Adriaen
van der Werff, 1659 als Sohn eines wohlhabenden Müllers geboren,
erhielt seine entscheidende künstlerische Prägung durch Eglon Hendrik
van der Neer, in dessen Rotterdamer Werkstatt er 1671 - 1676 arbeitete.
Er erlernte die zu seiner Zeit hochgeschätzte Technik der porzellanhaften
Leidener Feinmalerei und begegnete den Themen und Motiven des
modernen bürgerlichen Genrestückes. Mit 17 Jahren siedelte er
als selbständiger Maler nach Rotterdam über und schuf zunächst
Porträts und kleinfigurige Genrebilder. 1687 heiratete er eine
Patriziertochter, kam zu Wohlstand und pflegte durch den sozialen
Aufstieg zunehmend Umgang mit den Notablen der Stadt. So konnte
er sich an ihren bedeutenden Gemäldesammlungen schulen, in denen
er der Kunst der Antike, der Renaissance und des französischen
und italienischen Barock begegnete, was bei ihm eine Stilentwicklung zur
französisch-klassizistischen Formensprache einleitete. Nach Studienreisen
nach Amsterdam und in die südlichen Niederlande arbeitete van
der Werff hochbezahlt für einen exklusiven Kreis von Kennern und
Sammlern, darunter den pfälzischen Kurfürsten Johann Wilhelm von
der Pfalz, der ihn zum Hofmaler machte und in einem "Salle van
der Werff" bezeichneten Saal seiner Gemäldesammlung im Galerieflügel
des Düsseldorfer Schlosses 22 Bilder des holländischen Meisters
ausstellte. Van der Werffs Arbeiten, die dem höfischen Geschmack seines
Auftraggebers huldigten, wurden außerordentlich hoch geschätzt
und dotiert. 1703 erhielt er den erblichen Adelstitel "Chevalier". Nach
dem Tode des Kurfürsten 1716 war van der Werff auf den freien
Verkauf seiner Bilder angewiesen. Sein Oeuvre spiegelt den Wandel
wider, den die holländische Kunst um die Jahrhundertwende vollzog.
Es umfasst zunächst vorherrschend tradierte bürgerliche Themenkreise,
moralisierende Genrebilder und Porträts, zunehmend mythologische Szenen
und seit 1697 höfische Bildnisse, Historien und biblische Darstellungen.
Noch zu seinen Lebzeiten wurde van der Werff in der "Groote Schouburgh",
dem 1719 erschienenen Buch des Kunstschriftstellers Arnold Houbraken über
niederländische Maler, als größter lebender Künstler Hollands
bezeichnet. Da seine Werke sehr gesucht waren, existieren zahlreiche
Kopien und Nachahmungen. In das Jahr 1687 fällt die Entstehung
des Bildes "Die Kunstschüler", von dem 15 Fassungen bekannt sind,
wozu auch das Gemälde im Kurpfälzischen Museum zählt, das als
Tugendallegorie auf Beruf und Ethos des Künstlers zu lesen ist. In
einem unbestimmbaren Idealraum erscheint eine Gruppe von Kindern
und Jugendlichen, von denen die im Vordergrund um ein Steinpostament versammelten
durch die emailhaft feine Malweise, die auffallende Farbigkeit,
ihre theaterhafte Kostümierung in atlasseidene Gewänder und ihr
ungewöhnliches Tun deutlich hervorgehoben sind. Auch das architektonische
Rundbogenmotiv, das sie überfängt und den sogenannten Fensterbildern
der Leidener Feinmalerei entliehen ist, unterstreicht den sinnbildhaften
Charakter der scheinbaren Genreszene: Der zur Schau gestellte
Kleiderluxus galt im calvinistischen Holland als Sinnbild trügerischen Scheins.
In der Emblemliteratur der Zeit wurde besonders der Federhut den
Narren und jugendlichen Nichtstuern zugeordnet. Als Attribut der
Faulheit galt die Schildkröte, die der Junge links in Händen hält,
der mit einer Brotkrume einen Finken aus dem geöffneten Vogelkäfig
des Mädchens neben ihm lockt. In der Genremalerei und Emblemliteratur
stand der Vogelbauer für das weibliche Geschlecht, der Vogel selbst
für die Jungfräulichkeit, der leere Käfig für den Verlust der
Unschuld. Begierde und Wollust bedeutet die den Vogel belauernde
Katze, die ein hinter dem Kinderpaar knieender Junge in seinen
Armen hält. Im Bildvordergrund rechts liegen Spielsteine als Beispiele
kindlicher Betätigung, mit der man im damaligen Verständnis seine
Zeit unnütz vertut. Das Efeu links, Attribut des Bacchus, verweist
auf die Wollust und gehört zum Bildkreis der Herme, zu Pan, dem
Begleiter des Weingottes, der auf die Kindergruppe hinabblickt.
Zu diesem Sujet gehört auch der flötenspielende Putto des Steinsockels, galt
doch die Flöte als Sexualsymbol. Unbeachtet von der auf ihr lasterhaftes
Tun konzentrierten Kindergruppe bleibt eine Mappe mit Zeichenblättern
und ein Statuenkopf, Attribute des angehenden Malers und Hinweise
auf seine grundlegenden Zeichenstudien, die im Hintergrund des
Bildes mit Fleiß von den anderen Jugendlichen betrieben werden.
Sie sind einfach und schlicht gekleidet und zeichnen sowohl nach der
Natur wie nach Gipsabgüssen. Einer dieser Kunstschüler hat sich
den müßiggängerischen drei Kindern des Vordergrundes genähert
und legt als Hinweis auf das Schweigen, das seit der Antike als
Zeichen von Weisheit, Tugend und Sittsamkeit galt, einen Finger
an seinen Mund. Über den kompositorisch und malerisch so eindeutig als
tugendhaft und tugendlos charakterisierten Protagonisten der Bilderzählung
erhebt sich auf hohem Sockel als gelehrte Staffage ein Skulpturenmonument,
in dem leitmotivisch der Gegensatz von Tugend und Laster noch
einmal angesprochen wird: Mit einer Keule erschlägt Herkules die
ihm zu Füßen liegende Invidia, Personifikation der Todsünde des
Neides. Mit dieser beliebten Allegorie der Barockzeit wurde der
Sieg des streitbaren Tugendhelden über die alte Feindin der Tugend
anschaulich gemacht. Zu der von Adriaen van der Werff programmatisch ausgesprochenen
Mahnung zu fleißigem Studium, zu Arbeit und Tugend und damit sittsamen Lebensführung
eines Kunststudenten und zukünftigen Künstlers lassen sich auch
in den zeitgenössischen kunsttheoretischen Schriften und den niederländischen
Malerviten der Zeit zahlreiche Entsprechungen finden. Annette
Frese
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