"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
28. Brief
Jenbach, Sonntag, 6. September, abends.
Meine liebe, süße Herzensfrau! Ein unvermutetes
kleines Mißgeschick, über welches du aber wahrscheinlich gar nicht böse
sein wirst, hat plötzlich meinen ganzen, in meinem gestrigen
Brief Dir gemeldeten Reiseplan umgestoßen. Ich habe mich gestern bei
der kühlen Morgenfahrt von Meran nach Bozen stark erkältet und wachte
in der Nacht mit heftigen Schmerzen im linken Ohr und einer ganz
dicken Backe auf, so daß Allmers und ich selbst die Notwendigkeit
einsahen, die projektierte Reise nach dem Süden aufzugeben und sogleich
zurückzukehren. So bin ich denn nach betrübtem Abschied von Allmers
heute Mittag per Bahn hierher gefahren und übernachte hier. Wird es
aber besser, so denke ich mich erst ein paar Tage am kühlen Achensee
von der entsetzlichen Hitze Bozens zu erholen und dann über Stuttgart
und Karlsruhe zurückzugehen. Ich würde dann in etwa 8 Tagen bei Dir
sein. Im letzteren Fall schreibe ich Dir in 2-3 Tagen noch Näheres.
Hast Du, liebstes Herz, aber Eiliges zu melden, so
schreibe sogleich nach Jenbach in Tirol, post. rest. So leid es mir
tut, den Gardasee, Verona etc. nicht mit A. gesehen zu haben, so freue ich
mich andererseits doch unendlich, Dich bald wieder zu haben, Du meine
innigst geliebte Frau!
Der Zug geht ab, ich muß schließen! Hoffendlich finde
ich Dich recht frisch und munter. Es umarmt und küßt Dich in Gedanken
1000mal Dein
treuer Ernst.
N.B. Zu ängstigen brauchst Du Dich gar nicht um
mich. Es ist bloß eine dumme Erkältung! Mach mir das nicht nach! Die in
Riva befindlichen Briefe wird Allmers direkt nach Jena
zurückschicken.
Brief 27..........................................................................................Brief 29

zurück zum Inhaltsverzeichnis