EVOLUTIONSTHEORIE UND SCHÖPFUNGSGLAUBE -
Ist der christliche Glaube an ein bestimmtes Weltbild gebunden?
© Johann J. Betz
Wenn man eine Suchmaschine mit den Begriffen
"Evolutionstheorie" und "Schöpfung"
arbeiten lässt, findet man einige URL's, in denen entweder
für die eine oder die andere Vorstellung plädiert
wird. Offensichtlich sehen viele Menschen einen unüberwindlichen
Widerspruch zwischen dem christlichen Schöpfungsglauben und
der Evolutionstheorie, wie sie heute in den Naturwissenschaften
gelehrt wird.
Im Folgenden will ich an drei Beispielen zeigen, wie mit diesem
(scheinbaren) Widerspruch umgegangen wird, und welche
Plausibilität die Lösungsversuche beanspruchen können.
Großes Aufsehen und heftigen
Widerspruch löste der Molekularbiologe und Nobelpreisträger
von 1965, Jacques Monod, mit seinem 1970 erschienen Buch
"Le hasard et la nécessité"
(deutsch: Zufall und Notwendigkeit, München 1972,
zitiert nach der dtv-Ausgabe) aus. Seine Ausfuhrungen zur
Entstehung und zu den Auswirkungen von Mutationen können als
"opinio communis" in der Fachwissenschaft bezeichnet
werden. Hätte er sich in seinem Buch auf die Darstellung
dieser Sachverhalte beschränkt, wäre sein Buch eines
unter vielen Lehrbuchern der Molekularbiologe, ohne Wirkung
nach außen und ohne den massiven Widerspruch, den es
erfahren hat.
Das ehemalige KPF-Mitglied Monod belässt es aber nicht
dabei, sondern glaubt, mit der metaphysischen Interpretation von
Welt und Mensch, die im Historischen Materialismus genauso wie in
den Religionen stattfindet, endgültig abrechnen zu können.
Aus der Zufälligkeit von Mutationen, die er als
Naturwissenschaftler konstatiert, leitet Monod ab,"dass er
(der Mensch) in der teilnahmslosen Unermeßlichkeit des
Universums allein ist, aus dem er zufällig heraustrat."
(S. 157)
Damit verbietet sich für Monod jede metaphysische, d.h.
auch jede religiöse Deutung der Welt und des Menschen. Mit
dieser Haltung, "nur Sachverhalte anzuerkennen, die durch
objektive Beobachtungen gesichert sind und sich in unser
naturwissenschaftliches Gedankengebäude widerspruchslos
einfugen" (Manfred Eigen, in seinem Vorwort zu Monods
Buch, a.a.O. .S. 10), steht Jacques Monod stellvertretend für
viele Naturwissenschaftler. Die als naturwissenschaftliche Methode
durchaus richtige und notwendige Beschränkung auf das positiv
Gegebene (Methodischer Positivismus) wird dabei auf alle
Erkenntnisbereiche des Menschen übertragen .
Eine gegenteilige Haltung im Streit zwischen
Evolutionstheorie und Schöpfungsglauben nehmen die
Kreationisten ein. Als Beispiel stehe hier Wolfgang Kuhn
(Stolpersteine des Darwinismus (1), Berneck/Schweiz 1984).
Besonders viel Anschauungsmaterial liefert die URL
http://www.amen.org.uk/vorwelt/
Ausgehend von den Prämissen, dass
a) die Evolution unbewiesen und unbeweisbar sei, und dass
b) die biblischen Texte Auskunft zu naturwissenschaftlichen
Fragestellungen geben wollten, sucht der Autor nach biologischen
Sachverhalten, von denen er glaubt, dass sie mit den
Grundprinzipien der Evolutionstheorie (Mutation und Selektion)
nicht zu erklären seien. Diese Beispiele hält er für
schlagende Beweise für die Unhaltbarkeit der
Evolutionstheorie, die er bezeichnenderweise als "Darwinismus"
benennt.
