"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
137. Brief
Jena, den 9 Juni {1978}.
Liebster Herzensmann! Obgleich ich heute vergeblich
auf einige Beruhigungszeilen von Dir gewartet habe, muß ich Dir doch
schreiben, daß ich mich von Herzen nach dir und unserm lieben kleinen
Jungen sehne. Ich fühle, daß mir mein Bestes fehlt, ohne das es nicht der
Mühe wert ist, zu leben! Ich hoffe sehr, daß mein aufmerksamer Gatte
mich morgen mit einem recht liebevollen Briefchen überrascht, sonst
werde ich sehr böse sein! Halte nur meinen lieben Jungen gut, gib
ihm ordentlich zu essen und sei recht wachsam und liebreich mit dem
kleinen Herzensbengel, er fehlt mir sehr!
Heute mittag hatte ich mir einen Herrn zu Tisch
gebeten (ich sehe nicht ein, ich will mein Leben genießen), und wir uns
gute Suppe, Pastetchen, vortrefflichen Kalbsrücken und ausgezeichneten
Kirschkuchen sehr gut munden lassen. Dieser Herr war - ich will´s
gestehen, um Dich nicht zu sehr aufzubringen -, mein gemütlicher
Bruder Otto, der Dich herzlichst grüßt und bedauert, Dich wiederum
verfehlt zu haben . . . Er fand Mutters Aussehen
leidlich, und es kam mir vor, als ob Mutter gleich munterer und frischer
wäre. Gestern ist sie zum erstenmal im Garten gewesen, zu unserer aller
Freude. Möge es sich nun so weiter bessern! Wie fandest Du Deine Alte,
sage ihr einen herzlichen Gruß, ich beneide Euch . . .
Komme aber doch Mittwoch nicht so spät mit dem kleinen Kerl an, grüße
und küsse meinen Strick von seiner alten Mutter und nimm die
herzlichsten Grüße und Küsse von Deiner Agnes.
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