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28. November 2004 -17. April 2005 |
Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim | D5
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Die Stadt Pompeji
Als Pompeji im Jahre 79 n. Chr. vernichtet wurde, begruben Lapilli-
und Ascheschichten eine blühende Provinzstadt, die etwa 20 000
Einwohner gehabt haben dürfte, und die bei ihrem Untergang bereits
auf eine Jahrhunderte alte Vergangenheit zurückblickte. Über ihren
Ursprung weiß Strabo in seiner Erdbeschreibung V, 4, 8 zu berichten,
dass ursprünglich die Osker die Stadt bewohnten, dann die Tyrrhener
sowie die Pelasger und darauf die Samniten. Unter den Oskern darf
man die älteste einheimische Bevölkerung verstehen, die Tyrrhener
sind die Etrusker und die Pelasger in diesem Falle die Griechen.
Ab dem 5. Jh. v. Chr. wurde Pompeji dann von den Samniten, einer
Bevölkerung aus dem Landesinneren, besetzt, die nun auch das Stadtregiment
übernahmen. Nach der samnitischen Niederlage gegen Rom 290 v.
Chr. wurde Pompeji als "verbündete Stadt" dem römischen Herrschaftsbereich
angeschlossen. Es begann der zwei Jahrhunderte währende Prozess
der Romanisierung. 80 v. Chr., nach dem Ende des Bürgerkrieges
zwischen Marius und Sulla, wurden in der Stadt römische Veteranen
angesiedelt. Pompeji wurde zu einer römischen colonia. Überliefert
ist uns aus dem Leben der Stadt nur ein Ereignis: Im Jahre 59
n. Chr., unter der Herrschaft Neros, kommt es im Amphitheater
während einer Darbietung von Gladiatorenkämpfen zu einer blutigen
Auseinandersetzung mit zahlreichen Toten zwischen Pompejanern
und Zuschauern aus Nuceria. Auf Anweisung Roms wird daraufhin
der Stadt für 10 Jahre das Abhalten von Gladiatorenspielen verboten.
Eine harte Strafe, die allerdings schon drei Jahre später wieder
aufgehoben wurde.
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Im Jahre 62
n. Chr. wurde Kampanien von einem furchtbaren Erdbeben heimgesucht,
das neben Pompeji auch Herculaneum und Nuceria verwüstete. In Pompeji
waren die Schäden noch nicht vollständig beseitigt, als die Stadt
79 n. Chr. endgültig vernichtet wurde.
Über den Vesuvsausbruch sind wir durch zwei Briefe von Plinius dem
Jüngeren an den Historiker Tacitus gut unterrichtet. Weitere Detailbeobachtungen
zum Hergang der Katastrophe, die angeblich der Explosion von 100
000 Atombomben vom Typ Hiroshima entsprach, lieferte die moderne
vulkanologische Forschung, deren Ergebnisse in der Ausstellung dargestellt
werden.
Einem Teil der Bevölkerung Pompejis muss noch die Flucht gelungen
sein. Diejenigen aber, die sich zu spät dazu entschlossen oder aber
glaubten, in den Gebäuden besser geschützt zu sein, kamen durch
die giftigen Gase und die Hitze der ersten Glutwolken ums Leben
oder wurden durch das zusammenstürzende Mauerwerk der Gebäude erschlagen.
Geborgen wurden im Stadtgebiet Pompejis und seiner unmittelbaren
Umgebung bisher die Reste von über 1000 Opfern.
Gegen Mittag des 24. August 79 n. Chr. setzte die Katastrophe ein,
am nächsten Morgen hatte die Stadt aufgehört zu existieren. Ihre
Überreste, soweit sie die Erdstöße und die Gewalt der zerstörerischen
Glutwolken überstanden, waren nun von einer meterdicken Lapilli-
und Ascheschicht bedeckt.
Gezielte Grabungen, die zunächst sehr summarisch betrieben wurden
und die vornehmlich dem Auffinden von Kunstwerken galten, setzten
1748 in Pompeji ein und wurden, begleitet von einer immer weiter
sich verfeinernden Methodik, bis auf den heutigen Tag mit wechselnder
Intensität fortgesetzt. So wurden inzwischen gut zwei Drittel der
antiken Stadt wieder freigelegt.
