Geheim, unsagbar, verboten... – Mysterienkulte
der Antike
Die seit dem 7./6. Jh. v. Chr. in der griechischen, später
auch in der römischen Welt verbreiteten Mysterien setzten
eine rituelle Einweihung (griech. my.sis, lat. initiatio) voraus.
Deren geheime Riten unterlagen einem strengen Schweigegebot.
Vermutlich bestand die Zeremonie aus einer dramatisch inszenierten
Erscheinung göttlicher Geheimnisse oder der Gottheit selbst.
Das Einweihungserlebnis bewirkte einen Persönlichkeitswandel
des Mysterienanwärters. Er wurde zum Mysten (Eingeweihten)
und besaß nun Anteil an „Rettung“ und „Heil".
Nach antiker Vorstellung bedeutete dies Wohlergehen und Gluck
im diesseitigen Leben. Auch für das Jenseits gab es eine
positive Vision: das selige Dasein nach dem Tode.
Bild: Statuette des Dionysos/Bacchus. Pompeji. 1. Jh. n.
Chr. Archäologisches Nationalmuseum Neapel.
Die wichtigsten Mysterienkulte der Antike waren zum einen
der Kult der Korn- und Erdgöttin Demeter von Eleusis/Griechenland,
zum anderen der Kult des Dionysos-Bacchus, des Gottes des Weins
und der rauschhaften Ekstase. Eine Untergruppe innerhalb der
Dionysosmysterien waren die Orphiker, die Anhänger des
mythischen Sängers Orpheus.
Die sog. orientalischen Religionen und Kulte
Der belgische Religionshistoriker Franz Cumont (1868-1947)
veröffentlichte ab 1906 seine Theorie der „orientalischen
Religionen". Damit bezeichnete er eine Gruppe von Kulten
bzw. Göttern, deren Herkunft im Osten des Imperium Romanum
zu lokalisieren sei „ in Persien, Ägypten, Kleinasien
und Syrien. Zu diesen zahlte er auch Mithras, Isis, Mater Magna/Kybele
und Jupiter Dolichenus.
Cumonts Konzept umfasste ein Evolutionsmodell der Religionen.
Diese entwickelten sich seiner Ansicht nach von der geistig
und moralisch nieder- zur höherstehenden Glaubensform.
Hier bildeten die „orientalischen Religionen“ ein Übergangsstadium
zwischen dem paganen ("heidnischen") römischen
Polytheismus und dem End- und Höhepunkt der Entwicklung:
dem monotheistischen Christentum.
Die Arbeiten Cumonts prägen die Altertumswissenschaft
bis in die Gegenwart. Allerdings hat die heutige Forschung
seine wissenschaftlichen Ergebnisse vollständig demontiert.
Denn sie sind, z. B. in Bezug auf die eher negative Bewertung
des „Orients“ oder die positive Uberhöhung
des Christentums, von ideologischen Perspektiven des frühen
20. Jahrhunderts beeinflusst.
Bild: "Mitmachdeckel" in der Ausstellung (geöffnet). Sie
sind mit einem Fragezeichen bezeichnet, Besucher können sie
öffnen
und eine
konkrete Erfahrung mit nach Hause nehmen. Was verbirgt sich
hier hinter diesem Türchen?
Neue Forschungsansatze zu Isis, Mithras & Co
Die aktuelle Forschung betrachtet die sog. orientalischen
Kulte nicht „ wie Cumont „ als einheitliche Gruppierung,
sondern als Einzelphänomene.
Im Brennpunkt des Interesses steht die Problematik des östlichen
Ursprungs einer Gottheit bzw. eines Kultes. Kamen sie wirklich
von dort? Wie entscheidend wurden sie im römischen Kulturkreis
geprägt? Wie gestaltete sich ihre Ausbreitung im Imperium
Romanum? Welche Umformung erlebten dabei Gottesvorstellung
und Kultinhalte? Geben die bildgewaltigen Monumente und ihre
oft exotisch wirkenden Götterdarstellungen diesbezüglich
Auskunft?
Von zentraler Bedeutung ist auch die Frage, worin die Attraktivität
dieser Kulte bestand. Waren es die Kultrituale, welche ihre
Faszination ausmachten? Auf das Kultgeschehen sowie auf das
Aussehen der Heiligtümer werfen die archäologischen
Entdeckungen der letzten Jahrzehnte ein neues Licht. Außerdem
rücken die Anhänger der Götter und die Kultgemeinschaften
ins Blickfeld der Wissenschaft.
Die Ausstellung zeigt anhand dieser Themen, warum sich die
Menschen im Römischen Reich den Kulten von Mithras, Isis,
Mater Magna/Kybele oder Jupiter Dolichenus zuwandten.