Mit dem Herrschaftsantritt
Chlodwigs aus der Familie der salfränkischen Kleinkönige
und römischen Provinzgouverneure von Tournai im Jahre 482
beginnt die expansive Phase der fränkischen Zeit: Er erobert
das Reich des Syagrius um Paris, der sich als letzten römischen
Statthalter sah, das Westgotenreich zwischen Toulouse und Poitiers
und bezieht durch den Sieg über die Alemannen deren nördliches
Siedlungs- und Herrschaftsgebiet in sein entstehendes Großreich
ein. Gleichzeitig gewinnt er nach und nach die Oberherrschaft
über die übrigen fränkischen Kleinkönigreiche
und Gaufürstentümer in Nordgallien, zuletzt 508 über
das von Köln.
Politisch
hatte Chlodwig damit bereits den Rahmen fränkischer Reichspolitik
zwischen Nordsee und Pyrenäen gezogen - möglicherweise
durchaus in bewußtem Rückgriff auf die klassischen
römischen Traditionen, die ihm ja als Abkömmling einer
römischen Militäraristokratie nicht fremd waren. Das
ist das Erbe, das dann zweieinhalb Jahrhunderte später die
Karolingerkönige wie selbstverständlich antreten. Diese
Reichsgründung wäre jedoch Stückwerk geblieben,
wäre ihm nicht die tiefgreifende gesellschaftliche Integration
der romanischen Bevölkerung und vor allem der romanischen
Führungsschicht gelungen.
Chlodwig
übernahm bei seiner zum Jahr 496 überlieferten Taufe
nicht wie die Langobarden oder Westgoten das Christentum arianischer
Prägung, das germanischer Vorstellungskraft mehr entsprechen
mochte, aber von der "offiziellen" Lehre bereits 325 als Ketzerei
verdammt worden war. Er schloß sich dem katholischen Christentum
seiner gallischen Bischöfe an und vermied damit den tiefgreifenden
Gegensatz anderer Germanenreiche. Chlodwig konnte Kirche und romanische
Gesellschaft integrieren, konnte aber auch die Assimiliationskraft
der Romanen für die Franken freisetzen und nutzen.
Die Taufe
des Königs selbst, von der "offiziellen" Geschichtsschreibung
ursächlich in Zusammenhang mit einer Schlacht gegen die Alemannen
gebracht, dürfte eher als ein langsamer Annäherungsprozeß
an das katholische Christentum der Romanen im Frankenreich zu
sehen sein. Die vielzitierte Szene, daß Chlodwig angesichts
der drohenden Niederlage des fränkischen Heeres den Christengott
um Beistand angerufen und diesen Beistand auch erhalten habe,
rückt den Frankenkönig in die Rolle eines zweiten Konstantin:
Dort die Schlacht an der Milvischen Brücke, hier die Schlacht
gegen die Alemannen, und beidemale die Anerkennung eines mächtigen
Gottes. Aber noch ein anderer Gesichtspunkt steckt hinter der
Legende. Da Chlodwig wohl erst später, vielleicht 498, vielleicht
508 von Bischof Remigius von Reims die Taufe empfangen hat, dient
bereits in fränkischer Zeit das Taufversprechen als Legitimation
des Königs gegenüber seinem Adel, der es diesem auch
leicht gemacht hat, ihm in das Christentum zu folgen.
Überhaupt
ist nicht nur das Verhältnis zwischen Nichtchristen und Christen,
sondern auch zwischen Franken und Nichtfranken, zwischen Romanen
und Westgoten, Alemannen, Thüringern und Mitgliedern anderer
Völkerschaften weit weniger spannungsgeladen, als uns das
aus heutiger Sichtweise erscheinen mag. Gerade die archäologische
Hinterlassenschaft in Dörfern, die von verschiedenen Völkerschaften
bewohnt waren, legt beredtes Zeugnis vom einträchtigen Zusammenleben
ab.
Mit dem Tod
Chlodwigs, des Reichsgründers, tritt das alte salfränkische
Erbrecht in Kraft, das zwar jedem Sohn Anteil am Erbe zuweist,
dieses Erbe aber weiterhin als Gemeinschaft der Erbberechtigten,
der Brüdergemeinde, ansieht. Folgerichtig wird das Land in
vier Teile geteilt - genauer gesagt wird die Francia, das fränkische
Kernland geteilt und jedem dieser Teile ein Hinterland bis an
die Reichsgrenze zugewiesen. Reims, Orléans, Paris und
Soissons werden Sitze der Teilkönige, die sich je nach politischer
Stimmung durchaus auch als Unterkönige eines gemeinsam zu
haltenden gesamtfränkischen Reiches ansehen. Ausdruck dieser
weiterlebenden gesamtfränkischen Idee ist nicht nur der permanente
Erbanspruch auf das Ganze, sondern auch eine gemeinsam von allen
getragene Außenpolitik. Paris wird darüberhinaus auch
ideelle Hauptstadt eines stets als Gesamtreich verstandenen Frankenreiches
gesehen. Mitte des 6. Jahrhunderts ist daher durch konsequente
Eroberungspolitik der Umfang der alten römischen Gallia und
Germania wiederhergestellt.
Die Folgezeit
kennt zahllose Klein- und Erbkriege, vor allem um die Frage, ob
bei Tod eines Bruders dessen Kinder oder die übrigen Brüder
erben. Immer wieder geschah es aber, daß das Reich unter
der Regierung eines überlebenden Merowingers geeinigt wurde
- um dann in der nächsten Generation wieder geteilt zu werden.
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