Wernher von Braun - Lebenslauf
Der Opportunist in den Diensten des dritten Reiches -
Im Strudel der Kriegswirtschaft (1939-1942)

Die Konstrukteure unter Druck

Bis zum Kriegsausbruch im September 1939 hatte das Raketenforschungszentrum im Prinzip eine Blanko-Vollmacht für alle möglichen Projekte, allerdings änderte sich diese angenehme Situation unter dem Zwang, "gewaltige Ressourcen für den Eroberungsfeldzug bereitzustellen" (Weyer 1999, S. 37). Teuere Projekte wie die A-4-Rakete gerieten nunmehr unter Rechtfertigungsdruck. Um die Situation, in die das Raketenteam in den Jahren 1939 und 1940 geriet, richtig verstehen zu können, muss man das Verhalten Dornbergers betrachten: bereits 1937 zielten seine Planungen vorrangig auf die Serienproduktion einer einsatztauglichen Kriegsrakete.

Im Januar 1939 entstand daher eine Unterabteilung im HWA, die für die Fertigstellung einer Raketenfabrik in Peenemünde bis 1943 zuständig war, die jährlich 1500 A 4 und 500 A 10 schaffen sollte. Jedoch war die Gesamtsituation nicht in Dornbergers Sinn, denn es mangelte an Arbeitskräften und Materialien.

Hitlers Besuch

Aus diesem Grund wurde für den 23. März 1939 ein Besuch Hitlers arrangiert, der Hitler einen Einblick in das Raketenprojekt geben sollte und ihn von der Arbeit der Peenemünder überzeugen sollte. Aber Hitler konnte sich nicht begeistern; von Braun sagte dazu: "Ich hatte den Eindruck, dass Hitler von unserem "A 5", auf das wir so stolz waren, überhaupt nichts hielt" (Zitiert ebd. S. 105). Von Braun hatte allerdings durch seinen Vortrag erreicht, dass die Arbeiten in Peenemünde unbehindert weiterlaufen konnten, da er auf Hitlers Frage nach der Nutzlast der A 5-Rakete geschickt antwortete: "Das "A 5" ist nur eine Forschungsrakete. Sie kann keine nennenswerte Nutzlast tragen. [...] Aber alle Experimente, die wir mit diesem Typ in Peenemünde gemacht haben, zeigen sehr deutlich, dass größere Raketen für militärische Zwecke gebaut werden können"(Zitiert bei Ruland, S. 106).

Bewusste Kooperation mit Nazis

Selbstverständlich wusste von Braun, "dass er seine Arbeit nur fortsetzen konnte, wenn er mit dem Nazi-Regime kooperierte und Kriegsraketen baute" (Weyer 1999, S. 41). Von Braun und seine Mitarbeiter waren also gänzlich auf die Unterstützung des Regimes angewiesen, welche es zu sichern galt: die Entwicklung einer kriegstauglichen Rakete musste erheblich beschleunigt werden und die Fertigung in Gang gesetzt werden. "Das Raketenteam hatte sich, angeführt von Dornberger, in eine Situation manövriert, die immer auswegloser wurde, je länger der Krieg dauerte. Man erfüllte seine Pflicht und dachte über die Folgen nicht weiter nach" (Weyer 1999, S. 41).

Die Auswirkungen des Kriegsbeginns schlugen sich zwar auch in Peenemünde nieder, jedoch gelang es Peenemünde, diese Zeit zu einem Ausbau seiner Kapazitäten zu nutzen. In diesem Kontext stieg der Personalstand von 400 Mitarbeitern (1938) auf 1200 (1939) und 3500 (Ende 1941). Man kann also nicht von einer Vernachlässigung oder drohenden Schließung sprechen.

Ein Führerbefehl bestätigte im Februar 1941 nochmals, dass die Entwicklungsarbeiten von höchster Priorität waren und daher umfassend gefördert wurden. Was Hitler allerdings nicht tolerieren konnte, war der stockende Nachschub an die Front. Aus diesem Grund ernannte der Führer im März 1940 Fritz Todt zum Rüstungsminister, mit der Aufgabe, die Engpässe in der Waffenproduktion zu beseitigen.

Von Braun war ständig der Leidtragende, da Dornberger immer wieder neue Versprechungen machte, ohne die alten eingelöst zu haben.

Von Braun beim "Führer"

Am 20. August 1941 besuchten Dornberger und von Braun im Rahmen eines Vortrages das Führerhauptquartier; Hitler reagierte hier positiver, da Dornberge "offenbar mit dem Konzept einer Terrorwaffe gegen Großbritannien die empfindliche Stelle seines Kriegsherrn getroffen [hatte]" (Weyer 1999, S. 44). Folglich verlieh Hitler mit einem Befehl vom 15. September 1941 "sowohl der Entwicklung der A-4-Rakete als auch der Serienfertigung die höchste Dringlichkeitsstufe" (Weyer 1999, S. 45).

Hoffen auf Wunderwaffe

Die Bedingungen für die Raketenforscher waren nun optimal, aber es waren noch viele technische Probleme zu lösen. Weiterhin war eine nicht atomar bestückte Kurzstreckenrakete militärisch wertlos. Dornberger hätte dies wissen müssen, aber dazu war er in seiner Euphorie nicht in der Lage. Sein Ziel war die rasche Fertigstellung einer Kriegsrakete, während sich von Braun hingegen oft anmerken lies, dass er primär an der Forschungs- und Entwicklungsarbeit interessiert war. Aufgrund des enormen Drucks, der auf Dornberger lastete, musste er auf die rasche Fertigstellung und Erfüllung seiner überoptimistischen Versprechungen drängen. Trotz der starken Fortschritte, die das Raketenteam machte, zog Dornberger die Zügel noch straffer und "befahl die Konzentration aller Arbeiten auf die A-4-Rakete mit dem Ziel, den ersten Start Anfang 1942 durchzuführen" (Weyer 1999, S. 48).

