Hoch- und Spätmittelalter

Erst
1023 wird das St. Michaelskloster unter Abt Reginbald gegründet; die Vermutung liegt nahe, dass alte,
noch vorhandene königliche Vorrechte dies bisher verhindert
hatten. Das Kloster kann den alten Totenkult auf den 1070 gestorbenen
Friedrich, den ersten Abt von Hirsau, der sich hierher geflüchtet
hatte, übertragen. Wunderzeichen an seinem Grab machen das
Kloster in den folgenden Jahrhunderten zum beliebten Wallfahrtsort,
obwohl Friedrich nicht regulär kanonisiert wird.
Um 1090 errichtet der Mönch Arnold ein oratorium",
eine Klause, auf dem vorderen Gipfel, bei dem 1094 die Propstei
St. Stephan gegründet wird. Hier lässt sich um 1100
die Dame Hazecha bestatten, von der ihre Grabplatte als ältestes
mittelalterliches Schriftdenkmal aus dem heutigen Stadtgebiet,
ehemals in der Eingangshalle von St. Stephan, kündet.
Wohl im Lauf des 11. Jahrhunderts jedoch wächst in mehreren,
aufeinander bezogenen und nicht immer vollendeten Bau- und Planphasen
das heraus, was bis zum Ende der Klosterzeit als Gesamtphase
IV den Plan von Kirche und Klausur abgab.
Diese Phase IV zeigt sich trotz ihrer insgesamt 9 Teilphasen
als in sich geschlossen, da die Prämonstratenser, die das
Kloster um 1265 besiedelten, sich in Formen und Stil geradezu
konservativ an die alten benediktinischen Muster hielten. So
werden die einzelnen Teilphasen vor allem durch große Zerstörungshorizonte
voneinander getrennt, denen teilweise das ganze Kloster bis auf
die Grundmauern zum Opfer fiel. Eine dieser Zerstörungen
könnte durchaus auf die Verwicklungen anlässlich des Übergangs
von Lorsch an Mainz 1232 und die anschließenden Versuche
des Pfalzgrafen, seine Vogteipositionen an der Bergstraße
zu sichern, zurückgehen. Schließlich ging auch der
Krieg des 15. Jahrhunderts gegen Mainz (und Schauenburg) nicht
spur- und zerstörungslos am Kloster vorbei.
Archäologisch lässt sich nachvollziehen, dass am
Beginn der Phase IV A, wohl unmittelbar nach 1023, der Plan eines
gewaltigen Westwerks stand, das, kaum fundamentiert, bereits
wieder aufgegeben wurde. Phase IV B verringert diesen Plan noch
vor seiner Vollendung, behält aber die Westkrypta bei (die
weniger dem Vorbild von Domkirchen als der Notwendigkeit des
Geländes folgt und erst in IV C ihre endgültige Größe
erreicht), und errichtet auf den alten Fundamenten die achteckigen
Treppentürme, die die West-Empore erschließen. In
dieser Art sind solche Treppentürme einzigartig und sicher
auf Fernwirkung der Anlage berechnet.
Phase IV C baut die bislang unzusammenhängend stehenden
Gebäude zu der axialen Folge von Kirche und Klausur aus,
wie wir sie heute noch kennen. Allerdings wird noch ein aus karolingischer
Zeit erhaltener Turmbau in der Südostecke des Kreuzgartens
beibehalten, was wohl auf einen noch andauernden Einfluss des
Königtums hindeutet. Eine neue Ostkrypta wird erbaut, wobei
die Fundamente eines geringfügig anders orientierten älteren
Altarhauses Ausrichtung und Größe vorgeben. Diese
neue Ostkrypta war lange Zeit nur von außen zugänglich.
Jetzt erst verschwindet die Stelle des Reliquienschachtes,
der in der Kontinuität des antiken Merkurheiligtums stand,
und macht einem Laienaltar am Ostende des Mittelschiffes Platz.