Mit dieser Haltung steht Kuhn unter seinen
Naturwissenschaftlerkollegen ziemlich isoliert da. Ist es doch
gerade die methodische Beschränkung auf das positiv Gegebene
und damit der Verzicht auf metaphysische Aussagen, der die
naturwissenschaftliche Arbeitsweise kennzeichnet und ihre
Fortschritte möglich gemacht hat.
Einen völlig anderen Weg aus dem
Dilemma versucht Karl-Heinz Ohlig in seinem Buch "Die
Welt ist Gottes Schöpfung" (Mainz 1984) zu zeigen.
Er glaubt, dem Schöpfungsglauben und der Evolutionstheorie
gleichermaßen gerecht zu werden, wenn er Schöpfung und
Evolution in ein zeitliches Nacheinander bringt.
Er nimmt an, dass Gott "mit der Konstitution der
kosmischen Energie, die sich im Urknall entladen hat, alle
Gesetzmäßigkeiten in sie hineingelegt (habe), die zur
Entwicklung des Universums geführt haben" (S.109) Das
Schöpfungshandeln Gottes wird also radikal auf die Zeit vor
dem Urknall beschränkt, ein späteres Eingreifen in die
Geschehnisse der Welt ist für Ohlig dann weder notwendig noch
möglich.
Auf den ersten Blick eine verbluffend einfache Lösung
eines alten Problems, bei genauerem Hinsehen zeigen sich aber die
Schwierigkeiten dieser Vorstellung.
Zunächst muss man fragen, ob Ohligs "Evolutionstheorie"
überhaupt mit der Evolutionstheorie der Biologie
übereinstimmt. Schon beim Begriff des "Zufalls",
der bei der Beschreibung der Mutationen eine herausragende Rolle
spielt, ergeben sich Differenzen. für Ohlig ist ein Ereignis
dann zufällig, wenn niemand nach der betreffenden Möglichkeit
"gesucht" hat (S.137), auch wenn es sich in seinem
Verlauf als notwendig erweist.
Üblicherweise wird ein Ereignis aber dann als zufällig
bezeichnet, wenn es sich nicht mit Notwendigkeit aus den gegebenen
Bedingungen ableiten lässt.(Das von Ohlig gewählte
Beispiel eines Baches, der über seinen Damm tritt, beschreibt
deshalb gerade kein zufälliges Ereignis.)
Auch der Schöpfungsbegriff Ohligs, als zeitlich zu fixierendes
Ereignis, ist mehr als fraglich. Hier wird man wohl mit Josef
Ratzinger sagen mussen, dass "die Schöpfung nicht einen fernen
Anfang bezeichnet, sondern mit Adam jeden von uns meint: jeder
Mensch ist direkt zu Gott." (1) "Schöpfung" meint also nicht
ein einmaliges Ereignis in Raum und Zeit, sondern ist ein
relationaler Begriff, er beschreibt die Beziehung des Menschen und
der Welt zu Gott.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass keine der
angebotenen Lösungen zufriedenstellt. Bei der Frage nach der
Ursache dafür, muss man sagen, dass keiner der Autoren den
Unterschied zwischen den jeweiligen Aussageebenen wirklich ernst
nimmt.
Am ehesten bemüht sich vielleicht noch Monod um diese
Einsicht, wenn er deutlich unterscheidet zwischen den allgemein
anerkannten biologischen Aussagen und den "ideologischen
Verallgemeinerungen, die (er) daraus ableiten zu können
glaubt." (a.a.O. S. 21)
Bei den beiden anderen Autoren hat man den Eindruck, dass sie
mit ihren metaphysischen Begriffen (die nicht als Metaphern
anerkannt werden) an den modernen Naturwissenschaften scheitern.
