Die Sammlungen der Nationalgalerie und des Kupferstichkabinetts
besitzen ein Großteil der malerischen und graphischen
Arbeiten, die der junge Adolph Menzel (1815-1905) mit Begeisterung
und großer Detailtreue zum Leben Friedrichs des Großen
geschaffen hat. Dazu gehören neben Bildern hunderte
Studien, Probedrucke und Holzstöcke zu den großen
Illustrationsfolgen des Künstlers. Vorangestellt ist
der Ausstellung ein Kapitel, das sich den Darstellungen
Friedrichs des Großen durch Künstler widmet,
die ihm noch persönlich begegnet sind: Antoine Pesne
und insbesondere Daniel Nikolaus Chodowiecki - Bilder,
die bereits der Mythenbildung um den Preußenkönig
dienten. Historische und aktuelle Themen sind in Menzels
Werk aufs Anschaulichste miteinander verwoben und so schließt
die Ausstellung mit Darstellungen seiner Gegenwart.
Schon im Vorfeld der Ausstellung wurde deutlich, dass
das Publikum zwischen den Friedrichsbildern Menzels und
dem historischen Friedrich II., der hundert Jahre früher
lebte, kaum noch unterscheidet. Menzels Werke vor allem
bestimmen unsere bildliche Vorstellung von dem König
und seiner Zeit. Aber hat auch Menzel Friedrich gemacht,
so hat doch ebenso Friedrich Menzel geformt: Der Auftrag,
die Geschichte Friedrichs des Großen von Franz Kugler
mit fast 400 Holzschnitten zu illustrieren, den der noch
junge und unbekannte Künstler 1839 übernahm,
hat ihm sowohl die Welt des 18. Jahrhunderts erschlossen
als auch die Teilnahme am Kunstgeschehen seiner eigenen
Zeit erleichtert.
Menzel hat sich dem historischen Thema mit Obsession zugewandt,
aber er hat es nicht entwickelt. Der junge Menzel traf
bereits auf einen ausgeprägten Mythus um den König,
der sich noch zu dessen Lebzeiten herausgebildet hatte.
Ein Bereich der Ausstellung wird der Ausprägung eines
prägnanten Bildes des großen Königs gewidmet
sein, von den Darstellungen derer, die ihm noch begegnet
sind, wie Antoine Pesne und Daniel Chodowiecki, bis hin
zu Menzel, der alle verfügbaren Abbildungen des nun
schon verstorbenen Königs mit Eifer studierte.
Menzels Haltung zu Friedrich war im Wesentlichen die der
liberalen Opposition im vorrevolutionären Preußen.
Menzel, wie auch seine Künstlerkollegen Gottfried
Schadow und Christian Daniel Rauch, schätzten an Friedrich
II., dass dieser „als Vater für sein Volk lebte,
und daher sein Andenken vorzugsweise dem Bürgerstande
heilig ist, in welchem die Saat seiner Institutionen am
meisten ins Leben eingreifend fortwirkt“ - so Menzel
in einem Brief an seinen Verleger 1839. Und in einem weiteren
Brief lesen wir: „… meine Intention war, den
Fürsten darzustellen, den die Fürsten haßten,
und die Völker verehrten, (dieß war das Ergebniß dessen
was Er war) mit einem Wort: den alten Fritz, der im Volke
lebt.“ Doch entgingen weder Menzels Bilder, noch
die Skulpturen von Schadow und Rauch, nicht auch anderen,
konservativen Deutungen. - Immer haben wir es mit einem
konstruierten Bild des legendären Königs zu tun,
das nur einen Aspekt seiner Persönlichkeit in Hinblick
auf die eigenen Intentionen betont und fast niemals ist
man vor anderen Lesarten späterer Generationen und
anderer Kreise gefeit.
Am populärsten unter den Illustrationsfolgen wurden
die schon erwähnten Holzstiche zur Geschichte Friedrichs
des Großen von Franz Kugler. Etliche der dafür
entwickelten Kompositionen wird er später in seinen
Gemälden variieren. Graphik wie Gemälde zeigen
Friedrich als aufgeklärten Monarchen, als willensstarken
Kriegsherren, als Freund der Philosophie und der Künste.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen natürlich die
11 Gemälde, die Menzel ab 1848 zum Leben Friedrichs
des Großen geschaffen hat. Sie werden vollzählig
zu sehen sein, die drei Kriegsverluste als Reproduktionen
im Originalformat. Hinzu kommen die wunderbaren Vorstudien
zu diesen Bildern, die erhaltenen Entwürfe in Öl
sowie ein Ausblick auf die starke Popularisierung der Bilder über
Schabkunstblätter, Farbdrucke etc.
