Die
Goldene Bulle aus dem Jahr 1356 war das wichtigste Verfassungsdokument
des Heiligen Römischen Reiches und legte fest, wie die Königs
(und damit die künftigen Kaiser) des Heiligen Römischen
Reiches Deutscher Nation gewählt werden sollten. Für
diese Wahl wurden, der sich seit dem 13. Jahrhundert verfestigenden
Tradition entsprechend, sieben Fürsten benannt, die ab da
so genannten Kurfürsten. Der Name der in lateinischer Sprache
verfassten und von Kaiser Karl IV. ausgestellten Urkunde kommt
von dem goldenen Siegel her, dessen Bezeichnung als „Bulle“ auf
die gesamte Urkunde angewendet wurde. Weitere Vorschriften betrafen
eine jährliche Versammlung aller Kurfürsten und deren
Immunität und Rechte.
Die Aufnahme der Goldenen Bulle in das UNESCO-Weltdokumentenkulturerbe
durch Beschluss der UNESCO vom 18. Juni 2013 in Kwangju (Südkorea)
umfasst alle sieben erhaltenen Originale der Verfassungsurkunde:
das Exemplar für den König von Böhmen und den
Erzbischof von Mainz im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien,
das für den Erzbischof von Köln in der Universitäts-
und Landesbibliothek Darmstadt, das Pfälzer Exemplar im
Bayerischen Hauptstaatsarchiv München und das Exemplar für
den Erzbischof von Trier im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Nachträglich
ließen sich die in der Urkunde besonders erwähnten
Reichsstädte Frankfurt und Nürnberg Ausfertigungen
ausstellen, die heute im Institut für Stadtgeschichte in
Frankfurt bzw. im Staatsarchiv Nürnberg verwahrt werden.
Der Kurfürst von Sachsen und der von Brandenburg verzichteten – wohl
aus Sparsamkeit – auf eine eigene Ausfertigung.
1648 wurde mit der Wiederherstellung der Kurpfalz nach dem Dreißigjährigen
Krieg und dem Ende der Bayerischen Besetzung eine neue, achte
Kurstimme für die Pfalz eingerichtet, 1692 eine neunte für
den Herzog von Braunschweig-Lüneburg. Mit dem Erlöschen
des bayerischen Herzogshauses und dem Erbfall an die Kurpfalz
erlosch deren achte Kurstimme, die Pfalz trat ihre alte, erste
weltliche Stimme, wieder an.
Das Trierer Exemplar, das in der Reichskanzlei entstand, kam
nach Stuttgart, als mit dem Reichsdeputationshauptschluss von
1803 Herzog Friedrich II. von Württemberg die Kurwürde
erhielt (die er dann allerdings in Ermangelung einer Kaiserwahl
ebensowenig ausübte wie der Markgraf von Baden). Der Besitz
eines Exemplars der Goldenen Bulle gehörte für ihn
als traditionsstiftendes Element dazu.
Das Exemplar selbst war mit dem Archiv des aufgehobenen Erzbistums
Trier an den Fürsten von Nassau-Weilburg, dem die rechtsrheinischen
Besitzungen Triers zugeschlagen worden waren, übergegangen.
Im Zuge der Verhandlungen zwischen dem letzten Trierer Erzbischof
Clemens Wenzeslaus von Sachsen und dem Herzog von Württemberg über
eine Entschädigung des Erzbischofs für den Verlust
der Fürstpropstei Ellwangen, die Württemberg zugesprochenen
worden war, konnte Herzog Friedrich eine Lösung erreichen:
Clemens Wenzeslaus erhielt vom Fürsten von Nassau-Weilburg
die Goldene Bulle als Privatbesitz zurück und gab sie an
den württembergischen Herzog weiter. Dieser ließ eine
massive Silberkassette anfertigen, in der die Urkunde heute noch
aufbewahrt wird.
Für die Ausstellung „Der Griff nach der Krone - Die
Pfalzgrafschaft bei Rhein im Mittelalter“ 2000 wurde das
Original der Stuttgarter Ausfertigung nach Heidelberg ausgeliehen.
Die ständige Ausstellung im Ruprechtsbau des Heidelberger
Schlosses zeigt ein Faksimile.
Bild: Präsentation des Stuttgarter Exemplars der Goldenen
Bulle
Abbildung aus dem Zusammenhang der Ausstellung "Mittelalter
- Schloss Heidelberg und die Pfalzgrafschaft bei Rhein bis zur
Reformationszeit" im
Heidelberger Schloss (2000)
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