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Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel |
"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
35. Brief
Berlin, 19. Dezember 1863.
Meine liebe gute kleine Frau! Zwar habe ich immer
noch keinen Brief von Dir, den ich schon gestern erwartet habe. Jedoch
will ich nicht Böses mit Bösem vergelten, und Dir schon wieder
schreiben. Mein Vortrag ist sehr gut vom Stapel gelaufen und von dem
Berliner Publikum (welches durch weit über 1000 Menschen
verschiedener Mittelklassen - ohne Soldaten - vertreten war) mit
lebhaftem Beifall aufgenommen worden. Am Schlusse wurde ich gehörig
beklatscht. Was die Jenenser am Vortrage auszusetzen hatten, das schien
den Berlinern gerade besonders zu gefallen, nämlich die Mannigfaltigkeit
und der Reichtum des Inhalts. Sehr schmeichelhaft waren besonders die
Urteile von Professor Du Bois und Dr. Tagor, zwei Leuten, die einen sehr
feinen Geschmack und ein sehr scharfes Urteil gerade für derartige
populär-wissenschaftliche Vorträge besitzen. Auch meine Verwandten,
die den Vortrag hörten, waren sehr befriedigt. Die Tafeln, welche ich mit
einem 16 Fuß langen Stabe demonstrierte, wurden sehr gut befunden.
Unter dem Auditorium befanden sich sehr viele alte Bekannte von mir,
die ich zum Teil seit Jahren nicht gesehen hatte, so z. B. ein Maler Laue,
mit dem ich vor neun Jahren in Neapel mal zusammen war. Auch viele
frühere Zuhörer aus Jena, die jetzt hier studieren, waren gekommen, um
mir ihre treue Anhänglichkeit zu bezeigen, was mich ordentlich gerührt
hat . . . Donnerstag vormittag besuchte ich im
physiologischen Laboratorium Du Bois´ Dr. Rosenthal und fuhr dann mit
letzterem nach dem Lokal des Handwerker-Vereins, um meine
Tafeln anzubringen. Nach dem Vortrage kneipte ich mit meinem Bruder,
Ernst Reimer und Tante Bertha in dem "Roten Schlosse". Gestern (Freitag)
vormittag war ich im zoologischen Museum und bei Prof. Peters.
Nachmittag war ich bei Virchow und Reimers. Mariechen (die am
Donnerstag Migräne gehabt hatte) war recht munter und wohl. Ernst dito.
Auch die Kinder sind tadellos. Ich mußte natürlich viel von Mamachen,
Clärchen und meiner kleinen Hausregentin nebst Erbprinzen erzählen,
wobei ich klugerweise nicht unterließ, dem bekannten Familienstolz der
ausgezeichneten Familie Huschke gehörig Rechnung zu
tragen! . . . Hoffentlich erhalte ich heute noch einen
Brief von Dir, mein liebes, holdes Dornröschen! Ich bin sehr begierig, zu
hören, wie meine kleine Familie ohne ihren Papa
lebt? . . .
Brief 34..........................................................................................Brief 36
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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999
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