"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
51. Brief
Bonn, Sonntag, 25. September 1870.
Mein liebes, bestes Röschen! Gestern abend bin ich
hier glücklich angekommen und fand zwei Briefe von Dir vor, vom 16. und
vom 22. Durch den bösen Brief von 16. hast Du mir recht betrübt, liebe
Frau! Wie kannst Du nur so empfindlich sein und alles von der
schlimmsten Seite ansehen. Es ist mir gar nicht im entferntesten
eingefallen, daß ich Dich durch mein direktes Schreiben an Seebeck,
betreffend die Beiträge zur Verwundetenpflege, so sehr kränken und
verletzen könnte. Ich habe diese Angelegenheit als eine rein
geschäftliche betrachtet und mußte mich doch jedenfalls mit der Bitte
der Heidelberger Lazarettpflege direkt an Seebeck wenden. Du
machst mir Vorwürfe darüber, daß ich gar nichts davon in meinem Brief
an dich geschrieben, den ich gleichzeitig mit dem an Seebeck abgeschickt
haben soll! Das ist einfach nicht wahr! Donnerstag 8. September
habe ich den Brief aus Heidelberg an Dich abgeschickt. Erst Tags
darauf, Freitag 9. September, lernte ich durch Besuche in den
Heidelberger Lazaretten das dortige Elend kennen und schrieb
infolgedessen meinen direkten Brief an Seebeck erst am
Sonnabend 10. September. Zugleich legte ich 20 Rl. bei, als Anfang
zu der in Jena zu veranstaltenden Sammlung! Ich wollte Dir allerdings
gleichzeitig noch in einem zweiten Brief von dieser Bitte und
Aufforderung Kenntnis geben, kam aber nicht dazu infolge der Besuche
usw. vom 10. und Tags darauf reiste ich ab. Nicht im entferntesten
habe ich mir dabei etwas Schlimmes gedacht oder geahnt, daß Ihr diese
ganze einfache geschäftliche Angelegenheit so schief auslegen
würdet! Mit Eurer entsetzlichen Empfindlichkeit! Es wäre gut, wenn Du
zu Frau Seebeck hingingest und ihr diese Aufklärung gäbest. Wie groß
übrigens die Not und der Mangel bei der Überfüllung der in
Heidelberg, Mannheit und Mainz befindlichen Lazarette war (während
viele andere ganz leerstehen), könnt Ihr von jedem dortigen Arzt
erfahren! Ich würde heute infolge Deines bösen Briefes ganz betrübt und
niedergeschlagen gewesen sein, wenn nicht Dein zweiter, freundlicherer
Brief vom 22. September mich wieder etwas beruhigt und getröstet
hätte!
Mittwoch denke ich nach Berlin zu gehen und hoffe
dort einen recht guten und lieben Brief von Dir zu finden, Du böser
Schatz! Wann wirst Du endlich Deine entsetzliche Empfindlichkeit
aufgeben? Wieviel Not machst Du dadurch Dir und mir! - Sehr leid ist es
mir, dak ich morgen und zum 29. nicht bei Euch sein kann! Küsse und herze unser süßes zweijähriges Walter-Tierchen recht anstatt
seines armen Papas! Mir geht es im übrigen
leidlich . . . Hoffentlich komme ich bald wieder in
Deine Pflege!
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