Die Ausstellung
Das Nibelungenlied
zum Thema zu machen wäre ein mutiges Unterfangen. Man müsste in
der Tat Heimtücke und Verrat, Mord und Totschlag ausstellen, müsste
rauchende Ruinen und Ströme von Blut schaffen.
Die andere
Möglichkeit: Eine literarische Ausstellung, die Handschriften
A, B und C nebeneinander, dazu die Fragmente und alles, was an
Literatur produziert wurde. Kein Blut.
Die dritte
Möglichkeit: Das Heldenepos in der Zeit sehen, in der es niedergeschrieben
wurde. Also Rittertum, Alltag auf Burgen, Kirche, Frömmigkeit.
Das harte Brot des Helden, der aus dem Geschäft raus war, wenn
er sein Krafttraining nicht konsequent genug durchhielt. Der Held,
der sich allerdings vormittags zwischen 9 und halb zwölf dem leidigen
Alltag widmen musste, die Hühner zählen, die die Bauern seines
Besitzes als Abgaben abgaben. Einen Verwalter, der das Geschäft
für ihn erledigte, konnte er sich vielleicht gar nicht leisten,
der Held. Aber er musste dafür sorgen, dass seine teure handgeschmiedete
Rüstung keinen Rost ansetzte.
Das wäre Alltag.
Alltag aber lässt sich selten ausstellen, dafür gibt es zu wenig
archäologische Zeugnisse.
Aber der Alltag
spiegelt sich in den archäologischen Zeugnissen, die überliefert
sind, das heißt, in den Erzeugnisen des Kunsthandwerks, der Schmiedearbeiten,
der kirchlichen Gerätschaften.
Die Karlsruher
Ausstellung beginnt bei den frühesten Zeugnissen der historischen
Überlieferung, im Worms der burgundischen Könige, bei Spuren hunnischer
Traditionen an der badischen Bergstraße und den Zeugnissen der
nordischen Sagenwelt. Sie leitet über zu höfischen Lebensweisen,
wie sie weniger die Helden des Epos als vielmehr das Publikum
des Dichters pflegten, sie thematisiert zentrale Begriffe aus
dem Epos, in denen sich das Publikum wiederfand. Sie zieht eine
Verbindung zwischen Heldenepos und Archäologie, stellt den angeblichen
Sarg aus, in dem Sigfried beigesetzt worden sein soll - verzichtet
aber darauf, auch nur eine von den 16 Quellen des Odenwaldes vorzustellen,
die für sich in Anspruch nehmen, dass Sigfried dort ermordet worden
sein soll. Sie thematisiert weiter das Fortleben des Liedes in
der nationalen Begeisterung des 19. Jahrhunderts, nicht zuletzt
in den Bühnenweihfestspielen Richard Wagners und zeigt schließlich
- zum ersten und vermutlich auch zum letzten Mal - die drei ältesten
Handschriften des Liedes nebeneinander.
|