Offensichtlich haben moderne Autoren Probleme
mit der religiösen Sprache. Hat man nur den "fruhen"
Wittgenstein rezipiert, für den die Welt alles ist,
"was der Fall" ist (Tractatus logico-philosophicus, Satz
1) und worüber man reden kann? Die genannten Autoren erweisen
sich weitgehend als Sprachrealisten, für die sich Wort
und "Wirklichkeit" decken. In seinem Spätwerk
(Philosophische Untersuchungen, 1936-1949) erkennt Ludwig
Wittgenstein hingegen (an), dass es unterschiedliche
Funktionszusammenhänge gibt, in denen Sprache verwendet wird.
Diese unterschiedlichen Funktionszusammenhänge nennt er
Sprachspiele. (Vgl. dazu: Ludwig Wittgenstein von
Kurt Wuchterl, in: Fleischer, M.: Philosophen des 20.
Jahrhunderts, Darmstadt (4) 1995, S. 41ff) Auf unser Problem
angewendet heißt das: Evolution und
Schöpfung sind zwei Ausdrucke, die aus
völlig unterschiedlichen Sprachspielen stammen, die in ihrer
Aussage deshalb gar nicht in Konkurrenz miteinander stehen und
sich deshalb auch gar nicht widersprechen können.
Aus dem Fall Galilei nichts gelernt?
Verwundert fragt sich der Zeitgenosse, der die theologische
Szene beobachtet, ob die Theologen aus dem Fall Galilei keine
Konsequenzen gezogen haben. Im Mittelalter hat die Kirche ihren
Glauben mit dem geozentrischen Weltbild ausgedruckt. Als die
Physik dieses Weltmodell aufgegeben hat, glaubte die Kirche, aus
dogmatischen Grunden auf diesem Weltbild beharren zu mussen.
Die Folgen für das Verhältnis von Kirche und Wissenschaft sind
bekannt.
Heutige Dogmatiker glauben in dem physikalischen Modell vom
Urknall einen Ort für ihr Reden von Gott entdeckt und gerettet zu haben. Die
Schöpfung hat dann ihren - zeitlich gedachten - Ort vor
dem Urknall. Was ist aber, wenn die Physiker dieses Modell eines Tages aufgeben
sollten? Muss dann nicht auch "aus dogmatischen Grunden"
dieses Modell gegen seine Erfinder (die Physik) verteidigt
werden? |
Wesentlich fortschrittlicher erscheint da Josef Ratzinger.
für ihn entsteht das Problem dadurch, dass der
Glaube sich immer eines Weltbildes bedient, in dem er sich
ausdruckt, mit dem er aber nicht identisch ist. (a.a.O.) Die
Frage, die der Theologe zu beantworten hat, heißt dann "ob
der Schöpfungsglaube, der den Wandel so vieler Weltbilder
überdauert (...) hat, auch im Zeichen des evolutiven
Weltverständnissses als eine sinnvolle Aussage weiterbestehen
kann." für ihn ist dabei klar, "dass der Glaube,
der mit keinem der bisherigen Weltbilder identisch war, auch nicht
mit unserem Weltbild identifiziert werden kann und soll. (...) Die
Ebene seines Fragens und seines Antwortens ist eine durchaus
andere." (a.a.O.)
Vielleicht gilt aber auch hier die Feststellung von Helmut
Fischer, der sagt, wenn Metaphern aus längst überholten
Weltbildern die Verständigung über das Gemeinte
erschweren, dann gehöre "zu einem theologisch
verantwortbaren Gebrauch von Metaphern (..) auch die Frage, welche
Metaphern der biblischen und kirchlichen Sprache heute noch sinnerschließend sind und welche diese Kraft für uns
heute nicht mehr haben, ob und aus welchen Bereichen neue
Metaphern zu gewinnen wären, in denen wir das, was uns im
Innersten angeht, zur Sprache bringen und vernehmen können"
(Sprachprobleme der Verkündigung heute - eine Problemanzeige.
in: Kaempfert, M.: Probleme der religösen
Sprache)
(1) Josef Ratzinger: Schöpfungsglaube und
Evolutionstheorie. in: Wer ist das eigentlich - Gott?, Kösel,
München 1969, S. 232ff
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