Im Vordergrund der denkmalpflegerischen Aktivitäten der Soprintendenz
von Pompeji, also der obersten Denkmalbehörde, stehen gegenwärtig
keine neuen Grabungsvorhaben. Vielmehr geht es um die Restaurierung
und Konservierung alles dessen, was in 250 Jahren an antiker Bausubstanz
bereits freigelegt wurde.
Bemerkenswerte Aufschlüsse haben uns die Grabungen über die Gesamtanlage
einer römischen Kleinstadt geliefert und die Funktion ihrer einzelnen
Bereiche: Über die Anlage der Stadtbefestigung, das Aussehen der
öffentlichen und privaten Bauten und deren Einbindung in ein rechtwinkliges
Straßennetz, das sich über die gesamte Ausdehnung der Stadt erstreckt.
Die parallelen Straßenzüge begrenzen die kleinsten Grundstückseinheiten,
die sogenannten Insulae. Modernen Ursprungs ist dagegen die Aufteilung
der Stadt in neun Regionen, die in Verbindung mit den durchnummerierten
Insulae die Grundlage für die genaue Lagezuweisung der einzelnen
Bauwerke im Stadtareal bildet. Das Haus mit der Adresse IX, 13,
1-3 liegt also in Region IX, Insula 13 und hat dort die "Hausnummer"
1-3.
Von besonderem Interesse in Pompeji war für die Besucher wie für
die Archäologen stets die Privathausarchitektur, wobei die Anzahl
der auf uns gekommenen Privathäuser je nach Zählmodus zwischen etwa
400 und 800 Einheiten schwankt. Die Villen in der Stadt können,
abhängig von den Vermögensverhältnissen der Besitzer, von ganz unterschiedlicher
Größe sein. Eher unscheinbar sind oftmals die Häuserfronten, die
zur Straße hin sogar Geschäften, Handwerksbetrieben und Garküchen
Raum boten. Erst beim Betreten der Häuser entfalteten diese ihren
ganzen Prunk. Zu ihren Charakteristika gehören folgende Raumelemente:
das Atrium, der Eingangsbereich mit offenem Dach und einem Wasserauffangbecken
darunter; das Tablinum, ein Übergangsbereich zwischen dem Atrium
und dem Peristyl; das Peristyl, ein offener Raum, der oft als Garten
genutzt wurde, und von einem Portikus, einem Säulengang, umgeben
war. Dazu kamen Triklinien, Speisezimmer, und Cubicula, Schlafzimmer,
die freilich in verschiedener Größe und Anzahl und mit ganz unterschiedlichem
Luxus ausgeführt werden können. Bei großen Villen kommt es durchaus
auch zu einer Wiederholung der verschiedenen Raumformen. Einfarbige
und bunte Mosaike, zum Teil von ganz außerordentlicher Qualität,
belebten die Fußböden der einzelnen Räume.
Von ganz besonderer Bedeutung für die Kenntnis der antiken Malerei
ist die Freskomalerei, die die Wände der Häuser schmückte, und die
uns eine Entwicklung dieses Genres über einen Zeitraum von mehr
als 200 Jahren vor Augen führt. Die einzelnen Dekorstile werden
in vier Stilstufen eingeteilt:
Erster Stil: 3. Jh. v. Chr. bis 80 v. Chr.
Zweiter Stil: 80 v. Chr. bis etwa 20 v. Chr.
Dritter Stil: etwa 20 v. Chr. bis Mitte des 1. Jh.s n. Chr.
Vierter Stil: etwa Mitte des 1. Jh.s n. Chr. bis 79 n. Chr.
Die in der Ausstellung gezeigten Fresken gehören durchweg dem Zweiten
und Dritten Stil an.
Das Studium der pompejanischen Privathäuser, ihrer Inneneinrichtung
und Gärten ermöglicht uns wichtige Aussagen über die Wohnkultur
in der Provinz und darüber hinaus gibt es uns interessante Hinweise
auf das kulturelle Selbstverständnis ihrer Erbauer und Besitzer.
Ein Aspekt, der gerade in den letzten Jahren immer mehr betont wurde.
© Text: REM
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