Kunstwerk des Monats
Mai 2007

Adriaen van der Werff ( 1659 - 1722 )
Die Kunstschüler, um 1700

 

Adriaen van der Werff, 1659 als Sohn eines wohlhabenden Müllers geboren, erhielt seine entscheidende künstlerische Prägung durch Eglon Hendrik van der Neer, in dessen Rotterdamer Werkstatt er 1671 - 1676 arbeitete. Er erlernte die zu seiner Zeit hochgeschätzte Technik der porzellanhaften Leidener Feinmalerei und begegnete den Themen und Motiven des modernen bürgerlichen Genrestückes. Mit 17 Jahren siedelte er als selbständiger Maler nach Rotterdam über und schuf zunächst Porträts und kleinfigurige Genrebilder. 1687 heiratete er eine Patriziertochter, kam zu Wohlstand und pflegte durch den sozialen Aufstieg zunehmend Umgang mit den Notablen der Stadt. So konnte er sich an ihren bedeutenden Gemäldesammlungen schulen, in denen er der Kunst der Antike, der Renaissance und des französischen und italienischen Barock begegnete, was bei ihm eine Stilentwicklung zur französisch-klassizistischen Formensprache einleitete. Nach Studienreisen nach Amsterdam und in die südlichen Niederlande arbeitete van der Werff hochbezahlt für einen exklusiven Kreis von Kennern und Sammlern, darunter den pfälzischen Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz, der ihn zum Hofmaler machte und in einem "Salle van der Werff" bezeichneten Saal seiner Gemäldesammlung im Galerieflügel des Düsseldorfer Schlosses 22 Bilder des holländischen Meisters ausstellte. Van der Werffs Arbeiten, die dem höfischen Geschmack seines Auftraggebers huldigten, wurden außerordentlich hoch geschätzt und dotiert. 1703 erhielt er den erblichen Adelstitel "Chevalier". Nach dem Tode des Kurfürsten 1716 war van der Werff auf den freien Verkauf seiner Bilder angewiesen.

Sein Oeuvre spiegelt den Wandel wider, den die holländische Kunst um die Jahrhundertwende vollzog. Es umfasst zunächst vorherrschend tradierte bürgerliche Themenkreise, moralisierende Genrebilder und Porträts, zunehmend mythologische Szenen und seit 1697 höfische Bildnisse, Historien und biblische Darstellungen. Noch zu seinen Lebzeiten wurde van der Werff in der "Groote Schouburgh", dem 1719 erschienenen Buch des Kunstschriftstellers Arnold Houbraken über niederländische Maler, als größter lebender Künstler Hollands bezeichnet. Da seine Werke sehr gesucht waren, existieren zahlreiche Kopien und Nachahmungen.

In das Jahr 1687 fällt die Entstehung des Bildes "Die Kunstschüler", von dem 15 Fassungen bekannt sind, wozu auch das Gemälde im Kurpfälzischen Museum zählt, das als Tugendallegorie auf Beruf und Ethos des Künstlers zu lesen ist. In einem unbestimmbaren Idealraum erscheint eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen, von denen die im Vordergrund um ein Steinpostament versammelten durch die emailhaft feine Malweise, die auffallende Farbigkeit, ihre theaterhafte Kostümierung in atlasseidene Gewänder und ihr ungewöhnliches Tun deutlich hervorgehoben sind. Auch das architektonische Rundbogenmotiv, das sie überfängt und den sogenannten Fensterbildern der Leidener Feinmalerei entliehen ist, unterstreicht den sinnbildhaften Charakter der scheinbaren Genreszene:

Der zur Schau gestellte Kleiderluxus galt im calvinistischen Holland als Sinnbild trügerischen Scheins. In der Emblemliteratur der Zeit wurde besonders der Federhut den Narren und jugendlichen Nichtstuern zugeordnet. Als Attribut der Faulheit galt die Schildkröte, die der Junge links in Händen hält, der mit einer Brotkrume einen Finken aus dem geöffneten Vogelkäfig des Mädchens neben ihm lockt. In der Genremalerei und Emblemliteratur stand der Vogelbauer für das weibliche Geschlecht, der Vogel selbst für die Jungfräulichkeit, der leere Käfig für den Verlust der Unschuld. Begierde und Wollust bedeutet die den Vogel belauernde Katze, die ein hinter dem Kinderpaar knieender Junge in seinen Armen hält. Im Bildvordergrund rechts liegen Spielsteine als Beispiele kindlicher Betätigung, mit der man im damaligen Verständnis seine Zeit unnütz vertut. Das Efeu links, Attribut des Bacchus, verweist auf die Wollust und gehört zum Bildkreis der Herme, zu Pan, dem Begleiter des Weingottes, der auf die Kindergruppe hinabblickt. Zu diesem Sujet gehört auch der flötenspielende Putto des Steinsockels, galt doch die Flöte als Sexualsymbol.

Unbeachtet von der auf ihr lasterhaftes Tun konzentrierten Kindergruppe bleibt eine Mappe mit Zeichenblättern und ein Statuenkopf, Attribute des angehenden Malers und Hinweise auf seine grundlegenden Zeichenstudien, die im Hintergrund des Bildes mit Fleiß von den anderen Jugendlichen betrieben werden. Sie sind einfach und schlicht gekleidet und zeichnen sowohl nach der Natur wie nach Gipsabgüssen. Einer dieser Kunstschüler hat sich den müßiggängerischen drei Kindern des Vordergrundes genähert und legt als Hinweis auf das Schweigen, das seit der Antike als Zeichen von Weisheit, Tugend und Sittsamkeit galt, einen Finger an seinen Mund. Über den kompositorisch und malerisch so eindeutig als tugendhaft und tugendlos charakterisierten Protagonisten der Bilderzählung erhebt sich auf hohem Sockel als gelehrte Staffage ein Skulpturenmonument, in dem leitmotivisch der Gegensatz von Tugend und Laster noch einmal angesprochen wird: Mit einer Keule erschlägt Herkules die ihm zu Füßen liegende Invidia, Personifikation der Todsünde des Neides. Mit dieser beliebten Allegorie der Barockzeit wurde der Sieg des streitbaren Tugendhelden über die alte Feindin der Tugend anschaulich gemacht.

Zu der von Adriaen van der Werff programmatisch ausgesprochenen Mahnung zu fleißigem Studium, zu Arbeit und Tugend und damit sittsamen Lebensführung eines Kunststudenten und zukünftigen Künstlers lassen sich auch in den zeitgenössischen kunsttheoretischen Schriften und den niederländischen Malerviten der Zeit zahlreiche Entsprechungen finden.

Annette Frese

Literatur:
B. Knüttel, Spielende Kinder vor einer Herkulesgruppe. Zu einer Tugendallegorie von A. v. d. Werff, in: Oud Holland 81, 1966, S. 245 ff
J. Becker, „Dieses emblematische Stück stellet die Erziehung der Jugend vor“. Zu A. v. d. Werff. München, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 250, in: Oud Holland 90, 1976, S. 77 ff.
B. Gaehtgens, Adriaen van der Werff 1659 – 1722. München 1987

 

Adriaen van der Werff ( 1659 - 1722 )
Die Kunstschüler, um 1700
Öl auf Holz, Inv. Nr. L 45
Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland

 
 
siehe auch:

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