"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
56. Brief
Jena, den 25. März 1871.
Mein lieber Mann! Deinen letzten Brief mit
Reisebeschreibung habe ich vor einigen Tagen erhalten und würde
sogleich wieder geantwortet haben, hätten wir nicht große Sorge um unser
liebes kleines Mädchen gehabt, das recht krank
war . . . Jetzt ist die Kleine entschieden besser, und
so hoffe ich zu Gott, daß er unser süßes Kindchen erhalten möge! Daß ich
dadurch sehr zurückgekommen bin und wieder viel gelitten habe, wirst
Du Dir denken, lieber Ernst, und wie sehr Du mir bei dem allen gefehlt
hast, kann ich Dir nicht ausdrücken, ich habe heiß zu Gott gefleht!
Seitdem ich mehr ruhig bin, geht es mir wieder besser, obgleich
langsam . . . Heute bin ich mit Mutter, Clara und
Walterchen zum erstenmal ausgefahren bei dem prachtvollen
Frühlingswetter, mir war ganz eigen zu Mute, ich fühlte mich dem Leben
von neuem wiedergegeben, sehr schwach ging es freilich die Treppen
hinunter. Walterchen war sehr entzückt über die Fahrt und ganz
feierlich gestimmt, er wollte nicht wieder aus dem Wagen, es ist ein
sußer, entzückender Bengel, Gott erhalte ihn uns so!
Dein Reisebericht macht mich recht sorglich um Dich,
mein Ernst, die Fahrt muß sehr gefährlich gewesen sein, sei recht recht
vorsichtig, mein lieber Mann, ich sehne mich wieder sehr nach Nachricht
von Dir. Dich wieder auf dem Meere zu wissen, ist für mich ein
schrecklich ernster Gedanke. Von Herzen wünsche ich Dir, daß Du
wenigstens mit Deinen Schwämmen ins Reine kommst, ob sie Sperma
haben oder nicht . . . Mein Geld verfliegt wie Sand. In
treuer Liebe Deine sehnsüchtige Agnes.
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