„Wenn dieses
Stift einst dem schönen Plane nach, den man uns vorgezeigt,
ausgeführt wird, so muß es eines der herrlichsten
in Deutschland abgeben.“ Der St. Galler Stiftsbibliothekar
Johann Nepomuk Hauntinger wusste, wovon er sprach. Hatte
er doch auf seiner Reise durch Schwaben und Bayern im Jahre
1784 eine Vielzahl bedeutender Klosteranlagen besucht.
Als er in Schussenried Station machte, war erst ein Teil
des neuen Konventbaus fertig gestellt. Doch konnte er sich
anhand zweier Modelle von der prachtvollen Erscheinung
des niemals vollendeten neuen Klosters überzeugen.
Es ist als Glücksfall zu bezeichnen, dass sich gleich
zwei Architekturmodelle erhalten haben, die von den ambitionierten
Schussenrieder Bauplänen Zeugnis ablegen. Bei der
Aufhebung des Klosters und den verschiedenen Umnutzungen
in der Folgezeit ging nicht nur sämtliches Planmaterial
verloren, auch ein Teil des barocken Neubaus wurde abgebrochen.
Das Modell der Klosteranlage
Am 20. März 1748 legte Abt Siard Frick (1733-1750)
dem Kapitel einen Grundriss „zu dem neu zu bauenden
Konvent“ vor. Bei dieser Sitzung über den Klosterneubau
ging es erst einmal darum, ob „man ein Modell darüber
verfertigen solle“. Der Beschluss wurde „affirmative
votiert und das Modell nach Osteren vorgestellt“.
Das Modell stammt aus der Werkstatt Dominikus Zimmermanns
(1685-1766) – einem der „Stararchitekten“ des
18. Jahrhunderts. Er hatte sich dem Konvent mit dem Bau
der Wallfahrtskirche in Steinhausen (1728-33) als Garant
höchster Baukunst empfohlen.

Architekturmodell des Prämonstratenserklosters
Schussenried, Dominikus Zimmermann (1685-1766), um 1749,
Holz, gefasst
Foto: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Zimmermann legte den Entwurf eines äußerst
anspruchsvollen Klosterbaus vor: Nach dem Vorbild der Abtei
Wiblingen plante er eine großzügige Vierflügelanlage,
die in der Mittelachse von der Klosterkirche dominiert
wird. Die vier symmetrischen, dreigeschossigen Klausurtrakte
werden von vorspringenden Eckrisaliten begrenzt. Ähnlich
gestaltete Mittelrisalite finden sich im Norden und im
Süden. Zum Innenhof hin sind sieben Treppenhäuser
vorgesehen: zwei größere gegenüber den
Haupteingängen im Westen und je zwei kleinere im Norden
und im Süden sowie ein doppelläufiges Treppenhaus,
das mit dem östlichen Mittelrisalit zusammengenommen
ist.
Das farbig gefasste Entwurfsmodell ist auf einer Grundfläche
von ungefähr 110 auf 88 Zentimetern errichtet, die
Kirchtürme rund 57 Zentimeter hoch. Ein besonderer
Clou des Modells sind die abnehmbaren Geschosse und Dächer.
So konnte Zimmermann die Raumeinteilung der einzelnen Etagen
vorführen. Im Innern des Modells sind sämtliche
Wände und Wandöffnungen, Treppen und Ofenanlagen
wiedergegeben.
Das Modell der Ökonomiegebäude
Das zweite Architekturmodell wird dem Schussenrieder Klosterbaumeister
Jakob Emele (1707–1780) zugeschrieben, der mit
der Leitung des Neubaus beauftragt war. Sein um 1760
entstandenes Modell stellt die klösterlichen Wirtschaftsgebäude
vor. Deren sorgsame Planung und Errichtung waren nicht
minder wichtig, denn ein Kloster ist eine kleine Welt
in sich, in der „alles Notwendige“ vorhanden
sein sollte. Bäckerei und Mühle, Brauerei und
Werkstätten, Stallungen für Vieh und Pferde,
Scheunen für Heu und Feldfrüchte waren für
die Eigenversorgung eines Konvents unverzichtbar. Emele
bringt alle Wirtschaftsräume und Werkstätten
mitsamt der Unterkünfte für die Knechte und
Mägde in zwei Gebäudekomplexen unter. Sie flankieren
einen Torbau, den Hauptzugang zum Klosterareal. Das Vorbild
dieser Anlage ist wiederum in Kloster Wiblingen zu finden.
Die Funktion der Architekturmodelle
Architekturmodelle sind seit der Antike bekannt und werden
bis heute als Planungsgrundlage verwendet. Der Ulmer
Ingenieur-Architekt und Bautheoretiker Joseph Furttenbach
d.Ä. (1591-1667) hält in seinem Werk „Archtectura
civilis“ (1628) den Wert dieser Modelle fest: Architekten
müssen in der Lage sein, nach ihren Plänen „ein
Modell von Holtz … zu componirn und auffzurichten.
Und dises alles auch zur satisfaction deß Bauwherren … damit
er das verkleinert opus recht vor Augen gestelt sehe,
darüber discuriren, alles wol begreiffen und was
ihme nicht gefällig … außmustern und
verbessern möge“. Ein Modell führt demnach
die Raumwirkung, die Raumdisposition und deren Zugänglichkeit
vor Augen. Darüber hinaus war der Auftraggeber mit
einer entsprechenden Architektur „en miniature“ sicherlich
leichter von einer Auftragsvergabe zu überzeugen.
So in Schussenried, wo der Konvent am 9. April 1749 „capitulariter
proponiert und beschlossen [hat], ein neues Kloster“ nach
dem Modell Dominikus Zimmermanns erbauen zu lassen.
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