Kapitel 34: Neurogenetik

34.3.2.1 Ein Spielfeld für Neurogenetiker: das Komplexauge von Drosophila

Ein adultes Komplexauge besteht aus ca. 800 regelmäßig angeordneten, hexagonalen Einheiten, die man als Ommatidien bezeichnet (Abb. 34-20). Jede genetisch verursachte Störung im Bau eines Ommatidiums wird somit vielfach wiederholt und ist deshalb leicht sichtbar. Nur so ist die immense Zahl von isolierten Augenmutanten bei Drosophila erklärbar. Hilfreich ist zudem, daß adulte Drosophila-Fliegen unter Laborbedingungen ohne Komplexaugen lebensfähig sind, was die schrittweise Zerlegung des Systems erleichtert hat. Ein Ommatidium besteht aus 20 Zellen, wobei acht Photorezeptoren (Retinulazelle R1-R8) für die Verarbeitung der visuellen Information verantwortlich sind. Die Differenzierung der einzelnen Zelltypen erfolgt sukzessive, nach festgelegter Reihenfolge (Abb. 34-21). Zuerst wird die R8-Zelle determiniert, dann immer paarweise R2 und R5, R3 und R4, R1 und R6 und zuletzt R7, danach 4 Kristallkegelzellen, welche die Ommatidien am basalen und apikalen Pol abschließen und auch gemeinsam die Linse sezernieren, 2 primäre Pigmentzellen, sekundäre und tertiäre Pigmentzellen, sowie Borstenzellen. Die Pigmentzellen isolieren die Ommatidien optisch voneinander (Abb. 34-22).

Wie die meisten (externen) Organe der adulten Drosophila entwickeln sich die Komplexaugen aus Primordien, den sogenannten Imaginalscheiben (s. 33.6). Eine junge Augenimaginalscheibe besteht aus einem einschichtigen Epithel undifferenzierter Zellen in verschiedenen Mitosestadien (Abb. 34-23). Durch ungerichtete Teilung proliferiert das Epithel und vergrößert so seine Fläche. Im späten Larvenstadium beginnt ein Differenzierungsprogramm, welches für die Ausbildung des adulten Auges verantwortlich ist. Trotz dessen Komplexität sind die genetischen und epigenetischen Wirkmechanismen, die ihm zugrunde liegen, im Vergleich zu anderen Entwicklungsabläufen relativ gut verstanden. Die besonderen technischen Vorteile der Drosophila-Molekulargenetik haben einen großen Teil zu diesem Verständnis beigetragen (Mosaikanalyse, Enhancer/Suppressor-Screens, GAL4/UAS-Fehlexpression etc.).

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