"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
13. Brief
Sulza, den 27. Juli 1867.
Hochwürdiger Herr! Hochberühmtes Mitglied
zoologischer Gesellschaften! Untertänigsten Dank für Ihr geehrtes
Schreiben, womit Sie mich eben beglückten! Die Ehre ist zu groß, von
solch ausgezeichnetem Professor besonders berücksichtigt zu
werden. Haben Sie die Versicherung, daß ich Ihre Gnade durchaus zu
würdigen weiß und Ihnen glückliche Reise und Erfolg zu Ihrer Südsee-
Fahrt, die höchst anziehend und interessant werden wird, von Herzen
wünsche. Ergebenst A. H.
Lieber, herziger Medusenfischer! Dein lieber, lieber
Rosabrief hat mich wieder ganz frisch und munter gemacht, endlich,
endlich heute morgen! Ja, nun fange ich auch an, über Deine
Saumseligkeit zu klagen! Was kann ich dafür, wenn die Briefe schlecht
expediert werden, ich habe mein Möglichstes getan, so daß Du meinen
Brief entweder Montag abend oder spätestens Dienstag früh
bekommen mußtest! Ich habe natürlich gnaz bestimmt gestern früh oder
abend wieder einen erwartet. Aber nichts, immer wieder nichts, so daß
ich in wahrer Verzweiflung den höchsten Berg, den es hier gibt (was viel
sagen will), bestieg und da oben trostlos einsam und verlassen saß, die
Wolken betrachtete, die rasch nach der geliebten Gegend hinzogen, und
ihnen viel tausend Grüße an meinen lieben Schatz auftrug, der mich so
böse warten ließ! Nun, jetzt ist aber alles, alles wieder gut, nein, besser
als vorher, und ich liebe diesen bösen, übermütigen Menschen noch
heftiger als vorher; wie´s möglich ist, das weiß ich nicht?, hätte es auch
nie von mir für möglich gehalten! - "Die Veränderung auch wie
groß! Liebe, Liebe! Laß mich los!" - Das Fischerbild ist allerliebst,
der kleine Miclucho ist ausgezeichnet gut; grüße ihn schön, und ich
freute mich, auf diese Weise in den Besitz seines Bildes gekommen zu
sein. Und du machst einen so kraftvollen, selbstbewußten Eindruck mit
Deinem Netz in der Hand, als ob Du eben einen recht guten Fang getan
hättest! - Abgefallen siehst Du trotz Deiner angeblichen Sehnsucht
durchaus nicht aus zu meiner großen Beruhigung, gedeihst daher doch
auch ohne "anderweite gute Verköstigung" usw. - Mutter und
ich entbehren dagegen diese Verköstigung in vieler Hinsicht und
wünschen uns (natürlich nur deshalb) oft um die Abendzeit nach Jena
zurück. - Nein, Ernst, Du bist eigentlich ein abscheulicher Mensch!, und
ich begreife gar nicht, warum ich Doch so namenlos lieb habe!, mich so
auf die Probe zu stellen, nein, ´s ist zu arg! Der weiße Bogen gefällt mir
gar nicht. Was soll nun so ein armes Geschöpf machen? Auf Briefwechsel
von 2-3 Jahren lasse ich mich nicht ein, das ist ein zu angreifendes
Stück Arbeit und Zeitverschwendung, dabei wächst, wie ich jetzt sehe,
die Sehnsucht zu ganz erschreckender Höhe -, es wird mir daher nichts
Anders übrig bleiben, als das "Goldsöhnchen" zu begleiten, jedenfalls
zur großen Beruhigung seiner Eltern, besonders der Mutter! Zu
begleiten, Ernst, ich glaube, das wäre Dir doch schrecklich
unangenehm, Du ehrgeiziger, wanderlustiger (?) Mensch, es wäre Dir jetzt
wirklich sehr recht, wenn Du mich auf drei Jahre verschließen könntest,
den Schlüssel mit übers Meer nähmst und dann, nach Deiner Rückkehr,
falls Du noch Lust verspürtest, das Püppchen wieder heraushüpfen
ließest? Nicht wahr? Das wird aber nun nichts, ich reise also mit!
Denn warten tue ich nicht mehr und loswerden will ich Dich auch nicht,
mein liebster, bester Schatz, den ich auf Erden habe! - Heute früh
bekamen wir von Berlin einen Brief, alle sind voller Besorgnis über die
Zukunft der armen netten Agnes, und alle befürchten sie, daß dieselbe
sehr unter den Pantoffel gerät, sie soll sich wehren, das wird aber
schwerhalten, ich fürchte es selber. - Heute ist reizendes Wetter, und
wenn Mutter ausgeschlafen hat, werden wir uns in den Wald setzen und
eines von Deinen gelehrten Büchern vorlesen! Weißt Du, was Mutter über
das Buch (Physisches Leben) sagte: "Ich begreife Ernst nicht, wie er Dir
das Buch mitgeben konnte, das brauchst Du nicht zu wissen!" Siehst Du
wohl? Es interessiert mich aber, ich lese es gern, lieber als die
Alpenbeschreibungen; so immer nacheinander Naturschilderungen zu
lesen, sättigt so, mankann sich doch keine richtige Vorstellung
machen.
Nun Ade, mein lieber Herzens-Ernst, grüße mir
diesmal mein Schwesterlein und Deine lieben Eltern herzlichst! Du
schreibst mir doch vor Sonntag noch einmal!
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