7.8.12
Franziska Romana von Hallwyl, die Aufmüpfige
Ausstellung Schloss Hallwyl 20. April
bis 31. Oktober 2012 (kag)
Franziska Romana (1758-1836) flüchtete 17-jährig aus
dem Elternhaus in Wien, um ihren Cousin Abraham Johannes von Hallwyl
zu heiraten. Die Eltern hatten die Heirat aus religiösen und
finanziellen Gründen verweigert. Doch die Ehe war kurz; nach
vier Jahren verstarb Abraham. Franziska Romana pflegte intensive
Beziehungen zu herausragenden Persönlichkeiten und setzte
sich mit den Umwälzungen ihrer Epoche auseinander. Die Ausstellung
gibt Einblicke in das Leben von Franziska Romana und die unruhigen
Jahre um 1800. Im Mittelpunkt steht das grosse Beziehungsnetz der
unermüdlichen Briefeschreiberin.
Im Rahmen des Frauenjahres 2012 im Museum Aargau wird in der Ausstellung
von Schloss Hallwyl die Geschichte der Franziska Romana, der Aufmüpfigen
erzählt. Sie liest sich wie ein Roman. Nicht nur die politischen
Zeiten waren unruhig, sondern auch das Leben der adeligen Tochter
aus bestem Haus. Sie hat drei wichtige Abschnitte der Geschichte
miterlebt: Das Ancien Régime, die Zeit der Helvetik und
das Werden des Kantons Aargau. In diesen Abschnitten hat sich auch
die Mode verändert. Darum stehen Kostüme aus Rokoko,
Empire und Biedermeier am Anfang der Ausstellung. Dazu wird das
weitreichende Beziehungsnetz Franziskas aufgezeigt. Zu sehen und
lesen sind Originalbriefe und Portraits von verschiedenen Zeitgenossen,
mit denen sie in Kontakt stand.
Ein Tunichtgut aus dem Aargau
Wer ist der Mann, der das Herz der
Wiener Schönheit im Sturm
erobert? Abraham Johann, 1746 geboren, wächst in bescheidenen
Verhältnissen auf Schloss Hallwyl auf. Mit sechzehn tritt
er in ein Berner Regiment in französischen Diensten ein. Gemäss
einem Zeitgenossen muss der junge Hallwyl ein regelrechter Tunichtgut
gewesen sein. Er quittiert den Dienst und geht auf Reisen. Der
Lebenswandel des Junkers bringt ihn vor das Chorgericht; von unehelichen
Kindern ist die Rede. Nach einer Gefängnisstrafe macht sich
der junge von Hallwyl auf, die schöne Franziska Romana, eine
entfernte Verwandte, kennen zu lernen. Sie gilt als reichste Erbin
von ganz Wien. Nach mehreren Monaten angenehmen Aufenthaltes im
Haus seiner Verwandten reist Abraham Johann ab. Nun merkt Franziska
Romana, dass sie schwanger ist. Ihre Eltern verweigern die Heirat.
In einer Kutsche flüchtet Franziska Romana mit ihrer Halbschwester
Leopoldine am 1775 aus Wien.

Ausstellungsraum im Schloss Hallwyl. © Museum Aargau
Eine kurze Ehe und eine lange Witwenschaft
Die Flucht endet mit
der Enterbung durch die Eltern. Mit der Heirat einer Katholikin
verliert der protestantische Abraham seine Berner
Land- und Burgerrechte. Das Unglück begleitet das junge Paar
weiter, denn Franziska erleidet eine Fehlgeburt. Doch innerhalb
der nächsten drei Jahren bekommt sie drei Söhne. Unterdessen
hatte Abrahams Mutter ihrem Sohn die Herrschaft abgetreten. Abraham
stattet sein Heim mit dem neuesten Geschmack und Möbeln aus
Paris aus. Das Glück währt nicht lange, nach drei Jahren
diagnostiziert der Arzt bei Abraham Johann ein „Faulfieber
schlimmster Art“. Nach wenigen Tagen stirbt er. Die Witwe
ist zutiefst erschüttert. 56 Jahre Witwenschaft warten auf
Franziska Romana. Als Witwe muss sie unter Vormundschaft gestellt
werden. Mehrmals erwägt sie, in ihre alte Heimat zurückzukehren
oder sich wieder zu verheiraten. Lange Jahre lebt sie bei Freunden,
bei der Familie Usteri in Zürich und bei der Familie Rothpletz
in Aarau. Die trauernde Witwe ist in der Kunst in der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts gross in Mode. Leidensbereitschaft gilt als
weibliche Tugend. Das Jugendschicksal Franziska Romanas passt hervorragend
in ihre Zeit und fand bestimmt nicht zuletzt darum so grossen Widerhall.
