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Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel |
"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
7. Brief
Sulza, am 17. Juli 1867.
Mein lieber Ernst, mein bestes Herz! Endlich bin ich
so weit, die kleine reizende Schreibmappe öffnen zu können und Dir
mitzuteilen, daß Deine kleine Braut glücklich in Sulza angelangt ist, und
- denke Dir, mein Schatz, wie sonderbar, sie hat Dich immer noch so
sehr sehr lieb, lieber, viel lieber als je! Was nicht die
Entfernung tut! Ich hatte geglaubt, ruhiger zu werden, und nun fange ich
schon an, mich nach diesem "wilden", "garstigen", gar nicht netten
Menschen so unvernünftig zu sehnen, daß ich mich über mich selbst
ärgere, während Du gewiß froh bist, die kleine Klette los zu werden,
wieder frei zu sein, ach das ist doch so schön, nicht wahr? Also, aber um
vernünftig zu reden: Wir gelangten hier zu rechter Zeit unter harmloser,
kindlicher Unterhaltung (eine kleine Range, die mich fortwährend mit
Kirschen bombardierte, saß mir gegenüber) nach Apolda, tranken da
Kaffee, eilten dann nach dem Zug, begrüßten dort die liebenswürdige
Frau Luden, die in aller Eile Mutter und mir gratulierte und zugleich auf
erstaunlich gewandte Weise uns in fünf Minuten über alles Mögliche
auszufragen suchte, was uns höchlich amüsiert hat. Von Sulza liefen wir
bei argem Winde nach einem Logis, wobei mich mein liebes Mamachen
herzlich gedauert hat, fanden auch endlich im Dorf Sulza ein
recht nettes, freundliches, Stube und Kammer, sehr reinlich, können es
aber erst heute nachmittag beziehen, da es heute früh, eben jetzt, wo ich
schreibe, geräumt wird. - Die Hausleute sind sehr gefällige Menschen
und haben uns für diese Nacht bei Nachbarsleuten einquartiert, wo wir
uns in kleiner dumpfer Stube und zwei abscheulichen Betten eben nicht
besonders befunden haben. Ich konnte vor Lachen nicht einschlafen, als
ich Mutter in ihrem furchtbaren, hochaufgetürmten Federbette
gänzlich verschwinden sah und sie mir noch ein letztes Ade zurief; es war eine schauderhafte Nacht, und wir sind sehr müde
davon, haben aber trotz dem wahren Aprilwetter schon einen kleinen
Spaziergang (Du würdest es zwar nicht so nennen!) nach der sehr
schmutzigen Restauration gemacht und dort Koteletten gegessen. -
Während ich an Dich schreibe, lieber Schatz, und Mutter auf dem Sopha
schläft, wird vor unseren Fenstern auf rührende Weise der
"Sehnsuchtswalzer" von dem Musikkorps geblasen, das ist doch
aufmerksam, ich bin selbst ganz gerührt davon! - Mutter hat gleich auf
die wöchentlich dreimaligen Konzerte abonnieren müssen, die Leute
werden zudringlich! Morgen werden wir anfangen zu baden, gleich im
selben Hause, alles sehr nett eingerichtet. - Wennīs nur schönes Wetter
werden wollte, dann istīs ein ganz allerliebster ländlicher Aufenthalt,
mit sehr hübschen Spaziergängen, hübsch leider nur unter Begleitung
eines gewiß höchst eingebildeten, aber sehr, sehr netten
Professors! Ach wie man doch abhängig geworden ist, hätte ich das je
gedacht! Da habe ich nun sein Bild vor mir aufgestellt, nicke ihm zu,
küsse es und streichle es, gebe ihm die liebsten Worte, und doch rührt
sichīs nicht und bleibt so ernst wie zuvor; aber das tut nichts, ich kann
mir alles so gut dazu denken, sein Mienenspiel habe ich im Kopfe,
Deines, mein lieber, lieber Ernst, wenn Du so die Stirne runzelst, das ist
zu nett, und kannst doch nicht böse werden! - Für heute Ade, Du mußt
schon mir vier Seiten fürlieb nehmen, kannst mir aber acht schreiben,
bitte, bitte, und recht bald! Viele Grüße an Deinen lieben Vater
und Mutter und den würdigen Neffen Karl, und dann bitte bringe doch an
Deine stille Freundin, Trösterin, den inliegenden Brief. Ade, Ade, und
schreibe bald Deinem sehnsüchtigen, garstigen kleinen Strick!
Brief 6..........................................................................................Brief 8
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Diese Seite ist Teil von Kurt Stübers online library
erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999
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