"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
14. Brief
Sulza, 29. Juli 1867.
Mein liebster, allerbester, aber sehr verwöhnter,
verzogener Bräutigam! Natürlich ist es ganz gesetzwidrig, daß ich als
zartfühlendes, zurückhaltendes Mädchen zuerst meinem
wilden, tyrannischen Schatze schreibe, aber ich kannīs doch nicht übers
Herz bringen, den musterhaften kleinen Neffen Karl so ganz kahl (?) nach
Hause zu schicken, das große Herz da drinnen in mir läuft mir immer mit
dem Verstande davon, īs ist ein bedauernswürdiger Zustand! Also, mein
lieber Mensch, ich habe sehr gut geschlafen, heute wieder gebadet, was
mich nach der gestrigen entsetzlichen Anstrengung recht erquickt hat,
und Karlchen hat sich ebenfalls ganz gut in unserer Mitte befunden und
uns durch sein kindlich unschuldiges Wesen
gerührt! . . .
Mein Liebster, wie traurig, öde und verlassen, wie
langweilig und einsam mir alles heute ist, kann ich Dir gar nicht sagen,
überall fehlst Du mir, Du liebes Herz, auch wie ich an Dir hänge, mein
Ernst, so mit ganzer Seele, ich habe es nicht für möglich gehalten! Der
Spaziergang war zu reizend romantisch und mein Begleiter nicht minder,
mein wilder Jäger! Nein, das war zu einzig im Walde und dann auf
Deinem Arme, Du rührender Schatz! Hoffentlich ist Dir Deine Nachttour
gut bekommen und ich bekomme morgen Nachricht, bitte, bitte bald, ich
halte es immer weniger aus, die Sehnsucht wächst immer!! - Grüße Deine
lieben Eltern, die ich wahrhaftig ganz vergessen, und bleibe immer so
lieb, so sehr sehr lieb, mein Ernst, ja weißt Du, Du hast mich nun
einmal so verwöhnt, dies verzärtelte Geschöpfchen, das stundenlang mit
dem Professor herumläuft, daß es eine andere Behandlung nie
ertragen wird. Ade, Ade!
Brief 13..........................................................................................Brief 15

zurück zum Inhaltsverzeichnis