Die Vollendung des Langhaus-Inneren in der Mitte des 11. Jahrhunderts überliefert
uns schließlich die beiden Würfelkapitell-Säulen,
von denen eine in der Ruine wiederaufgestellt wurde, die andere
sich im Museum findet.
Phase IV D muss, wohl in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts,
die zerstörten Klausurgebäude wiederherstellen und
fügt erstmals einen Kreuzgang hinzu. Auch die Süd-Vorhalle
wird erneuert und vergrößert, aus dieser Zeit stammt
das reichverzierte Bogensegment (Archivolte) des Portals, das
im Kupfälzischen Museum aufgestellt ist. Eine zweite Bauphase,
wohl des beginnenden 13. Jahrhunderts, erneuert den Kreuzgang
und fügt den bisher fehlenden dritten Flügel hinzu.
Phase IV E wird notwendig durch eine weitreichende
Zerstörung der Anlage, möglicherweise, wie oben erwähnt,
verursacht durch die kriegerischen Auseinandersetzungen um die
Mainzer Stiftsfehde 1460, in deren Zusammenhang der Pfalzgraf
auch die Burg Schauenburg eroberte und schleifen ließ.
Der Neuaufbau des Kirchenschiffes bringt hier als Neuheit die
Hinzufügung einer Hauptapsis zu dem vorher rechteckigen
Altarraum, während die nördlichen Klausurgebäude
durch einen stämmigen Turm überragt werden, der einerseits
Verteidigungsaufgaben gehabt, andererseits die Glocken aus den
wohl beschädigten Westtürmen aufgenommen haben dürfte.
Phase IV G verändert vor allem das Höhenniveau in
Chor und Apsis der Kirche und in den Klausurgebäuden, deren
Raumprogramm grundlegend verändert und wohl dem Wallfahrtsbetrieb
angepasst wird. St. Michael war zu dieser Zeit, am Ende des 15.
Jahrhunderts, kein eigentliches Kloster mehr, sondern - im Besitz
der Pfalz und unter seinem Einfluss - eher ein Wallfahrts-Betrieb" mit
wechslendem Personal. Eine letzte Bauphase schließlich,
IV I, reicht ins 16. Jahrhundert hinein und erneuert den südlichen
Kreuzgangflügel. In diese Zeit (1503) fällt auch der
Einsturz des Nordturms, der drei Mönche im Dormitorium erschlug.
In allen Bauphasen, von der ersten Zeit der frühmittelalterlichen
Nutzung, bis zum Ende des Klosters, wird das westliche Gräberfeld
als eine Art Campo Santo" genutzt und baulich verändert.
Viele der Änderungen beruhen auf der Notwendigkeit, den
arbeitenden Berghang aufzufangen. Der Entwurf von Phase IV C
gab mit einem Geviert von ca. 22 x 16 m die Dimensionen vor,
die wir heute noch sehen; offen muss bleiben, ob der ganze Raum
oder nur der äußere Umgang überwölbt werden
sollte. Ein Eingang von außen war ursprünglich nicht
vorgesehen und kam wohl erst im 13. Jahrhundert hinzu, den Zugang
vermittelte eine Freitreppe vom Westwerk der Kirche her. Wohl
statische Probleme bewirkten dann auch die Teilung des Begräbnisplatzes
durch eine Mauer in einen höheren Ost- und einen tieferen
Westteil.
1537 bereits beschreibt der Humanist Jakob Micyllus das Michaelskloster
als Ruine, im Zug der Reformation werden die wohl schon aufgegebenen
Klöster St. Michael und St. Stephan um 1555 vom Pfalzgrafen
eingezogen. Das Michaelskloster verfällt weiter, St. Stephan
wird 1589 der Universität zugewiesen.
Eine Zeichnung von 1601 zeigt noch die Spitze des Vierungsturms,
als Merian die Ruine zeichnet, steht nur noch das Mauerwerk bis
zum Dachansatz aufrecht.
nach Renate Ludwig / Peter Marzolff: Der
Heiligenberg bei Heidelberg |