Beziehungen wollen gepflegt sein – Noblesse oblige
Franziska
Romana schrieb viele Briefe. Von ihr sind knapp 300 Briefe erhalten;
1600 an sie gerichtete Briefe befinden sich heute
noch im Familienarchiv Hallwyl. Die Briefe schrieb sie vor allem
während ihrer Witwenschaft, von 1780 bis zu ihrem Tod 1836.
Sie sind, wie es sich für ihren Stand gehörte, in französisch
verfasst. Sie erhielt nicht nur von ihren Verwandten Post, sondern
auch von einem weit gefächerten Freundeskreis. Sie korrespondierte
mit rund 100 Männern und 60 Frauen. Dazu gehörten berühmte
Persönlichkeiten wie Heinrich Pestalozzi, Johann Kaspar Lavater
oder der Revolutionär César Laharpe. Viele von Franziskas
Briefpartnern waren untereinander befreundet. Die damalige Elite
bewegte sich in einem dicht verwobenen Beziehungsnetz. Obwohl Franziska
mit Intellektuellen ihrer Zeit korrespondierte, äusserte sie
sich nicht zu den politischen oder gelehrten Diskussionen. Das
war typisch für schreibende Frauen ihrer Epoche.
Politische Situation – drei Staaten
Franziska Romana erlebte
auf Schloss Hallwyl drei verschiedenen Staatssysteme: Mit ihrer
Heirat wurde sie Bürgerin von Bern.
Der Einmarsch der Franzosen beendete 1798 den alten Staat Bern.
Nun folgte die zentralistisch verwaltete Republik, die alte Eidgenossenschaft.
Nach fünf turbulenten Jahren war die helvetische Republik
gescheitert und Napoleon diktierte mit der Mediationsverfassung
die Rahmenbedingungen des föderalistischen Staatenbundes.
Der Kanton Aargau entstand und Franziska Romana wurde Bürgerin
von Brugg. Diese Phase dauerte bis 1830, als in vielen Kantonen
die Liberalen die Oberhand gewannen und schliesslich 1848 den Bundesstaat
gründeten.
Was hat Mode mit Politik zu tun?
Kleidung war und ist auch ein
Mittel um eine (politische) Haltung auszudrücken. Wer sich nach der Französischen Revolution
noch mit Culotte (Kniebundhose), Perücke und anderem Rokoko-Utensilien
auf die Strasse wagte, riskierte Kopf und Kragen. Jetzt waren die
Sansculottes, die langen Hosen, angesagt. Frauen durften auf Hüftpolster
und Korsett verzichten. Zweckmässigkeit war für aktive
Bürger oberste Maxime, während die Frauen der gehobenen
Kreise wie griechische Statuen auf ihren Canapés ruhten.
Mit der Wiederinstallierung der konservativen Kräfte um 1815
kehrten Reifrock und Korsett zurück und zwängten Frauen
in die Unbeweglichkeit. Das entsprach ganz dem neuen bürgerlichen
Frauenbild, das die Frau als Zierde des Mannes am heimischen Herd
sah. Franziska erlebte also auch in modischer Hinsicht diverse
Umwälzungen in ihrem Leben.
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