12.11.15
Schlossgarten Schwetzingen
Sondierungen an den Hirschbrunnen bringen
neue Erkenntnisse zur Gartengeschichte
(ssg) Archäologische Untersuchungen im Schlossgarten
von Schwetzingen brachten jetzt spektakuläre neue Erkenntnisse
für einen der bekanntesten Teile des Schlossgartens: Dass
die Brunnenanlage mit den wasserspeienden Hirschen, geradezu das
Wahrzeichen des Gartens, zur Zeit von Kurfürst Carl Theodor
anders aussah, wusste man bereits. Wie genau – das ergaben
die Sondierungen. Und nicht nur das: Die Funde belegen, dass die
Anlage ziemlich genau ab 1767 errichtet wurde.
Aktuelle Untersuchungen im Schlossgarten
Gemeinsam mit dem Amt Mannheim und Heidelberg von Vermögen
und Bau untersuchen die Staatlichen Schlösser und Gärten
Baden-Württemberg den historischen baulichen Befund am Hirschbassin,
einem der Herzstücke des Schlossgartens. Jetzt konnten die
Fachleute erste Ergebnisse vorlegen. Michael Hörrmann, der
Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten,
präsentierte die Funde gemeinsam mit Achim Wendt vom Büro
für Bauforschung, Dokumentation und Konzeption, der die Untersuchungen
vorgenommen hatte, und dem zuständigen Konservator Prof. Dr.
Hartmut Troll. Michael Hörrmann wies darauf hin, dass man
im Schlossgarten zwar vieles wisse, dass aber in vielen Fällen
die Details nicht dokumentiert seien. „Solche archäologischen
Untersuchungen bergen also immer die Option auf überraschende
Erkenntnisse.“

Ausschnitt der Grabung am Hirschbrunnen: links der Tuffstein-Unterbau
für das Spiegelbecken mit den Resten des Estrichs, rechts die
erhaltenen Stufen des Wassertischs, über den das Wasser aus dem
oberen Bassin in das Spiegelbassin floss.
Halbrundbecken und Spiegelbassin
Aus alten Plänen und aus der Literatur weiß man schon
länger, dass im 18. Jahrhundert der Garten bei den großen
Hirschfiguren anders aussah. Auf der Seite zum Schloss hin gab
es ein großes Halbrundbassin. Von dort floss das Wasser über
Stufen in ein großes Spiegelbassin. Es befand sich dort,
wo sich heute das Rechteck der Rasenfläche erstreckt. Man
weiß auch, dass es immer technische Schwierigkeiten gab.
Die Becken waren nicht dicht. Johann Michael Zeyher, Gartenarchitekt
der Zeit nach den Kurfürsten, schreibt, dass der Boden wegen
der undichten Becken so sumpfig sei, dass die Anlage stank. Daher
wurden die beiden Becken 1804/5 abgeräumt. Erst 1820 richtete
Zeyher die Anlage so her, wie sie sich heute präsentiert:
ein kleines Becken im oberen Bereich und statt der Wasserfläche
des Spiegelbassins ein Rasenviereck. Für das kleinere obere
Becken veränderte Zeyher den Wasserdruck und damit den Brunnenstrahl
der Hirsche, die seither nur noch in kleinem Bogen spucken – dafür
wurde er damals kritisiert. Seine Erklärung: Die sterbenden
Hirsche seien geschwächt, der Strahl sei passend.
Sondierung liefert viele Details zur Theorie
Die bauarchäologischen Sondierungen haben die schriftlichen
Dokumente bestätigt und viele Details geliefert. Man weiß jetzt
genau, wie die beiden Becken aufgebaut waren. Erkennbar wurde auch,
wie viel größer das obere Halbrundbecken vor dem Umbau
war. Beim unteren Spiegelbassin zeigte sich, dass der Rand des
Beckens in barocken Schwüngen geschweift war. Auch dass das
Becken, obwohl es korrekt nach allen Regeln der Technik gebaut
war, wohl tatsächlich nicht dicht war, zeigte sich: An einigen
Stellen haben sich die Tonpacken erhalten, mit denen man den Boden
abzudichten versuchte.
Spektakulärer Fund: Steine aus dem Heidelberger
Schloss
Spektakulär sind die Entdeckungen, die man zur Datierung der
Becken machen konnte: Im Sockel einer der beiden Hirschfiguren
sind Steine wiederverwendet, die aus der Spätgotik stammen,
ablesbar an der Art der Bearbeitung und an ihren Steinmetzzeichen.
Die Backsteine des Beckenfundamentes lassen erkennen, dass sie
wohl einer richtigen Feuersbrunst ausgesetzt waren (Bild rechts).
Die Erklärung
findet sich in den zeitgenössischen Bauakten: Dort steht,
dass für den Schlossgarten Material aus der Brandruine von
Schloss Heidelberg geholt wurde, nach dem Blitzeinschlag von 1764
und dem großen Brand. Dieser weiteren Zerstörung des
Heidelberger Schlosses setzte Kurfürst Carl Theodor ein Ende.
Dazu passt auch der Auftrag für die beiden großen Hirsche
an den Bildhauer Verschaffelt 1767. „Das ist ein spektakulärer
Erkenntnisgewinn, was die exakte Datierung einzelner Arbeiten im
Schlossgarten betrifft“, fasst Prof. Dr. Hartmut Troll diesen
Fund zusammen. Man wisse nun exakt, aus welchen Jahren das Hirschbassin
stamme und welche Größe und Form es einst gehabt habe.
Der Schlossgarten als herausragendes Denkmal
Der Schlossgarten von Schwetzingen sei eine Aufgabe mit vielen
Dimensionen: Geschäftsführer Michael Hörrmann
wies darauf hin, dass der Schlossgarten als lebendiges Kunstwerk
ganz besondere Anforderungen an die Betreuung stelle. „Die
Veränderung ist ein wesentliches Element des Gartenkunstwerkes.
Die Pflanzen verändern sich in den Jahreszeiten, sie wachsen
und werden älter – ein historischer Garten ist daher
ein Kunstwerk einer ganz eigenen Kategorie.“ Die aktuelle
Sondierung habe mehr Detailwissen zu Tage gebracht. „Wir
versuchen möglichst viel exakte Kenntnisse zusammenzutragen,
wie genau sich der Garten im Lauf der Generationen verändert
hat“, erklärt Michael Hörrmann. „Das macht
es uns möglich, fundiert Entscheidungen zu treffen.“
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