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"composition no. 62 (Tucana)"
Quelle:
http://magazin.klassik.com/konzerte/reviews.cfm?task=review&PID=1751
Ausgabe vom 05.05.2008
Shamba
Geheimnisvolle Gartenräume
Kritik von Michael Pitz-Grewenig
Dass Garten nicht gleich Garten ist und das Garten mehr ist, als das, was uns in den Hochglanzprospekten diverser Bauhäuser vermittelt werden soll, enthüllte die spannende Installation ‘Shamba – Geheimnisvolle Gartenräume’ im japanischen Garten der Technischen Akademie Bremen (TAB), wobei der Schwerpunkt auf einem interaktiven Spiel zwischen virtuellen und realen Welten lag. Kreative Zusammenarbeit von Kunst und Wissenschaft ‘Shamba’ demonstrierte eine fruchtbare und spannende Zusammenarbeit von Künstlern und Wissenschaftlern. Es waren theoretisch arbeitende und analytisch orientierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen genauso beteiligt, wie konstruktiv vorgehende Ingenieure und Künstler, Informatiker, Psychologen, bildende Künstler, Musiker, Schauspieler, Filmexperten. ‘Heteroptopie mit widersprüchlichen Platzierungen’.
Der Begriff ‘Shamba’ entstammt dem Kisuaheli und bedeutet schlicht eben ‘Garten’, dieser soll als Grenzraum von Kunst und Wissenschaft wahrgenommen werden. Einen philosophischen Ansatzpunkt der Installation dürfte das Verständnis von Michael Foucault bieten. Dieser Begriff unter Garten die wahrscheinlich ursprünglichste ‘Heteroptopie mit widersprüchlichen Platzierungen’. Ein Blick in so manche deutsche Gärten mag als Bestätigung für diese Einschätzung genügen.
Doch zurück zur ernsthaften Betrachtung. Musik und bildende Kunst - Rahmen für eine faszinierende Installation Die Installation im japanischen Garten wurde durch zwei Pole markiert; der eine – die Musik – veränderlich in der Zeit, vergehend; der andre – das Bildhauerische – statisch in der Zeit und im Raum verharrend, präsentiert. Auf der einen Seite ein Objekt der Künstlerin Eva Koethens, das einen ‘aufgeklappter Raum’ darstellte: Ein Objekt, bestehend aus einem kaum bearbeiteten Baumstamm, umgeben von fein ausgemalten, gestalteten Farbelementen. Auf der anderen Seite die Musiker der Bremer Kammerphilharmonie, die für eine überzeugende Uraufführung der ‘composition no. 62 (Tucana)’ von Erwin Koch-Raphael sorgten. Ein Werk, das im übertragenen Sinne durch seine fein ziselierten Klänge ins Innere der Zuhörer zielte und gewissermaßen die Wahrnehmung für das kommende an diesem Abend justierte. Kern dieses Oktetts ist eine ‘naturbelassene’ Weise eines schottischen Liebesliedes von Tannahill, aus der aber immer wieder neues Material gewonnen wird und abstrakte Bewegungs- und Klangelemente resultieren.
Die Instrumentalisten der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen sorgten für eine überzeugende Interpretation. Wer das Werk dieses interessanten Komponisten kennt, konnte bemerken, dass er hier einen neuen Weg eingeschlagen hat. Er hat das in einem kleinen Interview am Rand wie folgt umschrieben: ‘Es war dann nicht so, dass ich jeden Augenblick auf freie Einfälle wartete, sondern wählte Wege, Pfade, die ich in meiner Musik jeweils gehen wollte. Grundelemente wie Klänge, Rhythmen, Abschnittsfolgen und Maße waren schon da, aber der Weg durch sie und um sie herum lag jeden Tag neu offen vor mir....’.
Die übrigen Objekte und Geschehnisse, die zu sehen und zu hören waren, spannten sich dann zwischen diesen beiden Polen im Garten und in der Zeit der 2 Stunden auf, wurden nach der Idee des Gartens eigens entwickelt. Das Besondere der gesamten Installation war darüber hinaus, dass professionelle Künstler zusammen mit Studierenden ein vielfältiges Event erarbeitet haben. Das mag auch die qualitativen Brüche, die es einfach gab, erklären. Neben der schon erwähnten Arbeiten erscheint mir noch die Tanzperformance (‘shambaSchwarm’ mit Katharina Reif vom Tanzwerk Bremen (Choreographie, Harry Seelig vom Tanzwerk Bremen) besonders erwähnenswert. Hier wurden in einem Cyperspace Interaktionen zwischen algorithmischen Zeichen, die mittels Laser auf den Boden projiziert wurden, und tänzerischen Aktionen interaktive Verhaltensmuster an der Schnittstelle Mensch und Maschine eindrucksvoll visuell realisiert.
Abstriche mussten hinsichtlich der gewählten Klänge gemacht werden. Man hätte sich hier zu den subtilen Bewegungen eine ebensolche Musik gewünscht und nicht stereotype Klänge aus der Retorte. Dr. Bernd Robben, der diese Installation möglich machte, führte die verschiedensten Fachbereiche zu einer interdisziplinären Gruppe im ‘artecLab’ (Laboratory for Art, Work an Technology) zusammen. Es geht ihm darum, Veränderungen im alltäglichen Lebensraum durch das Eindringen der Medien- und Informationstechnologie aufzuzeigen und diese Veränderungen sinnlich erfahrbar zu machen. Das solche Herangehensweisen außerhalb der üblichen Studienordnung im Rahmen der derzeitigen Veränderungsprozesse immer schwieriger werden, ist ihm wohl bewusst: ‘Mit der Arbeit am Projekt ‘shamba’ gelang es uns, auch in Zeiten, in denen an etlichen Stellen im Rahmen der neuen Bachelor- und Master-Studiengänge ein Geist der Verschulung und Bürokratisierung der Lehre an den Hochschulen Einzug hält, Freiräume für kreative Projekte im Rahmen der Lehre nicht nur zu halten, sondern sogar neu zu schaffen.’
Man kann nicht alles beschreiben, was an diesem Abend zu sehen war. Neben den schon erwähnten Arbeiten gab es noch: shamba 2.0: Manipuliertes virtuelles Pflanzenwachstum nach den Tönen der Musik, Laboratory for Art, Work and Technology (artecLab) der Universität Bremen, shambaDada: Interaktive Installationen, die der Pionier der Computerkunst Prof. Dr. Frieder Nake mit seinen Studierenden der Hochschule für Künste präsentiert, shambaKino: Begegnungen mit künstlerischen Stummfilmen von Man Ray, die den Raum des Künstlichen und Natürlichen erforschen (Kino 46) und shambaShak: inszenierende Gartengeschichten mit dem Schauspieler Sandro Costantini (bremer shakespeare company).
Bleibt zu hoffen, dass dieses Event noch einmal wiederholt wird.
Kritik von:
Michael Pitz-Grewenig
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