebhaftigkeit schaut es sich zu Herkules um,
um ihn mit einer Spindel in den Klauen nachzuäffen.
Im verschatteten
Architekturhintergrund der auch farblich fein ausbalancierten
Bilderzählung erscheinen in typisch manieristischer Weise formaler
Staffelung und motivischer Doppelung vor tieffluchtenden Palastsäulen
fünf Dienerinnen der Königin in bodenlangen Gewändern. Die ihr
am nahesten stehende Begleiterin, nach manieristischem Schönheitsideal
wie Omphale mit kleinem Kopf und überlängten Gliedmaßen, trägt
ein unter der entblößten Brust gegürtetes weißes Gewand. Wie ihre
Herrin ist sie durch die Lichtregie La Hyres besonders herausgestellt.
Und sie weist wie die Königin mit demonstrativer Geste auf das
ungewöhnliche Tun des verweichlichten Göttersohnes und damit das
zentrale Bildthema aus dem Repertoire „Verkehrte Welt“: die Verführbarkeit
und Relativität männlicher Macht und kraftvoller Überlegenheit
durch die Liebe aus dem seit der frühen Neuzeit beliebten vielfältigen
Themenkreis der sogenannten „Weibermacht“ oder „Weiberlist“. Er
speiste sich aus der antiken Mythologie, dem Alten Testament und
aus mittelalterlichen Legenden und stellte außer „Herkules und
Ompale“ so bekannte Paare wie „Aristoteles und Phyllis“, „Judith
und Holofernes“ oder „Samson und Delilah“ als warnende Bildbeispiele
einander gegenüber.
Text:
Annette Frese
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