Die ersten vier Bilder entwarf Menzel noch im Revolutionsjahr
1848. Als erstes beendete er 1849 Die Bittschrift. Das
Bild solle, „giebts Gott, das Saatkorn einer langen
Aehre werden“, schrieb er an den Freund Carl Heinrich
Arnold. Die Darstellung von Volksnähe und der Möglichkeit,
Bittschriften dem König persönlich überreichen
zu können, brachte vor dem Hintergrund der Fülle
von Petitionen an die preußische Nationalversammlung
um Pacht und Landbesitz auch aktuelle Probleme zum Ausdruck.
Es folgten 1850-52 die bis heute bekanntesten Werke: Tafelrunde
in Sanssouci und Das Flötenkonzert und als letztes
der gemeinsam angelegten Werke 1856 das heute verlorene
Bild Friedrich und die Seinen bei Hochkirch.
Nach verschiedenen Auftragswerken begann Menzel 1858 aus
eigenem Antrieb und mit hohem Anspruch das große
Bild Ansprache Friedrichs des Großen an seine Generäle
vor der Schlacht bei Leuthen, das er zugunsten des Krönungsbildes
Wilhelms I. 1861 unterbrach, das in seiner Gesamtauffassung
später nicht mehr opportun war und schließlich
unvollendet blieb. Heute zeugt es mit den weiß untermalt
gebliebenen Partien, auch Friedrich II. ist nur erst skizziert,
und den im Alter von Menzel zerkratzten Gesichtern davon,
dass wir hier keine einfache Geschichtsmalerei, sondern
einen hoch politischen, existenziellen und künstlerisch
bedeutsamen Zyklus vor uns haben.
Vor allem die Holzstiche zu den Werken Friedrichs des
Großen zeigen in ihrer Leichtigkeit, geistreichen
Knappheit und Eleganz eine große Affinität zum
ironisch unsentimentalen 18. Jahrhundert. Und es scheint,
dass dieser Geist auch die gleichzeitig entstandenen Ölstudien
Menzels nach Motiven seiner Zeit bestimmte. Friedrich II.
liebte die Rationalität französischer Philosophie,
Menzel entwickelte einen unkonventionellen Realismus, Rationalität
und Realismus sind verwandte Größen über
die Zeiten hinweg. Die nur angedeutete Berlin-Potsdamer
Eisenbahn, der Blick auf Hinterhäuser und Wolken,
auf einen Bauplatz am Rande Berlins sollten mit den Friedrich-Bildern
gemeinsam gedacht werden.
Es ging Menzel um Vergegenwärtigung von Vergangenem
und ganz Neuem und um die Vermeidung überkommener
Pathosformeln. Er strebte „nach einiger Glaubhaftigkeit
der Erscheinung“ und vertiefte seine Studien, um „dadurch
den Sachen die Authentizität zu geben“.
So wie Friedrich Wilhelm IV., seit 1840 Regent, den „Freigeist“ Friedrich
II. nur begrenzt würdigte, schätzte er auch Menzel
als Maler nicht wirklich, die Bilder waren ihm zu wenig
idealisiert. Und er wurde dabei von Kunstkritikern wie
Max Schasler bestätigt: „Er, ein Feind aller
Abstraktion, kümmert sich um das Allgemeine gar nicht;
er malt nur das Besondere, Persönliche, Individuelle,
Zufällige.“ Erst unter Wilhelm I. und mehr noch
unter Wilhelm II. erfuhr Menzel die zahlreichen Ehrungen
von Seiten des Hofes, die seinem Ansehen nicht wirklich
gut taten, obgleich doch kein einziges wesentliches Werk
zu Geschichte Friedrichs mehr entstand. Die Deutung seines
Werkes unterlag wie jene des großen Königs steter
Wandlung.
Bilder:
Oben Adolph Menzel (1815-1905),
Die Bittschrift (Der Spazierritt), 1849
Öl auf Leinwand, 62,5 x 76,5 cm, ©
bpk/Nationalgalerie SMB, Foto: Andres Kilger
Mitte Adolph Menzel (1815-1905),
Flötenkonzert Friedrichs des Großen in
Sanssouci, 1850-1852
Öl auf Leinwand, 142 x 205 cm. ©
bpk/Nationalgalerie SMB, Foto: Jörg P.
Anders
Unten Adolph Menzel (1815-1905),
Modellstudie für Prinzessin Wilhelmine
(Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth),
um 1851/52.
Zeichnung, farbige Kreide, weiß gehöht,
36,9 x 44,2 cm. ©
bpk/Kupferstichkabinett SMB, Foto: Jörg
P. Anders |