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MenschenZeit
Geschichten vom Aufbruch der frühen Menschen

17. Dezember 2002 bis 18. Mai 2003
Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim

Konzept und Aufbau

Mittlere Altsteinzeit (Mittelpaläolithikum)

Im Mittelpaläolithikum (300.000-35.000 Jahre vor heute) lebten Menschenformen in Europa, die zur großen Familie der Neandertaler gehörten. Diese frühen Menschengruppen verfertigten jeweils sehr typische Steinwerkzeuge, so dass es möglich ist, mehrere "Kulturen" zu unterscheiden. Diese lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres in einen chronologischen oder geographischen Rahmen einordnen.

Die Menschen des Mittelpaläolithikums waren Nomaden, die ihre Umgebung gut kannten und ihre Lagerplätze sorgfältig aussuchten: Bei Höhlen oder Felsdächern wurden die nach Süden ausgerichteten gewählt, damit die Sonne den Platz wärmen konnte. Auch Reste von Zelten unter freiem Himmel sind bekannt. Beliebt als Wohnplätze waren auch Talhänge, da hier unterschiedliche Landschaftsformen aneinander grenzten und die ganze Vielfalt der Umgebung genutzt werden konnte. Das Tal bot Wasser, Fische, Wasserpflanzen, Bäume und Waldtiere, auch große Herden konnten hindurchziehen. Die Hochflächen weiter oben waren von Kräutern und Sträuchern bewachsen und von Tieren belebt, die viel Bewegungsfreiheit brauchten, wie Wildpferd, Moschusochse oder Löwe.

Die Feuerstelle war das Zentrum des täglichen Lebens und alle "häuslichen" Tätigkeiten fanden hier statt, wie die vielen Spuren von Feuerstellen, umgeben von allen möglichen Artefakten, zeigen. Doch die Werkzeuge zum Feuermachen selbst, wie zahlreich sie auch gewesen sein mögen, sind zum allergrößten Teil verschwunden. Wir müssen auf ethnologische Vergleiche zurückgreifen, um die Methoden zu erschließen.

Selbst wenn sich keine Kleidungsstücke erhalten haben, so gibt es doch indirekte Beweise dafür, dass die Neandertaler Kleidung hergestellt haben.

Die Neandertaler waren ausgezeichnete Jäger. Die an ihren jeweiligen Aufenthaltsorten gefundenen Tierknochen zeigen, dass sie entweder viele unterschiedliche Tierarten jagten, darunter Fische und Vögel, oder sich manchmal auch auf eine einzige konzentrierten. Ihre Waffen waren höchstwahrscheinlich Holzspeere, und sie jagten in Gruppen. Die Beutetiere wurden am Jagdort mit Steinwerkzeugen geöffnet, sorgfältig ausgenommen und die besten Stücke dann zum Lager transportiert. Gegessen wurden außer dem Fleisch die Innereien, das Knochenmark und wahrscheinlich das Blut. Die Tiere lieferten noch weitere wertvolle Grundstoffe, wie Felle, Geweih oder Horn, Knochen und Sehnen.

Die Neandertaler brieten wahrscheinlich ihr Fleisch, denn erhitzte und verbrannte Knochen sind an mittelpaläolithischen Fundstellen keine Seltenheit. Wie weit ihre Kochkünste ansonsten reichten, wird wohl ihr Geheimnis bleiben.

In Europa gab es wahrscheinlich zwei großen Kulturgruppen: im Westen das sogenannte Moustérien und in Mittel- und Osteuropa das Micoquien. Sie unterscheiden sich vor allem durch die Form ihrer Faustkeile. Unter den zahlreichen Knochenresten aus den mittelpaläolithischen Fundstellen befinden sich nur wenige bearbeitete Stücke. Knochen wurden wahrscheinlich deshalb kaum zu Werkzeugen verarbeitet, weil damals viel Holz zur Verfügung stand. Mikroskopische Spuren an vielen Steinwerkzeugen zeigen, dass sie mit Holz geschäftet waren oder zur Holzbearbeitung gedient hatten. Birkenpech ist eine klebrige Masse, die durch Erhitzung aus Birkenrinde gewonnen wird, es ist der älteste "Kunststoff" der Welt und wurde als Klebstoff verwendet.

Die Entdeckung eines Zungenbeins bei einem Neandertalerskelett hat endgültig bewiesen, dass die Neandertaler sprechen konnten. Ihre Sprache kennen wir natürlich nicht, ebenso wenig wie ihren Umgang mit Tönen. Sie verstanden es, sie zu erzeugen, denn es sind Pfeifen aus durchbohrten Fingerknochen und auch eine Flöte erhalten geblieben.

Die frühesten uns bekannten Bestattungen stammen aus dem Mittelpaläolithikum. Manchmal gehörten Beigaben dazu wie Werkzeuge, Knochen und Geweihe, die vielleicht auf einen Glauben an ein Leben nach dem Tod hinweisen. Die meisten Toten wurden mit angewinkelten Armen und Beinen in einer Grube beerdigt.

Zwischen ca. 40.000 und 32.000 Jahren vor heute veränderten sich die europäischen Kulturen. Immer mehr "neue" Formen mischten sich unter die spezifisch mittelpaläolithischen Werkzeugtypen. Zum ersten Mal tauchten Gegenstände auf, die als Schmuck bezeichnet werden können. Entlang der Donau und an manchen Stellen der Mittelmeerküste erschien eine völlig neue Kultur, Aurignacien genannt, ihr verdanken wir die ersten Bildwerke.

Vor 35.000 Jahren erreichte der moderne Mensch Europa und der letzte Neandertaler starb vor 27.000 Jahren. Als einzige Form überlebte der moderne Mensch. Die Einzelheiten dieser Vorgänge gehören zu den großen Rätseln der Urgeschichte.

Nach dem modernem Menschen, dem Homo sapiens sapiens, sind die Neandertaler die am besten erforschte Menschenform, denn die zahlreichen Funde von Skelettresten lieferten viele Informationen über ihren Körperbau. Die Neandertaler wurden im Durchschnitt 165 cm groß, die modernen Menschen 175 cm. Generell ist das Skelett des Neandertalers robuster als das des modernen Menschen. Besonders gut lassen sich die beiden Menschenformen anhand des Schädels unterscheiden. Der Neandertalerschädel hat Überaugenwülste, eine fliehende Stirn und eine flachere Schädeldecke als der moderne Mensch, sein Kinn weicht zurück.

Noch vor 15 Jahren glaubte man, dass die Neandertaler durch den modernen Menschen ausgerottet wurden, heute wird diese Ansicht nicht mehr vertreten. Funde belegen, dass Neandertaler und moderne Menschen mindestes 5000 (die Zahlen oben sprechen von 8000) Jahre lang gemeinsam in Europa gelebt haben. 1998 wurde die erste Analyse von Neandertaler-DNA präsentiert, die Ergebnisse schlossen eine Vermischung der beiden Menschenformen aus.

siehe auch:


Badische Heimat e.V.
Bezirksgruppe Bergstraße - Neckartal (Heidelberg)



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