Mit dem Führerbefehl vom September 1941 zur Vorbereitung der Serienproduktion und der Disziplinierung von Brauns durch Dornberger war der Weg vorgezeichnet, den das Raketenprojekt in den nächsten Jahren beschreiten sollte.

Massenproduktion

Das Ziel war nunmehr die Massenherstellung einer funktionsfähigen Kriegsrakete und nicht mehr die Grundlagenforschung im Bereich von Flüssigkeitsraketen. Das Projekt hatte zudem die volle Unterstützung des Nazi-Regimes, brauchte also Irritationen wie in den Jahren zuvor nicht mehr befürchten (Weyer 1999, S. 49). Die Produktionszahlen wurden so hoch angesetzt, dass weitere Raketenfabriken geplant wurden. Auch wurde das Rüstungsministerium verstärkt, da Albert Speer, Nachfolger von Todt, dessen Konzept der Reorganisation der Rüstungswirtschaft noch energischer fortsetzte. Am 22. November 1942 erhielt Speer von Hitler die Genehmigung zur Massenproduktion der A 4, die nach wie vor militärisch wertlos war und deren Serienproduktion verfrüht gestartet wurde, was viele Komplikationen zur Folge hatte.

Albert Speer übernahm die Vorbereitung zur Serienproduktion der A-4-Rakete und modifizierte die Organisation des Raketenprojekts. So entstand im Dezember 1942 der "Sonderausschuss A 4", der von Degenkolb geleitet wurde. Zu von Brauns Bedauern wurde das Raketenteam stark in die A-4-Produktion einbezogen und von Braun war Leiter des Unterausschusses für die Endabnahme der A 4 geworden.

Beitritt zur SS

Unrealistische Produktionspläne brachten von Braun immer wieder in Bedrängnis. Auch kam es daraufhin in Peenemünde zur Rebellion; von Braun und Dornberger hatten große Mühe, ihre Mitarbeiter zum Bleiben zu bewegen. Aber das war nicht das einzige Problem: Das ständige Werben für das Raketenprojekt machte Heinrich Himmler, den Chef der SS, aufmerksam. Die SS hatte in den letzten Kriegsjahren ohnehin einen großen Einfluss, da sie über billige Arbeitskräfte – in Form von KZ Häftlingen – verfügte. Und von nun an musste von Braun feststellen, dass ihm die Fäden mehr und mehr aus der Hand genommen wurden. "Allerdings war die Trennlinie zwischen Peenemünde und der Terrororganisation SS ohnehin immer unschärfer geworden. Einige Peenemünder waren nicht nur NSDAP-, sondern auch SS-Mitglied. Von Braun, seit 1937 Parteimitglied, war am 1. Mai 1940 –offenbar unter Druck- der SS beigetreten und danach mehrfach befördert worden" (Weyer 1999, S. 52).

Produktion mit Häftlingen

Allerdings war die Annäherung der SS für Peenemünde von daher positiv zu bewerten, dass sie eben über große Mengen an Arbeitskräften verfügte, die man zur Raketenproduktion zweifellos brauchte. Bereits Anfang 1942 hatte das HWA den Einsatz von KZ Häftlingen erwogen und am 16. April 1943 regte Arthur Rudolph, der Chefingenieur in Peenemünde, an, dass die Serienfertigung mit "Häftlingen durchgeführt werden" (Arthur Rudolph, Aktennotiz 16.4.1943) kann. "Die Initiative für den Häftlingseinsatz ging also vom Raketenteam und nicht [...] von der SS bzw. von Hitler aus" (Weyer 1999, S. 53). Am 2. Juni 1943 beantragte Rudolph 1400 Häftlinge.

"Die Lebens- und Arbeitsbedingungen unterschieden sich nicht von denen anderer Konzentrationslager. Die Menschen wurden wie Vieh behandelt und schlecht ernährt, mussten aber dennoch hart arbeiten. Da für sie keine Wohnbaracken existierten, schliefen sie in der Fertigungshalle. Seit Juni 1943 existierte also in Peenemünde ein KZ" (Weyer 1999, S. 53/54).

Die SS übernahm, völlig ungeniert, das Raketenprogramm; und die Peenemünder saßen in der Falle, denn sie waren aufgrund des Mangels an Arbeitskräften von der SS abhängig.

Von Brauns Ernennung zum Professor

Am 8. Juli 1943 trafen von Braun und Dornberger auf ihren obersten Kriegsherrn und präsentierten diesem den erfolgreichen Erststart der A 4 im Oktober 1942. Hitler war von einer Faszination besessen, "mit einem Schlag doch noch eine Wende des Krieges herbeizuführen" (Weyer 1999, S. 54). Zudem erhielt von Braun bei dieser Gelegenheit seine Ernennung zum Professor. Im Juli 1943 hatte man die Vorbereitungen der Serienfertigung in Peenemünde abgeschlossen.


Himmler in Peenemünde


Todt in Peenemünde


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